Ein Pendel für die ganze Welt
Archivmeldung vom 03.03.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr schwingt es hin und her und verdeutlicht dabei die Drehung der Erde - das Foucault'sche Pendel im Kirchhoff-Institut für Physik der Heidelberger Ruprecht-Karls-Universität. Das Besondere daran: Die ganze Welt, zumindest die mit einem Internetanschluss, kann zuschauen.
Denn über eine Webcam wird die Pendelbewegung aufgenommen und ist, einen
schnellen Internetanschluss vorausgesetzt, in Echtzeit am heimischen Bildschirm
zu verfolgen. Das führte dieser Tage auch dazu, dass die das Foucault'sche
Pendel aufnehmende Webcam:
http://www.kip.uni-heidelberg.de/OeffWiss/Pendel-Internetauftritt/index.html
zu
einer der zehn besten der Welt gekürt wurde und zwar von "EarthCam", einem der
führenden Anbieter von Webcam-Software und -Technik, der mehrmals im Jahr diese
Auszeichnung vergibt (http://www.earthcam.com/topten.php).
Die
Juroren von "Earthcam" rieten die Website des Foucault'schen Pendels alle paar
Stunden zu besuchen und nachzudenken. Denn es ist vor allem die ständige
Aktivität des Pendels, die einen besonderen Reiz ausübt. Es schwingt nämlich
nicht nur einfach hin und her, sondern wirft dabei auch noch kleine, in einem
Kreis rund um das Pendel aufgestellte Metallstifte um. Damit wird verdeutlicht,
dass sich die Schwingungsebene des Pendels entsprechend der Erddrehung
verändert. So werden etwa alle 40 Minuten zwei der 48 kleinen Stifte umgekippt.
Damit aber nicht irgendwann die Stifte darniederliegen und ein
Institutsmitarbeiter sie wieder aufstellen muss, werden sie alle zwölf Stunden
durch einen elastischen Faden automatisch aufgerichtet.
Die Theorie und
deren praktische Umsetzung, die hinter dem Foucault'schen Pendel steckt, gehen
auf das Jahr 1851 zurück. Damals baute der französische Physiker Jean Bernard
Léon Foucault ein 67 Meter langes Pendel mit einem 28 Kilogramm schweren
Pendelkörper, an dessen unteren Ende sich eine Spitze befand, die mit jeder
Schwingung eine Spur in einem Sandbett markierte. Dabei zeigte sich bald, dass
sich die Schwingungsebene des Pendels scheinbar veränderte, denn im Sand
entstand eine Art Rosette. Da die Lage der Schwingungsebene des Foucault'schen
Pendels aber fest stand, musste sich die Erde unter dem Pendel bewegen und damit
war der Nachweis der Erdrotation gelungen.
Entsprechend des Breitengrades
an dem das Pendel schwingt, wirkt sich die Erdrotation scheinbar auf die
Schwingungsebene des Pendels aus. "Bei einem direkt über dem Nord- oder Südpol
aufgehängten Pendel würde sich die Erde in 24 Stunden unter dem Pendel um 360
Grad drehen", erläutert Dr. Robert Weis, der unter anderem für die Webcam
zuständige Mitarbeiter am Heidelberger Kirchhoff-Institut. Am Äquator dagegen
würde die Aufhängung des Pendels mit um die Erdachse herumwandern, was den
Effekt der Erdrotation aufheben würde. Entsprechend der Lage Heidelbergs,
zwischen dem 49. und 50. Grad nördlicher Breite, dreht sich die Schwingungsebene
des Pendels scheinbar um etwa 270 Grad.
Erbaut wurde das beinahe zwölf
Meter lange Foucault'sche Pendel vor fast vier Jahren durch Ekkehard Müller als
Zulassungsarbeit für das Staatsexamen in Zusammenarbeit mit vielen Werkstätten
auf dem Campus "Im Neuenheimer Feld". Damit das Pendel nicht irgendwann durch
den Luftwiderstand etwa zur Ruhe kommt, hat es zusätzlich noch eine Art Antrieb.
Dieser besteht aus einem Magneten, der eingeschaltet wird, bevor die fast 69
Kilogramm schwere Metallkugel des Pendels den Mittelpunkt der Bodenplatte auf
der sich die Metallstifte befinden erreicht. Somit wird das Pendel bei jedem
Durchgang etwas beschleunigt, genau so viel, damit es nicht zur Ruhe kommt, aber
auch nicht zu stark ausschlägt.
Das Foucault'sche Pendel ist übrigens
nicht das einzige Pendel im Kirchhoff-Institut für Physik. Gleich gegenüber
hängt ein so genanntes chaotisches Pendel, das aus drei Armen besteht, die
teilweise wild umeinander kreisen. Auch dieses Pendel möchte Robert Weis gerne
über eine Webcam ins Internet stellen, doch bisher ist die Technik noch nicht in
der Lage derart schnelle Bewegungen wie sie das chaotische Pendel ausführt
ruckelfrei im Internet zu übertragen. In absehbarer Zukunft wird jedoch auch
diese Technik zu Verfügung stehen und dann gibt es mit dem chaotischen Pendel
einen weiteren Kandidaten für die Top Ten der Webcams.
Stefan Zeeh
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.