Wie verhält sich die Golfstromzirkulation in der Zukunft?
Archivmeldung vom 12.08.2016
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtEine der zentralen Fragestellungen bei der Untersuchung der Auswirkungen der globalen Erwärmung ist die mögliche Veränderung von Meeresströmungen im Atlantik, insbesondere der Golfstromzirkulation. Auch wenn viele Studien eine Abschwächung in den nächsten 100 Jahren vorhersagen, sind die Unsicherheiten immer noch groß. Wie eine jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Climate Dynamics veröffentlichte Studie unter Führung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel zeigt, liegt dies primär an Modelldefiziten und weniger an der Unkenntnis der zukünftigen Treibhausgasemissionen.
Die Golfstromzirkulation ist die Warmwasserheizung Nordeuropas. Ohne die permanente Zufuhr warmen Wassers wäre das Klima in diesen Breiten eher subpolar wie beispielsweise auf der anderen Seite des Atlantiks in Labrador. Der Antrieb der Golfstromzirkulation ist die Tiefenkonvektion, das Absinken abgekühlter Wassermassen in den hohen Breiten bis in große Tiefen. Die damit verbundene Sogwirkung lässt tropisches Wasser in den oberen Meeresschichten nach Norden fließen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom atlantischen Förderband. Das Stromsystem könnte sich infolge der Erderwärmung abschwächen, auch ohne das Schmelzen des grönländischen Eispanzers. Das liegt einerseits an der Erwärmung selbst und andererseits an geringeren Salzgehalten infolge höherer Niederschläge. Beide Effekte lassen die Dichte des Meerwassers sinken, was die Tiefenkonvektion erschwert.
Seit vielen Jahren untersuchen Forscher weltweit mit Klimamodellen die Auswirkungen des fortschreitenden Klimawandels auf die Golfstromzirkulation. Unsicherheiten in den Projektionen des zukünftigen Klimas gehen prinzipiell auf drei Unsicherheiten zurück: auf die Unkenntnis der zukünftigen anthropogenen Treibhausgasemissionen, auf die natürliche Variabilität und auf die Unterschiede zwischen den Modellen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel haben jetzt zwei internationale Vergleichsprojekte für Klimamodelle ausgewertet, um die Unsicherheiten in den Projektionen für die Golfstromzirkulation zu analysieren. Dabei handelt es sich um die Modelle, die 2007 und 2013 in den Berichten des Weltklimarats (IPCC) Eingang fanden. Das Ergebnis: Modelldefizite bestimmen immer noch die Unsicherheit in den Projektionen bis zum Ende des Jahrhunderts und weniger die ungewissen Treibhausgasemissionen. Das steht im krassen Gegensatz zu anderen Parametern wie der globale Erdoberflächentemperatur, bei der die zukünftigen anthropogenen Emissionen die größte Unsicherheitsquelle sind.
„Wir haben zwei große Modellvergleichsprojekte als Basis für unsere Untersuchungen genutzt“, erläutert die Erstautorin Annika Reintges, Doktorandin am GEOMAR. „In solchen Projekten werden Simulationen unter genau vorgegebenen Bedingungen durchgeführt, damit die Ergebnisse der einzelnen Modelle miteinander vergleichbar sind“, so Reintges weiter. Das Wissenschaftlerteam untersuchte, welcher Teil der Unsicherheit auf die verschiedenen Treibhausgasemissionsszenarien, welcher auf die natürliche Variabilität und welcher auf Unterschiede zwischen den Modellen zurückgeht.
„Dabei zeigte sich, dass insbesondere die Dichteunterschiede zwischen den Ozeanmodellen in den hohen Breiten zur großen Bandbreite der Projektionen beitragen“, erläutert Projektleiter und Ko-Autor der Studie Prof. Dr. Mojib Latif. Die Dichte hänge in hohen Breiten wiederum vom Süßwassereintrag durch Niederschläge und der Stärke der subpolaren Ozeanzirkulation ab, die letztendlich die Tiefenwasserproduktion und damit auch die Stärke der Umwälzbewegung beeinflussten, so Latif weiter. Die Golfstromzirkulation werde sich höchstwahrscheinlich abschwächen, um wieviel bleibe jedoch unsicher. Für genauere Vorhersagen seien weitere Prozessstudien notwendig, so der Kieler Klimaforscher. Das erfordere vor allem nicht nur die Beibehaltung, sondern auch den Ausbau des heutigen Ozeanbeobachtungssystems.
Quelle: GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (idw)