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Laserwelle steuert Elektronenbewegung in Molekülen

Archivmeldung vom 15.04.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.04.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Abbildung: Dissoziation eines Deuterium-Moleküls: unter dem Einfluss eines Femtosekundenpulses (rote Kurve) beginnt die Elektronenwolke (blau) zwischen den Atomkernen (grau) hin und her zu schwingen (lilafarbene Kurve). Nach einer festgelegten Zeit zerfällt das Molekül in ein D+-Ion und ein neutrales D-Atom.  Grafik: AMOLF/MPQ
Abbildung: Dissoziation eines Deuterium-Moleküls: unter dem Einfluss eines Femtosekundenpulses (rote Kurve) beginnt die Elektronenwolke (blau) zwischen den Atomkernen (grau) hin und her zu schwingen (lilafarbene Kurve). Nach einer festgelegten Zeit zerfällt das Molekül in ein D+-Ion und ein neutrales D-Atom. Grafik: AMOLF/MPQ

Ultrakurze Laserpulse im Femtosekunden-Bereich haben sich als effektive Werkzeuge bewährt, um photochemische Reaktionen kontrolliert zu steuern: Unter dem Einfluss des Lichtpulses ändern die Elektronen ihre Quantenzustände, was das Aufbrechen einer chemischen Bindung oder auch ihre Neubildung zur Folge haben kann.

Wissenschaftler des FOM Institute for Atomic and Molecular Physics (AMOLF), Amsterdam, des Max-Instituts für Quantenoptik in Garching sowie der Universitäten Bielefeld und Hamburg sind nun einen entscheidenden Schritt weiter gekommen. Wie die Forscher in der Fachzeitschrift Science (14. April 2006) berichten, konnten sie mit "maßgeschneiderten" Wellenformen direkt die Bewegung der in die chemischen Bindungen involvierten Elektronen und damit auch das Reaktionsergebnis kontrollieren. Der hier für Dissoziation von D2-Molekülen erzielte Erfolg ebnet vielleicht den Weg, auch Elektronen-Transferprozesse in großen Biomolekülen wie etwa DNA-Basenpaaren zu steuern.

Erst seit kurzem verfügen Forscher über Femtosekunden-Pulse (1 Femtosekunde ist ein Millionstel von einem Milliardstel einer Sekunde) mit präzise kontrollierten Wellenformen. 2002 gelang es Prof. Ferenc Krausz (damals Technische Universität Wien, heute Direktor am MPQ) in Zusammenarbeit mit Prof. Theodor Hänsch (Direktor am MPQ), mit Hilfe der Nobelpreis-gekrönten Frequenzkammtechnik so genannte "phasenstabilisierte" Laser zu entwickeln. Diese Laser zeichnen sich dadurch aus, dass von Puls zu Puls nicht nur Intensität und Frequenz, sondern auch die Lage der Maxima und Minima der Lichtschwingungen identisch ist.

Die hochintensiven, perfekt kontrollierten Felder solcher Femtosekundenpulse üben auf Elektronen in Atomen vergleichbare Kräfte wie die positiv geladenen Atomkerne aus. Wie Wissenschaftler um Prof. Krausz in verschiedenen Experimenten zeigten, lässt sich mit solchen Pulsen die Bewegung der um die Atome kreisenden Elektronen direkt steuern, was sowohl die kontrollierte Entfernung von Elektronen aus Atomen als auch die Erzeugung von Attosekunden-Pulsen (eine Attosekunde ist ein Milliardstel von einer Milliardstel Sekunde) ermöglicht. Daher stellt sich die Frage, ob auch die Elektronen, die in Molekülen die chemische Bindung vermitteln, durch solche Pulse kontrolliert werden können, und ob sich dadurch die Dynamik von chemischen Reaktionen beeinflussen lässt.

