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Schutz für brasilianische Feuchtgebiete

Archivmeldung vom 11.09.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.09.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Brasiliens Feuchtgebiete könnten künftig besser geschützt werden. Das dortige Umweltministerium arbeitet an neuen Schutzregeln. Die Vorschläge stammen unter anderem von Forschern des MPI für Chemie. Quelle: Susanne Benner, MPI für Chemie. (idw)
Brasiliens Feuchtgebiete könnten künftig besser geschützt werden. Das dortige Umweltministerium arbeitet an neuen Schutzregeln. Die Vorschläge stammen unter anderem von Forschern des MPI für Chemie. Quelle: Susanne Benner, MPI für Chemie. (idw)

Forschungsergebnisse von Max-Planck-Wissenschaftlern schaffen die Basis für neue Umweltschutzgesetze in Brasilien. Das dortige Umweltministerium hat Vorschläge für neue Bestimmungen ausgearbeitet, um die empfindlichen Ökosysteme der ausgedehnten Feuchtgebiete in der Amazonasregion, im Pantanal und an den Küsten zu erhalten. Die beabsichtigten Schutzmaßnahmen für die ökologisch und ökonomisch sehr bedeutenden Gebiete beruhen auf der Definition und Klassifizierung aus einer Studie, an der Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz beteiligt waren.

Viele Pflanzenarten in den Feuchtgebieten Brasiliens sind an den jahreszeitlichen Wechsel der Wasserstände angepasst. Quelle: Susanne Benner, MPI für Chemie. (idw)
Viele Pflanzenarten in den Feuchtgebieten Brasiliens sind an den jahreszeitlichen Wechsel der Wasserstände angepasst. Quelle: Susanne Benner, MPI für Chemie. (idw)

Feuchtgebiete gehören zu den fragilsten Ökosystemen der Erde. In vielen Ländern werden sie durch Abholzung, Grundwasserabsenkung und den Klimawandel bedroht. „In Brasilien wird die Bedeutung von Feuchtgebieten, die etwa 20 Prozent der Landfläche ausmachen, zwar für mehr und mehr Menschen offenkundig“, sagt Florian Wittmann, der in einer Forschungsstation im brasilianischen Manaus forscht und und an der Studie zu den brasilianiischen Feuchtgebieten unter Schirmherrschaft des Brasilianischen Instituts für Feuchtgebietforschung (INAU) mitgewirkt hat: Sie dienen als Trinkwasserspeicher, schützen vor Überschwemmungen, regulieren das regionale Klima, dienen als Fischgründe, und sind durch ihren Reichtum an Tier- und Pflanzenarten als genetische Ressourcen sehr attraktiv. „Dennoch werden Jahr für Jahr viele Hektar der Ökosysteme durch Abholzung und Verschmutzung geschädigt oder gar zerstört, weil sich daraus ein kurzfristiger Profit schlagen lässt.“ Das führe dann zu extremen Trockenheiten einerseits und extremen Überschwemmungen andererseits, wie es die bevölkerungsreichen Großstädte im Süden und Südosten Brasiliens in jüngster Zeit immer wieder erlebt haben.

Um dem Schwinden der Feuchtgebiete entgegenzuwirken, stößt das brasilianische Umweltministerium derzeit neue Regelungen an, mit denen es die Feuchtgebiete des Landes schützen möchte. Die vor kurzem veröffentlichten Empfehlungen des Ministeriums sollen die Grundlage für neue Gesetze bilden. Diese Empfehlungen basieren maßgeblich auf einer wissenschaftlichen Studie, an der Florian Wittmann vom Max-Planck-Institut für Chemie mitwirkte.

Der maximale Hochwasserstand markiert die Grenze eines Feuchtgebietes

Das Forscherteam definierte zum einen, was Feuchtgebiete sind. „Bisher gibt es in Brasilien keine einheitlichen Kriterien, Feuchtgebiete als solche festzulegen. Daher gelten auch keine verbindlichen Schutzbestimmungen.“ Florian Wittmann hält in der Definition der aktuellen Studie den Passus für besonders wichtig, in dem die Grenzen von Feuchtgebieten beschrieben werden, vor allem solcher, in denen der Wasserstand wie im Amazonasgebiet regelmäßig stark schwankt. Demnach markiert dort der höchste Pegel den Rand des Ökosystems. Die vom Umweltministerium vorgeschlagenen Schutzbestimmungen sollen für entsprechend große Gebiete gelten.

