Millionen in den Wind geschlagen
Archivmeldung vom 20.12.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittLagerschäden verringern die Verfügbarkeit moderner Windkraftanlagen und verursachen Gewinneinbußen in Millionenhöhe - Elektrotechniker der TU Chemnitz erarbeiten Lösungen.
Als Nicola Tesla in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die
Drehstrommaschine erfand, erahnte noch niemand die vielfältigen
Einsatzmöglichkeiten des neuen Maschinentyps. In der heutigen Zeit ist die
Drehstrommaschine aus modernen Elektroantrieben nicht mehr wegzudenken. Selbst
im Bereich der schnell wachsenden Windenergiebranche erobert sie immer mehr
Marktanteile. So werden weltweit pro Jahr mehr als 3.000 Windkraftgeneratoren
errichtet. Die Regelung dieser Windkraftanlagen übernehmen
leistungselektronische Stellglieder, die jedoch durch Verluste wesentlich auf
den Wirkungsgrad der Anlage Einfluss nehmen. Eines dieser Stellglieder ist der
so genannte Frequenzumrichter, bei dessen Speisung Nachteile entstehen.
Problematisch sind beispielsweise Lagerschäden aufgrund kapazitiv eingekoppelter
Spannungen und Ströme im Motor.
Genau diesem Thema widmet sich Johann
Zitzelsberger, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Chemnitzer Professur
Elektrische Maschinen und Antriebe, in seiner Promotion. "Gerade weil der Anteil
an Drehstromantrieben in der Vergangenheit rapide zunahm und immer noch zunimmt,
ist dieses anfänglich oftmals vernachlässigte Phänomen mittlerweile zu einem
nicht unwesentlichen Kostenfaktor beim Betreiben der Windenergieanlagen
geworden", begründet Zitzelsberger die Aktualität seines
Forschungsschwerpunktes. Die elektrisch bedingten Schäden an den Lagern setzen
nicht nur die Zuverlässigkeit der Generatoren herab, sondern führen auch zu
einem erhöhten Wartungs- und Instandhaltungsaufwand. So werden die
Qualitätsminderung und deren Vermeidung zu einem entscheidenden
Wettbewerbsfaktor für Unternehmen. "Schon eine um einen Prozentpunkt geringere
Verfügbarkeit eines mittleren Windparks mit etwa 60 Generatoren führt zu einem
Verlust von einer Million Euro pro Jahr", gibt der Promovend zu bedenken. Diese
Zahl würde sich zudem noch drastisch erhöhen, falls mehr Windparks offshore -
also auf See - betrieben werden. "Fällt hier einmal die Technik durch
Lagerschäden aus, ist es meist schwer in kurzer Zeit an solchen unzugänglichen
Orten die Fehler zu beheben. Dies führt zu längeren Stillstandszeiten, und die
nominale Verfügbarkeit eines Windkraftgenerators kann unter die 92 Prozent des
Normalwertes sinken".
Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft an
der TU Chemnitz geförderte Forschungsprojekt "Sequentielle Impulsplatzierung zur
Verbesserung des Gleichtaktverhaltens beim Umrichten mit Spannungszwischenkreis"
baut den Forschungsschwerpunkt "Windenergie" der Professur Elektrische Maschinen
und Antriebe unter der Leitung von Prof. Dr. Wilfried Hofmann weiter aus. "In
der ersten Phase des Projektes ermittelten wir den Stand der Dinge in Bezug auf
elektrisch bedingte Lagerschäden", erklärt Zitzelsberger. Um Ansätze zur
effizienten Problemlösung zu liefern, wurden Ursachen und Wirkungen von
Lagerschäden näher betrachtet. "Bisher war bekannt, dass der Grund für
elektrisch bedingte Lagerschäden in der rechteckförmigen Ausgangsspannung des
Umrichters liegt. Diese wird mithilfe spezieller Verfahren so moduliert, dass
eine maschinenverträgliche Speisespannung ähnlich der
50Hz-Netzspannungsversorgung entsteht. Jedoch übertragen sich die impulsförmigen
Spannungen im Inneren der Drehstrommaschine weiter und führen zu Lagerströmen,
die letztendlich Lagerschäden hervorrufen", erklärt der Doktorand die
Ursachen.
Auf Basis theoretischer und experimenteller Untersuchungen entstand darauf aufbauend ein neues Modulationsverfahren, das Lagerschäden minimiert und motorschonend arbeitet. Darüber hinaus wurden in Zusammenarbeit mit der Industrie - vor allem durch die VEM Sachsenwerk GmbH Dresden, die Gebhardt Ventilatoren GmbH in Netzschkau und die Spindelfabrik Neudorf GmbH - systemübergreifende Lösungen auf dem Gebiet strombedingter Lagerschäden auf den Weg gebracht und wissenschaftlich begleitet. Die rege Forschungstätigkeit auf diesem Gebiet wurde kürzlich auch durch die Tagung des VDE-Arbeitskreises "AK19 - Elektrische Maschinen" an der Professur für Elektrische Maschinen und Antriebe überregional gewürdigt. Dem Sprung in die Praxis steht nun nichts mehr im Wege. "Betreiber von Windkraftanlagen, die das Modulationsverfahren nutzen möchten, können sich gern an die Professur Elektrische Maschinen und Antriebe wenden", sagt Prof. Hofmann.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.