Ein Team um Dr. Matthias Kling hat nun am MPQ den Einfluss von linear polarisierten, 5 Femtosekunden langen Laserpulsen auf die Dissoziation (d.h. das Auseinanderbrechen) von positiv geladenen Deuterium-Ionen (D2+, schwerer Wasserstoff) untersucht. Die aus kommerziell erhältlichem D2 durch Laser-Ionisation erzeugten D2+-Ionen sind denkbar einfach aufgebaut: Sie enthalten zwei positiv geladene Kerne (die jeweils aus einem Proton und einem Neutron bestehen) und ein Elektron. Mit einem "Sensitive Imaging"-Detektor - einer Art Kamera -, den eine Gruppe um Prof. Marc Vrakking am AMOLF entwickelt hatte, bestimmten die Wissenschaftler die Richtung, unter der die Molekülfragmente - ein Deuterium-Atom sowie ein positiv geladenes Deuterium-Ion - nach der Dissoziation ausgesendet wurden. Solange sie Laserpulse ohne Phasenstabilisation verwendeten, war die Emissionsrichtung symmetrisch in Bezug auf die Polarisationsachse. Die Anwendung von Lichtpulsen, bei denen die Phase des elektrischen Lichtfeldes genau festgelegt war, führte dagegen dazu, dass die Bruchstücke - je nach Lage der gewählten Phase - bevorzugt in eine bestimmte Richtung flogen. Tatsächlich konnte die Emissionsrichtung über die Wahl der Phase gezielt gesteuert werden. Wurde die Phase so justiert, dass die Ionen nach rechts flogen (oberer Teil der Abbildung), so bewirkte eine Phasenverschiebung um 180 Grad eine Umkehrung der Emissionsrichtung, d.h. die Ionen flogen nach links (unterer Teil der Abbildung).

Quantenmechanische Rechnungen ergeben, dass sich dieses Phänomen folgendermaßen erklären lässt: Anfänglich ist das Elektron "delokalisiert", d.h. seine Aufenthaltswahrscheinlichkeit (symbolisiert durch die blauen Wolken in der Abbildung) erstreckt sich über beide Atomkerne, wodurch die chemische Bindung zustande kommt. Durch die Wechselwirkung mit dem Laserfeld besetzt das Elektron gleichzeitig zwei Energiezustände des D2+-Ions (im Fachjargon heißt dieser Vorgang "kohärente Überlagerung"). Dies hat zur Folge, dass sich die Elektronenwolke, abhängig von der Phase des Feldes, abwechselnd mehr auf der rechten oder der linken Seite der chemischen Bindung befindet. Die Oszillation des Lichtfeldes zwingt das Elektron, zwischen beiden Seiten hin und her zu schwingen. Dadurch wird die chemische Bindung zwischen den positiv geladenen Kernen allmählich schwächer, ihr Abstand vergrößert sich, und das Molekül wird schließlich instabil. Wenn das Molekül in zwei Fragmente aufbricht, bleibt das Elektron an einem der beiden Ionen hängen (das wird dann also zu einem neutralen D-Atom), während das andere Bruchstück als positiv geladenes Ion im Experiment nachgewiesen wird. Da die Dauer des Dissoziationsprozesses fest steht, lässt sich also durch Wahl der Phase des Lichtfeldes gezielt steuern, mit welchem Nukleon sich das Elektron zum Zeitpunkt des Zerfalls zusammen tut.

Elektronentransferprozesse spielen in der Chemie und Biologie eine außerordentlich wichtige Rolle. Schneller Elektronentransfer kann sowohl zur Schädigung als auch zur Reparatur von DNA-Basen-Paaren führen. Die hier für die Dissoziation von D2-Molekülen erhaltenen Resultate könnten einen Weg aufzeigen, wie sich solche Vorgänge auch in großen Biomolekülen durch elektrische Lichtfelder steuern lassen. Die Möglichkeit, den Ladungstransport gezielt durch einzelne Moleküle zu lenken, könnte auch zu einer weiteren Miniaturisierung von Bauelementen der molekularen Elektronik führen. / O.M.

Quelle:Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V. - idw -

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