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Künstliche Intelligenz zwischen Alltagsnutzen und Zukunftsmusik

Archivmeldung vom 17.06.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.06.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die Vorstellung über Künstliche Intelligenz war zunächst stark mit rationalem, logikbasierten Schlussfolgern verbunden. Als ein wichtiger Aspekt der Intelligenz wurde dabei die Fähigkeit gesehen, möglichst viele Lösungskombinationen durchspielen zu können, um dann die beste Kombination auszuwählen.

Das Schachspiel ist hierfür ein gutes Beispiel. Unvergessen der Sieg des maschinellen Schachcomputers "Deep Blue" 1997 über den menschlichen Schachweltmeister Garri Kasparow.

Auch wenn in diesem Spiel Computer besser sind, stellt das Kombinieren nur einen kleinen Teil der menschlichen Intelligenz dar. Denn Menschen besitzen die Fähigkeit, schnelle und gute Entscheidungen auch dann zu treffen, wenn mehrdeutige, unklare oder unvollständige Informationen vorliegen. Um eine Situation zu erkennen, führen Menschen in jeder Sekunde drei Augenbewegungen durch. Sie fixieren dabei unbewusst informative Bereiche einer Szene, die es ihnen ermöglichen, blitzschnell selbst komplexeste Szenen zu analysieren. - eine für jedes automatische Sehsystem noch immer enorme und bisher nicht gelöste Herausforderung. Das Kunststück der Natur bzw. unseres Gehirns besteht also darin, Merkmale einer Szene, die wir wahrnehmen, mit Erwartungen, Erfahrungen und Bewertungen zu versehen, um zu Handlungen oder Lösungen zu gelangen.

Die Entwicklung der KI, die Entwicklung des Wissens über die menschliche Intelligenz sowie das daraus resultierende Menschenbild sind eng miteinander verschränkt. Der Wunsch der KI-Forscher war es von Beginn an, von der Natur zu lernen, die Erkenntnisse zu modellieren und auf Maschinen zu übertragen. Daher lautet die grundlegende Frage der KI-Forschung: Wie lassen sich mühelos erscheinende und unbewusst ablaufende Verhaltensweisen der Menschen auf Maschinen übertragen?

Künstliche Intelligenz gelingt nur interdisziplinär

Die KI lebt vom Wissens-Austausch zwischen unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen. So erfordert die Realisierung eines automatischen Sehsystems Erkenntnisse aus der Biologie, der Psychologie, der Neurobiologie und anderen Disziplinen, die in einer gemeinsamen Sprache verfügbar zu machen und in einem System zusammenzufügen sind. Die KI ist somit ein Werkzeug, um Erkenntnisse über das Verhalten von visuellen Sensoren und Neuronen auf der einen Seite mit Erkenntnissen aus der Kognitionsforschung über optische Täuschungen auf der anderen Seite zusammenzuführen. Dabei werden "Vereinbarkeiten" und "Unvereinbarkeiten" wissenschaftlicher Ergebnisse aus den unterschiedlichen Disziplinen genauso wie Lücken in der Theoriebildung sichtbar. Diese Wertschöpfung durch die KI schlägt sich auch in ihren interdisziplinären Anwendungsfeldern nieder.

Die "heimlichen" Alltags-Anwendungen der Künstlichen Intelligenz

KI-Anwendungen sind in der Regel schwer als solche zu erkennen. KI-Forscher ermuntern sich mit einem Bonmot: "Wenn Künstliche Intelligenz schließlich funktioniert, dann wird es nicht mehr KI genannt. Dann nennen wir es Informatik, weil wir es verstehen." Professor Wilfried Brauer (TU München / Universität Bremen) übersetzt KI deshalb auch als "Künftige Informatik".

So finden wir die KI in allen Lebensbereichen des Alltags wieder: In jeder Kaffee- oder Waschmaschine ist mit der so genannten "Fuzzy Control" KI-Technik integriert. Dabei wird das klassische Ja/Nein von logischen Schaltkreisen auf weiche Abstufungen erweitert. Das Gerät ist so intelligent, dass es flexibel auf Korngrößen des Kaffeepulvers, der Wassertemperatur oder der zu reinigenden Wäschemenge reagieren kann. Verkehrsleitsysteme sorgen dafür, dass Autofahrer schnellst möglich ans Ziel kommen. KI-Regeln verhindern Signale, die zu Wellenphänomenen führen, den so genannten "Staus aus dem Nichts".

In modernen Oberklasselimousinen ist eine Sprachsteuerung eingebaut. Anstatt das dicke Benutzerhandbuch zu studieren, genügt es, wenn der Fahrer sagt: "Bitte etwas wärmer auf der Fahrerseite" oder "Ich brauche jetzt die sportliche Fahrwerkabstimmung". Und es wird auch die Frage beantwortet: "Erreiche ich bei dichtem Verkehr meinen Flug nach München?" Das KI-Sprachsystem analysiert die gesprochene Sprache, filtert Störgeräusche heraus und ermittelt durch Anfrage externer Wissensquellen die gewünschte Information. Anschließend wird eine gesprochene Antwort generiert. Dabei kann das System bei Unklarheiten Klärungsdialoge führen und sogar in Betracht ziehen, wie abgelenkt der Fahrer ist. Dieses Auto existiert bereits als Prototyp.

Auch etwas so Selbstverständliches wie die Benutzeroberfläche mit Windows und Maus wurde in KI-Forschungslaboren wie Xerox PARC entwickelt. Aber der KI-Blick ist natürlich gen Zukunft gerichtet. KI ist erforderlich, um ein Roboterfahrzeug auf den Mars zu schicken oder eine Forschungssonde um den Jupiter herumzusteuern. Diese Fahrzeuge sind autonom, das heißt sie steuern sich selbständig, denn Funksignale brauchen zu lange, um eine Fernsteuerung zu erlauben.

KI-Techniken sind überall, wenn auch (noch) nicht in Form von Robotern, die den Menschen in tiefsinnige Gespräche über den Sinn des Lebens verwickeln. Das ist noch Science Fiction, aber die Forscher arbeiten daran - nicht blind, sondern gesellschaftlich verantwortlich, wohl wissend, dass jede technische Entwicklung auch missbraucht werden kann. Aber die Künstliche Intelligenz wird in der Lage sein, der Menschheit Entscheidungshilfen bei existenziellen Problemen wie Klimawandel, Naturkatastrophen oder Hunger in der Welt an die Hand zu geben. Die Künstliche Intelligenzforschung verändert das Denken über grundlegende Menschheitsfragen - und verändert (vielleicht) den Menschen selbst.

Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.

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