Wimperntierchen und ihre bakteriellen Lebenspartner - Eine weltweite Partnerschaft
Archivmeldung vom 15.07.2017
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtWimperntierchen sind wie Menschen von einer Vielfalt an Bakterien besiedelt. Bei ihren symbiontischen Lebenspartnern haben manche der Wimperntierchen (Ciliaten) schon vor sehr langer Zeit ihre Wahl getroffen. Und die scheint sich bewährt zu haben. Das zeigen Untersuchungen von Bremer Max-Planck-Forschern und ihren Kollegen, die eine Gruppe dieser Einzeller und deren bakterielle Partner im Mittelmeer und in der Karibik erforscht haben und jetzt darüber in den Proceedings of the Royal Society B berichten. Die Bakterien liefern dabei die Energie für den Wirt, das Wimperntierchen, in dem sie Schwefel oxidieren.
Überraschend dabei ist es, dass es, obwohl ein ganzer Ozean das Mittelmeer von der Karibik trennt, es immer fast dasselbe Gespann von Bakterien und Wimperntierchen ist, denn beide Partner stammen jeweils von einem Urahn ab.
Elegante Schwimmer
Wimperntierchen sind eigentlich keine Tiere. Es sind Einzeller mit mehreren Zellkernen und kommen im Süßwasser, Meer und im Boden vor. Der Name rührt von den Wimpern auf der Zelloberfläche her, mit der diese Einzeller sich fortbewegen und Nahrung zu einer mundähnlichen Öffnung heranführen können. Bekanntestes Beispiel ist das Pantoffeltierchen. Erst unter dem Mikroskop sieht man die Eleganz, mit der diese sich bewegen. Manche dieser Lebewesen werden so groß, dass sie mit dem bloßen Auge als Pünktchen im Wassertropfen sichtbar werden. In der jetzt vorgestellten Studie von Brandon Seah aus der Abteilung Symbiose am Bremer Max-Planck-Institut geht es um die Gattung Kentrophoros, die keinen Mund zur Aufnahme von Nahrung besitzt, dafür aber auf symbiontische Bakterien, so genannte Schwefeloxidierer, angewiesen ist.
Man spricht hier von Mutualismus, d.h. beide Partner sind aufeinander angewiesen.
Chemosynthese und Symbiose als Strategie
Inzwischen kennt man eine Reihe von Lebewesen, die diese schwefeloxidierenden Bakterien als Energielieferanten nutzt. Die ersten entdeckte man zufällig in den 1970er Jahren an den Hydrothermalquellen der Tiefsee. Die Tiefseemuscheln Bathymodiolus und der Röhrenwurm Riftia sind zwei Beispiele. Doch bislang war nicht bekannt, wie die Symbiose bei den Wimperntierchen der Gattung Kentrophoros strukturiert ist. Sind die Bakterien mit anderen verwandt oder ist es eine bislang unbekannte Art?
In der jetzigen Studie verglichen die Forscher Kentrophoros aus dem Mittelmeer und der Karibik. Obwohl das äußere Erscheinungsbild, und die Morphologie sehr verschieden war, zeigten die Ergebnisse der Erbsubstanzanalyse, dass alle Zellen einen gemeinsamen stammesgeschichtlichen Ursprung haben. Und das trifft jeweils auf die Bakterien und die Wimperntierchen zu. Die Bakterien gehören stammesgeschichtlich alle zu einer einzigen neu entdeckten Klade, das heißt, alle in dieser Studie gefundenen Symbionten haben einen gemeinsamen Vorfahren. Das bedeutet, dass vor ein paar Millionen Jahren der erste Kentrophoros und der Urahne dieser Bakterien eine gemeinsame Partnerschaft wählten, die die Zeiten überdauerte. Ihre Nachkommen haben sich über den Planeten Erde ausgebreitet.
„Die bakteriellen Symbionten wachsen nur auf einer Körperseite. Manche Wimperntierchen haben große Ausbuchtungen ausgebildet, um die Siedlungsfläche zu vergrößern. Diese Wimperntierchen tragen sozusagen ihr eigenes Gemüsebeet mit sich herum, denn die Bakterien werden vom Wirt per Phagozytose aufgenommen,“ beschreibt Brandon Seah, Doktorand am Bremer Max-Planck-Institut die Symbiose.
Prof. Dr. Nicole Dubilier, Direktorin des Max-Planck-Instituts sagt:„Unsere Ergebnisse zeigen, dass diese Symbiose zwischen Wimperntierchen und schwefeloxidierenden Bakteriensich über sehr lange evolutionäre Zeiträume, vielleicht zehn bis hunderte Millionen Jahre, erhalten hat. Ursprünglich dachten wir, dass diese Symbiose niemals so spezifisch sein kann wie bei Endosymbionten, die in ihrem Wirt leben. Bei Kentrophoros vermuteten wir, dass sie die Symbionten leicht verlieren, wenn sie sich durch Sand oder Wasser bewegen. Aber es stellte sich heraus, dass dies kein Hinderungsgrund für die intensive stabile Beziehung zwischen Wirt und Symbiont darstellt.“
Geht man nur vom äußeren Erscheinungsbild aus, haben die Forscher dieser Studie 17 verschiedene Typen Kentrophoros gefunden, die genetisch sehr ähnlich sind. Es scheint einen generellen Masterplan zu geben, dessen Ausführungen unterscheiden.
Ausblick
Als nächstes steht unter anderem die Sequenzierung der Genome an. Ein weiteres Ziel ist es, diese Lebewesen im Labor zu züchten, denn dann sind weitere interessante Untersuchungen zur Beziehung zwischen Genotyp und Phänotyp möglich. Was bringt jeder Partner in die Beziehung ein?
Quelle: Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie (idw)