Der Mensch als "Regenmacher"
Archivmeldung vom 26.04.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittHochwasser, Jahrhundertflut und Schneechaos - es tropft, regnet und schneit scheinbar immer mehr. Tatsächlich haben die Niederschlagsmengen in den letzten hundert Jahren in vielen Regionen der Erde zugenommen. Dies berichten Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich zusammen mit ihren Kollegen aus der Schweiz, Bonn und Potsdam in der aktuellen Ausgabe von "Nature".
Sie gehen davon aus, dass der Mensch großen Anteil an dieser Entwicklung hat, da die Niederschlagsmengen erst mit dem Beginn der Industrialisierung und der globalen Erwärmung deutlich ansteigen.
Die Jahresringe von Bäumen sind das Klimaarchiv, an denen die Forscher diese
langfristige Entwicklung abgelesen haben. Aus den Stämmen teilweise uralter
Wacholderbäume im Karakorumgebirge in Nordpakistan haben sie dazu Bleistiftdicke
Bohrkerne gezogen und aus dem Holz jedes Jahresrings die Zellulose isoliert.
"Das Verhältnis zweier verschieden schwerer Sorten von Sauerstoffatomen in der
Zellulose gab uns Auskunft über die Niederschlagsmenge in dem jeweiligen Jahr",
erklärt Professor Gerhard Schleser vom Institut für Chemie und Dynamik der
Geosphäre am Forschungszentrum Jülich. Dr. Kerstin Treydte von der
Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in der
Schweiz gelang es als damalige Doktorandin am Forschungszentrum Jülich die
Sauerstoffisotope in den bis 828 n. Chr. zurück reichenden Jahresringen zu
messen. "Für das Karakorum haben wir so in Jülich erstmals nahezu 1200 Jahre
Klimageschichte rekonstruiert - und in den vergangenen hundert Jahren einen
signifikanten Anstieg der Niederschlagsmenge beobachtet", berichtet
Treydte.
Um dieses Ergebnis global einzuordnen, hat das Forscherteam des
WSL es mit Niederschlagsrekonstruktionen aus anderen Regionen der Erde
verglichen, unter anderem mit Daten aus Süddeutschland. Dabei unterscheiden sich
die Schwankungen der Niederschläge von Jahr zu Jahr sehr stark, bei einem
Vergleich über mehrere hundert Jahre zeigen sie aber unterm Strich ebenfalls
einen Anstieg der Niederschlagsmenge im 20. Jahrhundert. Wie sich dieser Anstieg
regional verteilt, wo genau es mehr oder auch weniger geregnet hat und wie
häufig und heftig, ist derzeit noch unklar. Es ist weitaus komplizierter,
langfristige Veränderungen der räumlichen Niederschlagsverteilung zu erfassen,
als die Temperaturverteilung auf der Erde zu bestimmen. "Dazu müssen wir die
Daten von zahlreichen Standorten auswerten können", sagt Schleser. "Das ist vor
allem wichtig, wenn man berücksichtigt, welchen Einfluss Niederschläge auf die
Menschheit und die verschiedenen Ökosysteme, vor allem in Trockengebieten der
Erde, haben."
Deshalb arbeiten die Jülicher Forscher federführend
zusammen mit Forschern aus zwölf anderen europäischen Ländern an einem
engmaschigeren Temperatur- und Niederschlagsarchiv für Europa. Dazu bauen sie im
EU-Projekt ISONET ein Standortnetzwerk für die vergangenen 400 Jahre auf, an dem
Kerstin Treydte mit ihren Kollegen aus der WSL ebenfalls intensiv mitarbeitet.
Fernziel ist es, aus den Rekonstruktionen der Klimadaten Modelle zu entwickeln,
mit denen sich unter anderem lang anhaltende Dürren oder in ferner Zukunft
möglichst auch "Jahrhunderthochwasser" vorhersagen lassen.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.