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Eine ,lange Leitung' als neues Hilfsmittel der Seismologie

Archivmeldung vom 04.07.2018

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.07.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Glasfaserkabel, die bereits für Telekommunikation verwendet werden, lassen sich zu Seismometern umfunktionieren. Tests auf Island haben gezeigt, dass die Kabel Hammerschläge registrieren. Quelle: Foto: P. Jousset/GFZ (idw)
Glasfaserkabel, die bereits für Telekommunikation verwendet werden, lassen sich zu Seismometern umfunktionieren. Tests auf Island haben gezeigt, dass die Kabel Hammerschläge registrieren. Quelle: Foto: P. Jousset/GFZ (idw)

Glasfaserkabel eignen sich zur Aufzeichnung von Erschütterungen des Untergrunds. Damit können die herkömmlichen Datenleitungen nicht nur Erdbeben erfassen, sondern auch langsamere Bewegungen des Bodens und sogar Hammerschläge, Wellenbewegungen im Meer oder vorbeifahrende Autos. Das ist das Ergebnis einer Studie, die am 3. Juli 2018 in der Fachzeitschrift Nature Communications erscheint. Hauptautoren sind Philippe Jousset und Thomas Reinsch vom Deutschen GeoForschungsZentrum. Sie führten die Untersuchungen auf Island zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Island, Großbritannien, Potsdam und Berlin durch.

Die Forschenden schickten Laser-Lichtpulse durch einen 15 Kilometer langen Glasfaserstrang innerhalb eines ganzen Bündels von Leitungen und analysierten die ankommenden Lichtwellen. Das Kabel verläuft seit 1994 auf der isländischen Reykjanes-Halbinsel als Teil des dortigen Telekommunikationsnetzwerkes. Es überquert dabei eine bereits bekannte geologische Bruchzone an der Nahtstelle zwischen der amerikanischen und der eurasischen Kontinentalplatte. Zusätzlich hatte das internationale Team ein dichtes Netzwerk von Seismographen installiert, um die Daten miteinander abzugleichen.

Die Resultate überraschten selbst Fachleute: „Unsere Messungen per Glasfaberkabel bildeten den Untergrund weitaus genauer als je zuvor ab und lieferten Signale von Punkten alle vier Meter“, berichtet Philippe Jousset, „so dicht ist kein Netzwerk von Seismographen“. Als der Forscher im Jahr 2016 erste Ideen auf mehreren Konferenzen vorstellte, hieß es, das Verfahren sei ein „Game Changer“ für die Seismologie – liefere also eine völlig neue Qualität von Daten. Zwar ist die Verwendung von Glasfaserkabeln für andere Anwendungen als solches nicht neu, sie werden seit Jahren in Bohrlöchern zur Überwachung der Ölexploration eingesetzt, aber das Team unter der Leitung des GFZ ist das erste weltweit, das seismologische Messungen entlang der Oberfläche und über solch weite Entfernungen vornahm.

In der vorgestellten Studie konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht nur die bereits bekannte geologische Störung im Untergrund mit höherer Genauigkeit als bisher abbilden. Sie fanden darüber hinaus Hinweise auf eine weitere, bisher unbekannte Bruchzone im Untergrund. Außerdem deuten die Ergebnisse darauf hin, dass auch langsame Bodenverformungen aufgezeichnet werden, die mehrere Minuten andauern. Kleinere Erdbeben, wie sie auf Island häufig vorkommen, sowie Erschütterungen des Meeresbodens und Wellen, die von weit entfernten Beben stammten, zeichnete die „Messkette“ im Lichtleiter ebenfalls auf. „Alles, was wir brauchen, ist eine einzelne Faser in einem Kabelstrang“, erläutert Charlotte Krawczyk, Direktorin des GFZ-Departments Geophysik.

Die Vorteile seien enorm: Bereits jetzt verlaufen kreuz und quer über den Globus unzählige Glasfaserleitungen für die Telekommunikation und täglich kommen neue hinzu. Insbesondere unter großen Städten – so genannten Mega-Cities – gibt es bereits viele Kabel, die man für Messungen nutzen könnte. „Angesichts der Erdbebengefahr, die es in zahlreichen Ballungsräumen wie San Francisco, Mexico City, Tokio oder Istanbul und vielen anderen gibt, stellt unsere Methode eine kostengünstige und flächendeckende Ergänzung zu bestehenden Erdbebenmessgeräten dar“, sagt Charlotte Krawczyk. Weitere Untersuchungen sollen nun zeigen, ob man auch Tiefseekabel für solche Messungen nutzen kann.

Die Forscherinnen und Forscher aus Potsdam sind zuversichtlich, damit dann nicht nur Seebeben und Bewegungen der Kontinentalplatten zu erfassen, sondern auch Daten zu Änderungen des Wasserdrucks zu gewinnen. Damit würde dann neben der Seismologie zusätzlich die Ozeanographie von dem Verfahren profitieren.

Quelle: Helmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ (idw)

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