Das Geheimnis des Zuckerwassers
Archivmeldung vom 11.08.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEine ganz neue Rolle schreiben Chemiker der Ruhr-Universität Bochum dem Wasser zu: Es ist kein "passiver Zuschauer" biologischer Prozesse, sondern ein "aktiver Mitspieler". Mit Hilfe der noch jungen Terahertz-Technologie ist es Forschern um Prof. Dr. Martina Havenith erstmals gelungen, einen genaueren Einblick in die blitzschnelle Reaktion von Wasser und Zucker zu bekommen.
Die Erkenntnisse sind ein entscheidender Schritt, um das uralte Rätsel zu lösen,
wie Zellen den Zucker als Schutzmechanismus verwenden, damit sie zum Beispiel
nicht erfrieren. Über ihre Ergebnisse berichten die Bochumer Forscher in der
aktuellen Ausgabe von PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of
the United States of America).
Beitrag im Netz
Der vollständige
Beitrag aus PNAS ist im Internet abrufbar unter
http://www.pnas.org/cgi/content/abstract/0604897103v1
Das
Rätsel
Bekannt ist, dass Proteine und Membrane von Zellen bei extremen
Bedingungen, z. B. Kälte, länger intakt bleiben, wenn man Zucker in Wasser löst.
"Woran das genau liegt, darüber gab es bis heute nur Spekulationen", sagt Prof.
Havenith. Die bisher verwendeten Untersuchungsmethoden reichten nicht aus, um
die Veränderungen sichtbar zu machen: "Da das veränderte Wasser am Zucker mit
dem Umgebungswasser im ständigen Austausch ist, sieht man ähnlich wie bei einer
Fotografie von einer sich bewegenden Menge nur dann Einzelheiten, wenn man die
Aufnahmen kurz belichtet, also eine sehr schnelle Messmethode anwendet", so
Havenith.
Die Lösung
Die Lösung fanden die Bochumer Chemiker und
ihr Kooperationspartner, der amerikanische Chemiker Prof. David Leitner, in Form
der hochmodernen Terahertz-Strahlung: Sie ergibt neue Informationen über
abgebildete Objekte im Spektralbereich zwischen sichtbarem Licht und
Radarfrequenzen. "Damit können wir erstmals den Bereich zwischen Mikrowellen und
Infrarot-Strahlung erschließen", so Havenith. Voraussetzung für den Erfolg der
Bochumer Forscher war jedoch, dass sie einen neuen, besonders leistungsstarken
Laser in diesem technologisch "schwierigen Frequenzbereich" einsetzen
konnten.
Das Ergebnis
Mit Hilfe der so genannten
Terahertz-Absorptionsspektroskopie war es möglich, die Veränderung des
Umgebungswassers in einer Zuckerlösung mit Laktose (Milchzucker) sichtbar zu
machen. Das Ergebnis: Ein einziges Zuckermolekül reicht aus, um 123 umliegende
Wassermoleküle in ihrer Bewegung entscheidend zu verlangsamen. "Hier gibt es
eine unmittelbare und direkte Wechselwirkung. Das Wasser kann sich mit
Wasserstoffbrücken an den Zucker binden. Es entsteht eine anziehende Kraft, so
dass die Wassermoleküle sich nicht mehr beliebig in jede Richtung bewegen
können", erklärt Martina Havenith.
Die These
"Unsere Ergebnisse
unterfüttern eine These, die immer noch kontrovers diskutiert wird: Wasser ist
demnach kein passiver Zuschauer, sonder aktiver Mitspieler bei der
Proteinfaltung und Regelung von Zellfunktionen", so Prof. Havenith. "Setzt man
die Beweglichkeit des Wassers herunter, so führt dass zu einer Verlangsamung
aller Prozesse, was die größere Stabilität von Proteinen in Zuckerwasser
erklären würde." Die Professorin vergleicht diese "Idee" mit einem Fußballspiel:
"Die Wassermoleküle sind wie Fußballspieler, die von außen gegen den Ball treten
und dadurch gewisse Prozesse in Gang setzen. Und wenn sie langsamer treten,
könnten auch die Prozesse verlangsamt sein."
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.