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Eine Festung aus Eis und Schnee

Archivmeldung vom 04.10.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.10.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
FS Polarstern und Akademik Fedorov
Quelle: Foto: Alfred-Wegener-Institut / Esther Horvath, CC-BY 4.0 (idw)
FS Polarstern und Akademik Fedorov Quelle: Foto: Alfred-Wegener-Institut / Esther Horvath, CC-BY 4.0 (idw)

Nach nur wenigen Tagen haben Wissenschaftler der MOSAiC-Expedition eine Eisscholle gefunden, auf der sie das Forschungscamp für die einjährige Drift durch das Nordpolarmeer aufbauen wollen. Damit ist einer der wichtigsten Meilensteine der Expedition bereits vor dem geplanten Termin und vor Einbruch der Polarnacht erreicht. Die Suche mit Hilfe von Satelliten, zwei Eisbrechern, Helikopterflügen und Erkundungsmissionen auf dem Eis war dennoch eine enorme Herausforderung – unter anderem weil es nach dem warmen Sommer kaum ausreichend dicke Schollen in der Ausgangsregion der Expedition gibt.

Es ist entschieden: Das MOSAiC-Team hat die Scholle festgelegt, die Ausgangspunkt für die einjährige Eisdrift mit dem deutschen Forschungseisbrecher Polarstern vorbei am Nordpol sein wird. Vorausgegangen ist eine intensive Suche per Satellitenbildern und Helikopter-Überflügen im Zielgebiet in der zentralen Arktis, die durch den vom Arktischen und Antarktischen Forschungsinstitut Russlands (AARI) betriebenen Eisbrecher Akademik Fedorov unterstützt wurde. Die beteiligten Wissenschaftler hatten 16 Schollen genauer untersucht, deren Satellitenaufnahmen vermuten ließen, sie wären groß genug für das Forschungscamp. Während einer Zusammenkunft auf der Polarstern werteten sie schließlich die Ergebnisse aus und einigten sich darauf, die Eisdrift auf einer etwa 2,5 mal 3,5 Kilometer messenden Scholle bei 85 Grad Nord und 137 Grad Ost vorzubereiten. Die Scholle, an der sich die Polarstern nun festfrieren lässt, driftet derzeit bis zu 10 Kilometer pro Tag in unterschiedliche Richtungen.

„Nach einer kurzen aber intensiven Suche haben wir unser Zuhause für die nächsten Monate gefunden. Es ist eine Eisscholle mit einem ungewöhnlich stabilen Bereich, der uns das Vertrauen gibt, eine gute Basis und Ausgangspunkt für ein komplexes Forschungscamp zu sein. Gleichzeitig ist diese Scholle in ihren anderen Bereichen typisch für die neue Arktis, die von dünnen instabileren Schollen gekennzeichnet ist. Gerade deshalb ist sie für unsere wissenschaftlichen Projekte sehr gut geeignet. Nach genauer Abwägung aller Daten auch von unseren russischen Partnern haben wir uns entschieden: Es ist nicht die perfekte aber die beste Scholle in diesem Bereich der Arktis und sie bietet bessere Bedingungen als wir nach einem warmen arktischen Sommer erwarten konnten“, sagt der MOSAiC-Expeditionsleiter Markus Rex vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). „Ob sie die Stabilität besitzt, die jetzt heraufziehenden Herbststürme zu überstehen, wird sich zeigen. Wir sind auf alle Szenarien vorbereitet“, ergänzt Rex.

Bereits am 28. September setzten erste Wissenschaftler von der Polarstern auf diese Scholle über, die schon länger aufgrund von Satellitendatenanalysen als ein Favorit galt. Auf den Radarbildern der Satelliten sticht die dunkle, leicht eiförmige Scholle durch einen ausgedehnten hellen Bereich im nördlichen Teil hervor. Damit unterscheidet sie sich erheblich von allen anderen untersuchten Schollen, die auf den Radarbildern fast ausschließlich eine dunkle Struktur haben. Inzwischen haben die Wissenschaftler diesen ausgedehnten Teil der Scholle „Die Festung“ getauft, denn es ist ein stark verpresster, mehrere Meter dicker Bereich, von dem sie sich eine höhere Stabilität und eine sichere Basis für den Aufbau des letztlich weit darüber hinaus reichenden Eiscamps erhoffen. Die dunklen Bereiche sind dagegen mit ihren vielen überfrorenen Schmelztümpeln und dünnem, porösen und wenig stabilen Eis typisch für die Eisbedingungen der neuen Arktis. Die Eisdicke liegt hier bei 30 Zentimetern im Bereich der frisch überfrorenen Tümpel und bei 60 bis 150 Zentimetern in den älteren Bereichen dazwischen, wobei hier jeweils die unteren 30 bis 40 Zentimeter des Eises schwammartig durchlöchert und wenig stabil sind.

Die Beschaffenheit der Scholle war den Wissenschaftlern anhand der Satellitenbilder dabei zunächst nicht bekannt. Erst mehrere Tage und Nächte andauernden Arbeiten auf der Scholle selbst erbrachten die Daten, die für eine fundierte Entscheidung unabdingbar sind. Dabei haben sie die Eisdicke mit einem elektromagnetischen Sensor kartiert, den sie zu Fuß oder per Skidoo über die Scholle zogen. Punktuelle Eiskernbohrungen lieferten ihnen außerdem Daten, die zur Beurteilung der Struktur des Eises notwendig sind. Die Arbeiten in der Dunkelheit und in dem unbekannten Terrain stellten dabei eine enorme Herausforderung dar. Von der Brücke der Polarstern aus wurden die Erkundungen koordiniert und mit Infrarotkameras überwacht. Eisbärwachen haben die Wissenschaftler bei den Messungen begleitet.

Schließlich haben die Wissenschaftler mit einem Laserscanner vom Hubschrauber aus ein dreidimensionales Modell der Schollenoberfläche erstellt. Diese aus der Erkundungsphase stammende Karte der Scholle wird den Wissenschaftlern helfen, den jetzt folgenden Aufbau des Eiscamps zu planen. Dabei befinden sie sich in einem Wettlauf mit der Zeit, denn schon ab heute steigt die Sonne nicht mehr über den Horizont und es verbleiben nur noch wenige Tage mit Dämmerung zur Mittagszeit.

Die MOSAiC-Expedition unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) ist verbunden mit noch nie dagewesenen Herausforderungen. Das Budget von MOSAiC beträgt rund 140 Millionen Euro. Im Laufe des Jahres werden ca. 300 Wissenschaftler aus 17 Ländern an Bord sein. Zusammen wollen sie zum ersten Mal das gesamte Klimasystem in der Zentralarktis erforschen. Sie erheben Daten in den fünf Teilbereichen Atmosphäre, Meereis, Ozean, Ökosystem und Biogeochemie, um die Wechselwirkungen zu verstehen, die das arktische Klima und das Leben im Nordpolarmeer prägen.

Quelle: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (idw)

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