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Hummelgenom entschlüsselt

Archivmeldung vom 28.04.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.04.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Das Genom der europäischen Erdhummel Bombus terrestris wurde vollständig entschlüsselt. Es enthält ein nur relativ kleines Repertoire an Immungenen. Quelle: Dave Young, flickr.com, Creative Commons, Namensnennung (CC BY 2.0) (idw)
Das Genom der europäischen Erdhummel Bombus terrestris wurde vollständig entschlüsselt. Es enthält ein nur relativ kleines Repertoire an Immungenen. Quelle: Dave Young, flickr.com, Creative Commons, Namensnennung (CC BY 2.0) (idw)

Eine Kollaboration von Forschenden unter ETH-Federführung hat das Genom von zwei kommerziell bedeutenden Hummelarten aufgeklärt. Die Resultate bieten unerwartete Einblicke in Ökologie und Evolution der Hummeln und auch der Honigbiene.

Hummeln gelten als friedfertig und fleissig. Nicht zuletzt seit es weltweit mit der Honigbiene bergab geht, ist der kommerzielle Wert dieser Insekten gestiegen. So werden sie heute im grossen Stil gezüchtet und als Bestäuberinnen von Nutz- und Kulturpflanzen eingesetzt. Doch auch um die putzigen Brummer, von denen es weltweit 250 verschiedene Arten gibt, steht es mancherorts schlecht. Der grosse Schatten, den das Bienensterben warf, verdeckte die Tatsache, dass in den USA und auch anderswo einige häufige Hummelarten in den vergangenen Jahren ebenfalls selten geworden sind oder aus ganzen Landstrichen komplett verschwanden.

Nicht zuletzt deshalb initiierten die beiden ehemaligen ETH-Forscher Seth Barribeau und Ben Sadd, zusammen mit Professor Paul Schmid-Hempel aus der Gruppe für Experimentelle Ökologie vor acht Jahren ein Hummel-Genom-Projekt. Es hatte zum Ziel, das Erbgut von zwei kommerziell bedeutenden Hummelarten, der europäischen Erdhummel, Bombus terrestris, und der amerikanischen Bombus impatiens, zu entschlüsseln. Die Genomdaten, so hofften die Forschenden, sollten Aufschluss geben über Biologie, Ökologie und Evolution der Hummeln.

Immungene analysiert

Ein besonderes Augenmerk richteten Barribeau, Sadd und 80 weitere Forschende aus der ganzen Welt auf die Gene, die zum Immunsystem gehören. An der Arbeit beteiligten sich Evolutionsbiologen, Ökologinnen, Bioinformatiker und Genetikerinnen. Zudem verglichen die Forschenden bereits entschlüsselte Genome anderer Insekten, wie der Honigbiene, einer Erzwespe und der Essigfliege Drosophila melanogaster, mit denen der beiden Hummeln. Die Resultate ihrer Studien veröffentlichten die Wissenschaftler soeben in der Fachzeitschrift «Genome Biology».

Die Genome der beiden Hummeln gleichen einander stark und enthalten rund 20‘000 verschiedene Gene auf 18 Chromosomen. Davon entfällt nur ein geringer Anteil auf Gene, die in die Immunantwort involviert sind, wie die Wissenschaftler herausfanden: Das Genrepertoire für das Immunsystem umfasst bei beiden Hummelarten nur rund 150 Gene. Das sind verglichen mit Fliegen oder Mücken ziemlich wenige: Drosophila hat doppelt so viele. Allerdings haben auch die Honigbiene und die Erzwespe Nasonia nur ein kleines Immun-Gen-Repertoire.

Sozialorganisation spielt k(l)eine Rolle

Weshalb die sozial verhältnismässig schwach organisierten Hummeln ebenso wenige Immun-Gene haben wie die Honigbienen mit ihrer hohen sozialen Organisation, ist für Paul Schmid-Hempel rätselhaft. Bisher sei die Forschung davon ausgegangen, dass sich Insekten mit hoher sozialer Organisation ein schwächeres Immunsystem leisten können, sagt er. Umgekehrt würde ein simples Sozialsystem stärkere körpereigene Abwehr erfordern. Die bisherige Theorie nahm also an, dass hochsoziale Insekten andere Möglichkeiten zur Abwehr von Keimen haben als die Immunabwehr, etwa die gegenseitige Körperpflege bei Bienen.

Schmid-Hempel kann sich vorstellen, dass dieses schwache Immunsystem der Bienen und Hummeln mit ihrer Nahrung zusammenhängen könnte: Während Fliegen wie die Essigfliege Drosophila melanogaster Nahrung auf mit Bakterien und Pilzen verunreinigten Oberflächen wie verfaulten Früchten aufnehmen, können Bienen diesbezüglich saubere Nahrungsquellen, die Blüten von Pflanzen, anfliegen. Das dürfte das Infektionsrisiko und damit den Selektionsdruck für ein gut ausgebautes Immunsystem beträchtlich senken.

Doch nicht nur das schwache Immunsystem dürfte Hummeln (und Honigbienen) in der heutigen Zeit das Leben schwer machen: Die Forscher konnten auch nur wenige Gene identifizieren, die die Entgiftung des Körpers regeln. Dies könnte laut Schmid-Hempel dafür sprechen, dass diese Insekten auf Umweltgifte wie Pestizide aus der Landwirtschaft sensibel reagieren.

Genunterschiede machen Ökologie sichtbar

Die Genomanalysen zeigen aber auch deutliche Unterschiede zwischen Bienen und Hummeln. So haben Hummeln mehr Gene, die der Geschmacksbildung dienen, Bienen mehr solche, die zum Geruchssinn beitragen.

Dies macht Sinn: Hummeln vertrauen bei der Nahrungssuche auf ihren Geschmack, testen quasi jede Blüte, die sie anfliegen, mit ihrer Zunge. Honigbienen vertrauen hingegen auf ihren Geruchssinn, um die richtige Nahrung zu finden. Auch beim Schwänzeltanz, mit dem eine Biene ihren Artgenossinnen gute Nahrungsquellen mitteilt, spielt der Geruchssinn die tragende Rolle. «In den Genen lässt sich dieser fundamentale Unterschied in der Lebensweise der beiden Organismen deutlich erkennen», so Schmid-Hempel.

Keine «Sozialgene»

Zu ihrer Überraschung konnten die Forscher der sozialen Organisation und dem Sozialverhalten vergleichsweise wenige spezifischen Gene zuordnen. «Die Gene dafür sind bei Hummeln und Bienen nicht sehr verschieden», so Schmid-Hempel. Dafür entdeckten die Wissenschaftler bei diesen Insekten komplett verschiedene Sätze von sogenannten Mikro-RNAs, also winzigen Schnipseln von Ribonukleinsäuren. Diese miRNAs regulieren Gene, indem sie Gen-Abschriften, die in den Zellen als Bauplan von Proteinen dienen, blockieren. Erst diese Art der Gen-Regulation macht aus einem «normalen» wenig sozialen Insekt wie der Hummel ein hochsoziales Wesen wie die Honigbiene.

Quelle: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich) (idw)

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