Justinianische Pest enträtselt
Archivmeldung vom 29.01.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtErst vor kurzem gelang es einem internationalen Forscherteam aus München, Mainz und Arizona den Erreger der so genannten Justinianischen Pest in 1500 Jahre alten Skeletten aus München-Aschheim eindeutig nachzuweisen und zu typisieren. Nun ist den Forschern ein weiterer wissenschaftlicher Durchbruch gelungen. In Zusammenarbeit mit einer Gruppe aus Kanada konnten sie nahezu das vollständige Genom des Erregers der Justinianischen Pest entschlüsseln.
„Wir sind begeistert, dass es uns nun gelungen ist, das nahezu vollständige Genom des Erregers der Justinianischen Pest aus 1500 Jahre altem Skelettmaterial zu entschlüsseln“, so der Molekularbiologe Dr. Holger Scholz, Abteilungsleiter am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr (IMB) in München. „Dies ist ein Meilenstein in der Geschichte der historischen Pest-Forschung“, so Dr. Scholz weiter.
Vor kurzem erst konnten Forscher des IMB und der Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie (SAPM) in München zusammen mit Kollegen der JohannesGutenberg-Universität Mainz und der Northern University Arizona, USA, die Erbinformation (DNA) des Pesterregers Yersinia pestis zweifelsfrei in 1500 Jahre alten Skeletten nachweisen (1). Dadurch wurde die Jahrzehnte lange Debatte über die Ursache der ersten Pest-Pandemie, die im Jahr 541 ausbrach, beendet. „Aus den Ergebnissen der molekularen Untersuchungen wissen wir, dass die erste Pest-Pandemie auch Deutschland erreichte – und dass diese nicht wie bisher häufig angenommen ihren Ursprung in Afrika, sondern höchstwahrscheinlich in Zentralasien hatte“, erklärt Dr. Julia Riehm, Leiterin der Arbeitsgruppe Pest am IMB.
Nun sind die Wissenschaftler noch einen Schritt weitergegangen. Mittels eines speziellen „Fängersystems“ gelang es Yersinia pestis-spezifische DNA aus dem Zahnmaterial von zwei Skeletten soweit anzureichern, dass eine nahezu vollständige Entschlüsselung des Genoms möglich war. Diese Methode wurde von der kanadischen Arbeitsgruppe um Prof. Hendrik Poinar bereits erfolgreich zur Entschlüsselung des Pest-Genoms des ab dem 14. Jahrhundert wütenden „Schwarzen Todes“ angewandt (2). Dieses Mal war die technische Herausforderung aber noch wesentlich größer, da das zu untersuchende Material aus nahezu 1500 Jahre alten menschlichen Überresten des frühmittelalterlichen Friedhofs „Aschheim-Bajuwarenring“ im Landkreis München stammte (Fig. 1). „Das frühmittelalterliche Gräberfeld wird von Wissenschaftlern der Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie München seit Jahren intensiv erforscht. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Qualität der Nukleinsäure aus dem Skelettmaterial sehr hoch ist – dies ist eine Grundvoraussetzung zum erfolgreichen Nachweis historischer DNA von Krankheitserregern“, so Dr. Michaela Harbeck, Konservatorin an der Staatssammlung.
Die Genom-Analysen des Justinianischen Pesterregers aus zwei Pestopfern bestätigten die Ergebnisse der ersten Untersuchung und zeigen eindeutig, dass es sich phylogenetisch um einen „alten“ Pesterreger handelt, dessen molekulare Signatur bisher einzigartig ist (Fig. 2). Ein wichtiges Ergebnis der Untersuchungen des Genoms ist, dass sich der mit der Justinianischen Pest assoziierte Y. pestis-Stamm von den Y. pestis-Nachfahren des Schwarzen Tods unterscheidet. Es handelt sich beim Erreger des Schwarzen Tods also nicht um einen direkten Nachfahren des Auslösers der Justinianischen Pest. „Wir gehen deshalb davon aus, dass verschiedene Pest-Erreger mehrfach zu verschiedenen Zeitpunkten aus der Nagetierpopulation eingetragen wurden, die im weiteren Verlauf zu lokalen Epidemien und Pandemien führten“, so Dr. Scholz. Weshalb die Linie des Erregers der Justinianischen Pest ausstarb und somit nicht erfolgreich war, bleibt unklar. Die Ergebnisse der neuen Studie wurden kürzlich in der Fachzeitschrift „The Lancet Infectious Diseases“ veröffentlicht (3).
„Diese erst jetzt mit neu entwickelten Methoden erzielten sensationellen Ergebnisse zeigen den Wert von archäologischen Skelettmaterial und die Notwendigkeit einer adäquaten Bergung und dauerhaften Aufbewahrung dieser einzigartigen historischem Quelle“, sagt Dr. Harbeck.
„Wir hoffen auf die Möglichkeit, Genom-Analysen von weiteren Pestopfern aus der Justinianischen Epoche von verschiedenen Orten durchführen zu können. Nur durch vergleichende Untersuchungen können wir herausfinden, ob die Justinianische Pest von einem einzelnen oder mehreren verschiedenen Pesterregern verursacht wurde“, so die Forscher. „Wir sind dem Geheimnis der Justinianischen Pest durch unsere Untersuchungen ein gutes Stück näher gekommen, aber es gibt noch viele offene Fragen und noch viel zu tun.“
Quelle: Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns (idw)