Moderne Entwurfsverfahren als Garanten für die Qualität mikro- und nano-elektronischer Systeme
Archivmeldung vom 02.10.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie moderne Mikroelektronik kommt zunehmend in eingebetteten, autonomen und so genannten „Cyber Physical“ Systemen zum Einsatz, die unmittelbar mit Mensch und Umwelt kommunizieren. Die damit verbunden Herausforderungen an die Zuverlässigkeit sowohl im Hinblick auf Fertigungsfehler als auch Parameterschwankungen sowie Störungen während des Betriebs standen im Mittelpunkt der 4. Fachtagung „Zuverlässigkeit und Entwurf (ZuE)“, zu der die VDE/VDI-Gesellschaft Mikroelektronik, Mikro- und Feinwerktechnik (GMM) internationale Experten nach Wildbad Kreuth eingeladen hatte.
Entwurf und Test fehlertoleranter und sicherheitskritischer Schaltungen und Systeme, Robustheitsprüfungen von digitalen und analogen Systemen inklusive ihrer Verifikation, die Alterung von Systemen und neue Verfahren der Selbstreparatur gehören zu den technologischen Herausforderungen, die an die moderne Mikroelektronik gestellt werden. So ist die Sicherstellung der Zuverlässigkeit von hoher wirtschaftlicher Relevanz, deren unterschiedliche Aspekte sich von der Qualitätssicherung bis zur Produkthaftung erstrecken. Damit einher geht ein hoher Bedarf an innovativen Entwurfsverfahren, die sich durch eine hohe Fehlertoleranz auszeichnen, und darüber hinaus in der Lage sind, sowohl Fertigungsfehler und Parameterschwankungen als auch Störungen während des laufenden Betriebs zu kompensieren.
PKW-Software soll Gefahrensituationen frühzeitig entschärfen
In seinem Gastvortrag verdeutlichte Dr. Werner Wolz von der DTC Design & Test Consulting in Neunkirchen anhand der Fortschritte im Automobilbau die hohen Anforderungen, die heute an die Software gestellt werden. Tagungsleiter Prof. Dr. Sebastian Sattler von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sprach in diesem Zusammenhang von exorbitanten Sicherheitsstandards, die für ein modernes Automobil charakteristisch seien. Dabei erinnerte er daran, dass diese Systeme im Gegensatz zu vielen anderen Einsatzgebieten innerhalb von Millisekunden reagieren müssten.
„Moderne sicherheitsorientierte Systeme werden in der Lage sein, durch Brems- und Lenkeingriffe Gefahrensituationen frühzeitig zu entschärfen“, prophezeite Wolz. Für die Entwicklung von Steuergeräten seien damit Standards, Normen und Richtlinien erforderlich, die eine vom Zulieferer unabhängige Bewertung des erzielten Sicherheitsgrades von sicherheitskritischen Systemen ermöglichten.
Dr. Stefan Kriebel von der Münchener BMW AG unterstrich in seinem Vortrag die rasch zunehmende Bedeutung softwarebasierter sicherheitsrelevanter Systeme im Automobil. „Zum einen liegt dies an der stetig zunehmenden Komplexität, zum anderen an der stark zunehmenden Vernetzung“, hob er hervor. Die Beherrschung der Vernetzung komplexer Funktionen durch den OEM sei bekanntermaßen die Voraussetzung für eine agile Entwicklung stabiler sicherheitsrelevanter Systeme. Die geforderte Zuverlässigkeit dieser gewöhnlich softwarebasierten Systeme müsse aus Gründen der Wirtschaftlichkeit in der Wertschöpfungskette „Entwicklung-Produktion-Service“ bereits in einem frühzeitigen kooperativen Entwurf von Funktion, Software und Hardware berücksichtigt werden.
Intelligente Schaltungen, die sich selbständig kalibrieren
In einem viel beachteten Vortrag zeigte Professor Abhijit Chatterjee von der School of Electrical and Computer Engineering am Georgia Institute of Technology in Atlanta (USA) einen Weg auf, wie sich Schaltungen selber bestimmen können. „Gegenwärtig werden Schaltkreise dafür entworfen, Worst-Case-Situationen zu tolerieren“, verdeutlichte er. Darüber hinaus müssten Schaltungen aber auch in der Lage sein, unter den Bedingungen des Worst-Case ein Optimum an Leistung zu erfüllen. Zur Lösung dieses Problems müssten Schaltungen entworfen werden, die sich in Abhängigkeit von den jeweiligen Umweltbedingungen selbsttätig kalibrieren und ein Maximum an Zuverlässigkeit erfüllten. Diese Selbsterkennung erfordere den Einbau von Tests sowie Diagnose-Tools und Adaptions-Mechanismen in die Schaltkreise und Systeme.
Simulation von Alterungseffekten
Über die Zuverlässigkeit als Schlüssel für ein modernes Produktdesign referierte Christian Schlünder von der Infineon Technologies AG in München. „Vor dem Hintergrund geringer werdender Strukturabmessungen werden Fragen der Zuverlässigkeit von Einzeltransistoren innerhalb des Entwurfsflusses von integrierten Schaltungen immer wichtiger“, verdeutlichte Schlünder. So sei zum Beispiel die Hot Carrier Injection (HCI) ein Effekt, der die Zuverlässigkeit von CMOS-Transistoren negativ beeinflusse. Ähnliches gelte für den NBTI-Effekt (negative bias temperature instability) – einer Einsatzspannungsdrift der Transistoren durch Alterung, die sich in einer sinkenden Schaltungs-Leistung auswirke. Auf der Basis einer detaillierten Analyse beider Effekte wurden bei Infineon geeignete Software Tools entwickelt, die beispielsweise durch Simulation von Alterungseffekten bereits während des Entwurfs die Voraussetzung für eine hohe Zuverlässigkeit über die geforderte Lebensdauer der Produkte sicherstellen.
Tagungsleiter Prof. Sattler zog hinsichtlich der vorgestellten Themen über die 4. Fachtagung „Zuverlässigkeit und Entwurf (ZuE)“ eine durchweg positive Bilanz. „Die ZuE hat sich auf dem Feld der Fachtagungen etablieren können“, versicherte er. Ein herausragendes Merkmal sei die enge Verzahnung von Hochschulforschern und eingeladenen Experten aus der Industrie. Sattler: „Mit dieser Strategie sind wir auf dem richtigen Weg.“
Quelle: Rolf Froböse