Würden die Vorschläge tatsächlich in Gesetzen umgesetzt, machte die brasilianische Regierung rückgängig, was sie erst 2012 auf Druck der Agrarindustrie beschlossen hatte. Damals verlegte sie die Grenze von Feuchtgebieten vom maximalen auf den mittleren Hochwasserstand. Das klingt vielleicht nach einer Detailfrage, weicht die Schutzregeln aber massiv auf. Denn damit wurde die Grenze von Feuchtgebieten am Amazonas deutlich flusswärts verschoben, was die geschützte Fläche um bis zu 50 Prozent reduzierte. Im besten Fall würde das wieder zurück gedreht.

In ihrer Studie klassifizieren die Forscher die Ökosysteme zudem. Sie unterscheiden dabei nicht nur zwischen Feuchtgebieten an den Küsten, im Inland und künstlichen angelegten Feuchtgebieten, sondern verfeinern die Einteilung der Flächen auch anhand von geologischen, hydrochemischen, hydrographischen und botanischen Eigenschaften. So charakterisiert die Grasart Cyperus giganteus beispielsweise einige Sümpfe mit relativ stabilem Wasserstand. In den zumeist bewaldeten Weißwassergebieten des Amazonas, in denen der hohe Anteil an Schwebstoffen das nährstoffreiche Wasser hellbraun färbt, schwankt der Wasserstand dagegen um zehn Meter und mehr. „An den unterschiedlichen Eigenschaften muss sich auch der jeweilige Schutz der Gebiete orientieren“, sagt Florian Wittmann.

Die Interessen der Agrarindustrie stehen dem Schutz entgegen

Der Geograf hofft, dass die Empfehlungen zügig in eine nachhaltige Gesetzgebung umgesetzt werden. „Es ist einer der wenigen Momente, in der man die Politik beeinflussen kann“, sagt der Max-Planck-Forscher stolz. Das Bewusstsein für die ökologische und ökonomische Bedeutung der Feuchtgebiete wachse in Brasilien. „Ich bin daher zuversichtlich, dass die neuen Gesetze kommen werden“, sagt Wittmann. Wann das der Fall sein wird, lasse sich aber kaum abschätzen. Denn das Verfahren könne sich noch hinziehen, weil die Interessen der Agrarindustrie, die eine mächtige Lobby in der Politik besitzt, einer Ausweitung des Schutzes entgegenstehen.

Plantagenbesitzer und Viehzüchter sind auch mitverantwortlich, dass der Umwelt- und Naturschutz in jüngerer Vergangenheit immer wieder beschnitten wurde. Seit Jahren beobachtet Florian Wittmann, der in den Überschwemmungswäldern des Amazonas forscht, Verschlechterungen in den Feuchtgebieten. So erlaubt es die Gesetzesnovelle aus dem Jahr 2012, bisher geschützte Feuchtgebiete in landwirtschaftliche Nutzflächen umzuwandeln. Und genau das geschieht auch vielerorts. Viele Pflanzenarten seien zudem an den jahreszeitlichen Wechsel der Wasserstände angepasst. „Die zahlreichen Staudämme im Amazonasgebiet führen dazu, dass das natürliche Flutverhalten der Flüsse verändert wird“, erklärt der Forscher. „Dadurch werden für den Nährstoffhaushalt wichtige Schwebstoffe im Wasser zurückgehalten, wodurch wiederum viele Pflanzen- und Tierarten verschwinden.“

Die jetzigen Schutzbemühungen werden durch die Vereinten Nationen begünstigt, die Anfang Juni 2015 in Uruguay zur weltweiten Bestandsaufnahme von Feuchtgebieten mit internationaler Bedeutung tagte. Brasilien unterzeichnete die zugrunde liegende Ramsar-Konvention zum Schutz und der nachhaltigen Nutzung von Feuchtgebieten bereits 1993. Unter den 158 Staaten, die die Verpflichtung bisher unterschrieben haben, ist auch Deutschland.

Quelle: Max-Planck-Institut für Chemie (idw)

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