Forscher simulieren soziale Angst in virtueller Realität
Archivmeldung vom 25.04.2015
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtAn der Universität Regensburg konnten Prof. Dr. Andreas Mühlberger und Dr. Youssef Shiban vom Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie zusammen mit Prof. Dr. Inga Neumann vom Lehrstuhl für Tierphysiologie und Neurobiologie erstmals soziale Angst bei Menschen simulieren. Dazu entwickelten sie einen experimentellen Ansatz, durch den Probanden in einer virtuellen Realität soziale Angst lernten und dann direkt wieder verlernten. Die Methode ermöglicht es nun, soziale Angst unter Laborbedingungen zu simulieren, mit dem Ziel, neue Therapiekonzepte für soziale Phobie zu erforschen. Großes Potential sehen die Forscher im „Kuschelhormon“ Oxytocin, das starke pro-soziale Wirkung hat.
Soziale Phobie ist eine weit verbreitete Angsterkrankung, an der etwa 10 % der Bevölkerung leiden. Patienten mit dieser Angsterkrankung geraten während sozialer Kontakte außerhalb der Familie unter starken Stress. Sie leiden insbesondere unter der ausgeprägten Furcht, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen und sich peinlich oder beschämend zu verhalten. Die Folge ist fast immer, dass sie in sozialen Situationen starke Angst erleben oder solchen Situationen von vornherein aus dem Weg gehen. Dies kann das berufliche und private Weiterkommen erschweren und mitunter sogar zu vollkommener sozialer Isolation führen. Obwohl soziale Phobie durch Psychotherapie mit kognitiver Verhaltenstherapie häufig erfolgreich behandelt werden kann, sprechen nicht alle Patienten auf die Methoden an. Anstrengungen zur Verbesserung der Therapieansätze sind deshalb notwendig.
Vor diesem Hintergrund wollten die Arbeitsgruppen um Mühlberger und Neumann ein Untersuchungsparadigma entwickeln, mit dem die Ursachen der Angsterkrankung beim Menschen erforscht werden können. In dem von Dr. Shiban geleitetem Experiment sollten Probanden – vor allem Studierende – in einem virtuellen Raum mittels Joystick auf eine Person (einen Agenten) zugehen. In einigen Fällen erhielten die Probanden nach der Annäherung eine unangenehme „Bestrafung“. Die „Bestrafung“ erfolgte entweder durch einen sehr lauten und schrillen Frauenschrei, der über einen Kopfhörer ertönte, oder durch einen starken Luftstrom an den Hals.
Nicht bei allen Agenten kam es zu einer Bestrafung. Dies führte dazu, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Studie nach dem Experiment gerade die Agenten, bei denen sie eine Bestrafung erhalten hatten, als unsympathischer einschätzten. Die Probanden zeigten darüber hinaus sowohl bei der Bestrafung während der eigentlichen Konditionierung als auch bei einer späteren – ungestraften – Annäherung an diese Agenten eine höhere Herzfrequenz und eine erhöhte Schreckreaktion. Im Verlauf der Untersuchung empfanden die Probanden mit stärkerer sozialer Angst alle Agenten gleichermaßen unsympathisch – auch jene ohne Bestrafung – und zeigten auch bei allen Agenten eine ähnlich hohe Stressreaktion.
Der neue Untersuchungsansatz ermöglicht es erstmals, in virtueller Realität soziale Angst unter Laborbedingungen zu simulieren und auch wieder zu löschen. Somit kann mit diesem Ansatz das Krankheitsbild der sozialen Phobie genauer erforscht werden. Im Zentrum stehen dabei die folgenden Fragen: Was verändert sich im Gehirn der angstkonditionierten Menschen? Was verändert sich nach Auslöschung der sozialen Angst? Und wie kann dies therapeutisch erreicht werden?
Die Wissenschaftler haben schon eine Idee, wie soziale Phobie therapiert werden könnte. „Das Neuropeptid Oxytocin, das starke pro-soziale Wirkung hat, wäre hier eine ideale Ergänzung zur kognitiven Verhaltenstherapie“, meint die Neurobiologin Neumann. „Es verstärkt etwa die Partnerbindung, ermöglicht starke Mutter-Kind-Bindungen und steigert allgemein unseren Drang zu sozialen Kontakten.“ Neumann konnte mit ihrem Team bereits zeigen, dass Oxytocin im Tier soziale Angst reduziert. „Auch die Durchführung von Verhaltensübungen in virtueller Realität mit virtuellen Agenten könnte die Psychotherapie bei sozialer Phobie verbessern“, erklärt Mühlberger. Bei anderen Phobien konnte er mit seinem Team die Wirksamkeit von virtuellen Verhaltensübungen schon belegen.
Quelle: Universität Regensburg (idw)