Atom oder Molekül? Beides!
Archivmeldung vom 21.07.2007
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Freigeschaltet durch Jens BrehlIn dem hier beschriebenen Experiment wird zunächst eine Wolke von Rubidiumatomen in einer optische Falle eingefangen und auf wenige Milliardstel Grad über dem absoluten Nullpunkt abgekühlt. Hier bilden die Atome ein so genanntes Bose-Einstein-Kondensat, einen Zustand, indem alle (etwa 60 000) Teilchen identisch werden und sich praktisch nicht mehr bewegen.
Mit Hilfe eines "optischen Gitters" werden die Atome dann in einer
regelmäßigen Struktur angeordnet. Dazu wird durch Einschalten von
stehenden Lichtwellen aus drei verschiedenen Raumrichtungen ein
Laserlichtfeld erzeugt, dessen Form an einen Stapel von Eierkartons
erinnert. Die Vertiefungen in diesem winzigen Kristallgitter aus Licht
entsprechen energetisch besonders günstigen Zuständen, in denen sich
die Rubidiumatome daher niederlassen.
Der Gitterabstand zwischen den Atomen ist durch die Lichtwellenlänge bestimmt. Er beträgt hier einige hundert Nano (Milliardstel)-Meter und ist damit etwa 1000mal größer als in einem Festkörperkristall. Daher stellt diese Struktur aus Licht und Atomen auch ein ideales System dar, um komplexe Probleme der Festkörperphysik zu modellieren. Die Tiefe der Mulde hängt von der Laserleistung ab und ist hier so gewählt, dass die Atome darin gefangen sind. Dieser hochgradig geordnete Zustand wird Mott-Isolator genannt. Über die Gesamtzahl der Atome im optischen Gitter können die Physiker die Zahl der Atome pro Gitterplatz so steuern, dass sich im mittleren Bereich des Kristalls genau zwei Atome pro Mulde befinden.
Damit
sind die wesentlichen experimentellen Voraussetzungen geschaffen, um
gezielt Übergänge in den molekularen Zustand anzuregen und anschließend
präzise zu vermessen. Zum einen sind die Atome von ihren Nachbarn
isoliert und sehen nur den Partner an ihrem jeweiligen Gitterplatz.
Durch die Beschränkung auf einen winzigen Bereich stehen dem Pärchen
nur wenige diskrete Quantenzustände zur Verfügung, die es als Molekül
einnehmen kann. Zum andern sind auch die resultierenden sehr fragilen
Moleküle voneinander getrennt und können daher nicht durch zufällige
Stöße verloren gehen.
Um die Atome dazu zu bewegen, mit ihrem
Partner eine feste Bindung einzugehen, wird abrupt ein Magnetfeld
eingeschaltet. Aufgrund der Wechselwirkung des Magnetfeldes mit den
magnetischen Momenten der Atome wird die Wahrscheinlichkeit für eine
molekulare Bindung bei einem bestimmten Wert für das Magnetfeld genauso
groß wie für den atomaren Zustand. Bei dieser so genannten
"Feshbach-Resonanz" beginnen die Atome daher, zwischen Single-Dasein
und fester Partnerschaft hin- und her zu schwingen. Entsprechend
schwankt im Laufe eines Schwingungszyklus die Menge von Atomen bzw.
Molekülen im optischen Gitter.
Indem die Zahl der Atome für unterschiedliche Haltezeiten des Magnetfeldes ermittelt wurde, ließen sich die Rabi-Oszillationen über 29 Zyklen nachvollziehen. "Das Wichtigste an diesem Ergebnis ist, dass die Rubidiumpaare während eines Schwingungszyklus einen Zustand durchlaufen, in dem sie sowohl Atom als auch Molekül sind", erläutert Niels Syassen, der die Messung zusammen mit seinen Kollegen im Rahmen seiner Doktorarbeit durchgeführt hat. "Ein solcher kohärenter Überlagerungszustand wurde bisher noch nicht in dieser Reinform beobachtet", betont Prof. Gerhard Rempe. "Damit verfügen wir über neue Möglichkeiten, Quantenregister zu realisieren, in denen verschiedene Informationen auf einem Quantenbit gespeichert werden könnten."
In einem weiteren Experiment nutzen die Wissenschaftler die Rabi-Oszillationen, um zunächst zweiatomige Moleküle im optischen Gitter zu erzeugen. Dann fahren sie das Magnetfeld auf Werte, bei denen die Atome eigentlich lieber single als gebunden wären. Dennoch geht die Partnerschaft nicht immer auseinander. Denn die Moleküle können nur bei bestimmten, diskreten Magnetfeldwerten zerfallen. In den Zwischenbereichen existieren keine Zustände, die die Endprodukte, die Atome, nach den Regeln der Quantenmechanik besetzen dürfen. Solche Messungen zeigen, dass man mit optischen Gittern gezielt Strukturen schneidern kann, die es erlauben, mit instabilen Molekülen so zu hantieren als wären sie stabil.
Die Forscher planen auch, solche Atom-Molekül-Oszillationen mit noch größerer Präzision zu bestimmen und damit Aussagen über atomare Eigenschaften zu erhalten, die wiederum Schlüsse auf möglicherweise extrem geringe Änderungen der Naturkonstanten zulassen.
Quelle: Pressemitteilung Max-Planck-Institut für Quantenoptik