Neuigkeit vom Top-Quark
Archivmeldung vom 14.03.2009
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.03.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas Top-Quark ist der schwerste der fundamentalen Bausteine der Materie, wegen seiner kurzen Lebensdauer aber extrem schwer nachzuweisen. Dies gelang bisher nur paarweise, erstmals vor 14 Jahren am Beschleuniger Tevatron des Fermilab in den USA.
Nun ist es zwei internationalen
Wissenschaftlergruppen gleichzeitig gelungen, auch einzelne über die
schwache Wechselwirkung entstandene Top-Quarks nachzuweisen. An diesem
für die Elementarteilchen-Physik spektakulären Nachweis waren
Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie maßgeblich
beteiligt.
Quarks sind
fundamentale Bausteine der Materie, aus denen unter anderem die
Teilchen im Atomkern - Protonen und Neutronen - zusammengesetzt sind.
Als letztes der sechs bekannten Quarks wurde vor 14 Jahren das
schwerste dieser Teilchen, das Top-Quark, am Teilchenbeschleuniger
Tevatron des Fermilab bei Chicago entdeckt. Im damals nachgewiesenen
Prozess werden Top-Quarks immer in Paaren von Quarks und Antiquarks
über die so genannte starke Wechselwirkung, die Wechselwirkung der
Kernbausteine, erzeugt. Das Standardmodell der
Elementarteilchen-Physiker sagte aber aus, dass auch einzelne
Top-Quarks erzeugt werden können, dann aber über die schwache
Wechselwirkung. Das ist eine weitere fundamentale Kraft zwischen
Elementarteilchen, die nur auf sehr kurze Entfernungen wirkt. Nun ist
es zwei internationalen Forschergruppen am Fermilab gleichzeitig
gelungen, diesen Erzeugungsmechanismus von Top-Quarks experimentell zu
belegen.
Maßgeblich daran beteiligt war eine Arbeitsgruppe des Instituts für
Experimentelle Kernphysik des Karlsruher Instituts für Technologie
(KIT). Der Leiter dieser Arbeitsgruppe, Professor Dr. Thomas Müller,
war auch schon an der ersten Entdeckung des Top-Quarks beteiligt. "Seit
1995 warten wir nun auf den Nachweis für die Entstehung einzelner
Top-Quarks", so Müller. "Das ist einer der seltenen Durchbrüche in der
experimentellen Elementarteilchenphysik."
Dabei haben viele der Physiker auf Abweichungen von den theoretischen
Vorhersagen gehofft. Müller weiter: "Wir wissen, dass das so genannte
Standardmodell unvollständig sein muss. Unter extremen Bedingungen, wie
sie kurz nach dem Urknall geherrscht haben, ist es nicht mehr gültig.
Das Standardmodell ist nur der Grenzfall einer allgemeineren Theorie."
Wenn Physiker vom "Standardmodell" sprechen, meinen sie ihr Bild von
der Welt der kleinsten Teilchen und der fundamentalen Kräfte. Es
beschreibt unter anderem den Aufbau der Materie, die sich aus jeweils
sechs verschiedenen Quarks und Leptonen zusammensetzt, und der Kräfte
zwischen ihnen. Während die leichtesten dieser Teilchen unsere heutige
Materie aufbauen, sind die übrigen in den ersten milliardstel Sekunden
nach dem Urknall bereits zerfallen. Deren prinzipielle Existenz (und
damit ein besseres Verständnis von den Vorgängen des frühesten
Universums) kann nur an den leistungsfähigsten Teilchenbeschleunigern
nachgewiesen werden. Diese erzeugen aus reiner Energie nach dem
Einsteinschen Prinzip E=mc2 zum Beispiel Quarks und deren Antiteilchen,
also Antiquarks. Deren Zerfallsprodukte werden dann in haushohen
elektronischen Detektoren nachgewiesen.
Besonders interessant ist, dass die nun entdeckte Reaktion ihrerseits
einen wichtigen Untergrund für ein noch selteneres Teilchen darstellt,
nämlich das Higgs-Boson, nachdem ebenfalls fieberhaft am Fermilab
gefahndet wird. Dieses Teilchen, dessen Entdeckung noch aussteht, wird
als Urheber der Masse aller Materie angesehen. Ob allerdings die
Leistung des US-Beschleunigers auch zu dieser fundamentalen Entdeckung
reichen wird, ist sehr fraglich.
Diese Messungen und natürlich die Suche nach dem Higgs-Boson und
möglichen Signalen der mysteriösen Dunklen Materie werden künftig am
leistungsfähigeren Large Hadron Collider LHC am CERN in Genf
fortgesetzt, der nach einer unerwarteten Zwangspause im Herbst dieses
Jahres seinen Betrieb wieder aufnehmen wird. Das Institut für
Experimentelle Kernphysik des KIT ist mit einer 55-köpfigen Mannschaft
an diesem riesigen Forschungsvorhaben beteiligt.
Im Karlsruher Institut für Technologie (KIT) schließen sich das
Forschungszentrum Karlsruhe in der Helmholtz-Gemeinschaft und die
Universität Karlsruhe zusammen. Damit wird eine Einrichtung
international herausragender Forschung und Lehre in den Natur- und
Ingenieurwissenschaften aufgebaut. Im KIT arbeiten insgesamt 8000
Beschäftigte mit einem jährlichen Budget von 700 Millionen Euro. Das
KIT baut auf das Wissensdreieck Forschung - Lehre - Innovation.
Die Karlsruher Einrichtung ist ein führendes europäisches
Energieforschungszentrum und spielt in den Nanowissenschaften eine
weltweit sichtbare Rolle. KIT setzt neue Maßstäbe in der Lehre und
Nachwuchsförderung und zieht Spitzenwissenschaftler aus aller Welt an.
Zudem ist das KIT ein führender Innovationspartner für die Wirtschaft.
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft e.V.