Wie Hyperonen den Aufbau von Neutronensternen erklären könnten
Archivmeldung vom 30.09.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittGleichzeitig in der Welt der kleinsten Teilchen und in den Weiten des Universums: Hier ist das Zuhause der Kernphysiker, die sich mit dem Aufbau unserer Materie beschäftigen, um dadurch auch die Phänomene des Weltalls zu erkären.
Eine der brennendsten Fragen der Astrophysik etwa betrifft die Zusammensetzung von Neutronensternen. Neutronensterne entstehen, wenn ein Stern mit zumindest der 1,5-fachen Masse der Sonne explodiert und sich danach zusammenzieht bis er nur noch einen Durchmesser von 10 bis 30 Kilometern hat. Die Masse bleibt dabei die gleiche. "Neutronensterne haben eine unglaublich hohe
Dichte, zehn Mal so groß wie in einem normalen Atomkern", erklärt Univ.-Prof.
Dr. Josef Pochodzalla vom Institut für Kernphysik der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz. "Damit wir dieses Phänomen verstehen, müssen wir
mehr über die Wechselwirkung zwischen Hyperonen und den normalen Bauteilchen der
Atomkerne wissen." Erkenntnisse darüber erwarten sich die Mainzer Kernphysiker
von der Inbetriebnahme der vierten Stufe des Elektronenbeschleunigers MAMI. Bei
einer internationalen Konferenz vom 10. bis 14. Oktober werden sich rund 160
Wissenschaftler mit der Physik von Hyperkernen und Strangeteilchen in Mainz
beschäftigen.
Hyperonen kommen in unserer normalen Materie nicht vor.
Sie können im Elektronenbeschleuniger erzeugt werden, indem ein Elektron mit
ausreichend hoher Energie auf ein Proton geschossen wird, so dass aus dem Proton
zwei neue Teilchen entstehen: ein Kaon und ein Hyperon, die beide ein
Strange-Quarkteilchen enthalten. Das ursprüngliche Elektron und das Kaon fliegen
anschließend aus dem Atomkern raus und lassen das Hyperon zurück. Das Kaon dient
den Physikern als Nachweis, dass dieses extrem seltene
"Strangeness-Produktionsereignis" stattgefunden hat. "Das Ziel ist es, ein
möglichst niederenergetisches Hyperon zu erzeugen, so dass es im Atomkern
eingebaut wird", erläutert Pochodzalla. "So können wir Details über die
Kernstruktur lernen und dadurch vielleicht auch dem Geheimnis der
Neutronensterne auf die Spur kommen."
Hyperkerne - das sind Atomkerne,
die nicht nur die üblichen Protonen und Neutronen, sondern zusätzlich auch
Hyperonen enthalten - bieten eine einzigartige Chance, um die Wechselwirkungen
zwischen Hyperonen einerseits und Protonen und Neutronen andererseits zu
untersuchen. Diese Informationen wiederum gelten als unerlässlich, um den
inneren Kern von Neutronensternen zu verstehen. Über die Zusammensetzung dieser
Materie gehen die Vermutungen weit auseinander: Sie könnte aus
zusammengepressten, gewöhnlichen Neutronen bestehen, aus Hyperonen oder aber aus
freien Quarks, so die Spekulationen.
Das Studium von Hyperkernen würde
jedoch auch andere Rätsel lösen helfen. Es handelt sich hier um sehr kurzlebige
Teilchen, die eine Lebensdauer von nur einer Milliardstel Sekunde haben. Wenn
die Physiker den Zerfall untersuchen könnten, würden sie mehr über die schwache
Wechselwirkung erfahren, eine der vier Grundkräfte in der Physik, und über die
ersten Augenblicke bei der Entstehung unseres Universums.
Für die
Experimente auf dem Gebiet der Hyperkernphysik wird in Mainz derzeit der
Elektronenbeschleuniger, das Mainzer Mikrotron MAMI, mit einer vierten Stufe
ausgebaut. Erste Tests zur Beschleunigung in MAMI-C sollen noch in diesem Jahr
laufen. Mit dem Ausbau wird der Elektronenstrahl, der auf Protonen oder
Neutronen zielt, von der bisherigen Energie von maximal 850 auf 1.500
Megaelektronenvolt (MeV) erhöht. Um das Kaon, das mit der Bildung des Hyperons
einhergeht, dann zu entdecken, wird derzeit die bestehende Anlage aus drei
magnetischen Spektrometern um ein neues Spektrometer namens Kaos ergänzt.
Ist es schon schwierig genug, ein Hyperon in den Atomkern
einzuschließen, so ist es bisher fast unmöglich, einen Doppelhyperkern mit zwei
Hyperonen zu schaffen. Bislang ist dies weltweit erst drei Mal gesichert
gelungen. "Hier möchten wir in Zukunft zusammen mit der GSI in Darmstadt eine
Massenproduktion aufbauen, sobald der Darmstädter Antiprotonenspeicherring
fertig ist", kündigt Pochodzalla an. Falls Neutronensterne auch aus Hyperonen
bestehen, wären Doppelhyperkerne der einzige Weg, um präzise Information über
die Wechselwirkung zwischen zwei Hyperonen zu erhalten.
Mainz und künftig
auch die GSI in Darmstadt gehören zu den weltweit bedeutenden Zentren der
Hyperkernphysik neben dem Jefferson Lab in Virginia/USA, dem
Hochenergiebeschleuniger KEK in Japan, FINUDA in Frascati/Italien und den
Anlagen in Dubna/Russland. Mit den jüngsten Entwicklungen in diesen
Einrichtungen und neuen Ergebnissen in der Hyperkern- und Strangeteilchenphysik
wird sich die bevorstehende Konferenz "HYP2006" in Mainz befassen. Die IX
International Conference on Hypernuclear und Strange Particle Physics findet in
den Räumen des Instituts für Sportwissenschaft, Campus der Universität statt.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.