Wie Pflanzen sich mit Eisen versorgen
Archivmeldung vom 06.08.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtNeue Untersuchungen zum pflanzlichen Stoffwechsel zeigen: Aromastoffe (Cumarine) haben eine Schlüsselfunktion für den Mineralhaushalt von Pflanzen. Im Wissenschaftsmagazin „PLOS ONE“ stellt das Forschungsteam um Prof. Dr. Stephan Clemens an der Universität Bayreuth seine Ergebnisse vor. Diese bieten wertvolle Hinweise für die Züchtung und den Anbau von Nutzpflanzen, die dem weltweit verbreiteten Eisenmangel entgegenwirken können.
Eisen ist in nahezu allen Lebewesen unentbehrlich für lebenswichtige Stoffwechselvorgänge. Beim Menschen schädigt Eisenmangel insbesondere die Blutbildung. Weil pflanzliche Nahrung häufig zu wenig Eisen enthält, leiden aktuellen Schätzungen zufolge rund 30 Prozent der Weltbevölkerung unter einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Anämie. Deshalb besteht weltweit ein starkes Interesse an der Züchtung und am Anbau von Pflanzen, die einen hohen Anteil von Eisen in ihren essbaren Bestandteilen abspeichern – und zwar so, dass das Eisen vom menschlichen Organismus aufgenommen und verarbeitet werden kann. „Biofortifikation“ ist das Ziel einer noch jungen Forschungsrichtung, die darauf abzielt, den Anteil lebenswichtiger Mineralien wie Eisen oder Zink in Pflanzen systematisch zu erhöhen.
Überhöhte pH-Werte im Boden: Ein Hindernis für die Absorption von Eisen
Eisen ist zwar ein Mineral, das im Erdboden besonders häufig vorkommt. Doch in der Regel ist es hier ein Bestandteil von Eisenoxiden und damit schwer löslich, so dass es von den Wurzeln der Pflanzen nicht unmittelbar absorbiert werden kann. Wie gut das Eisen im Boden für die Pflanzen verfügbar ist, hängt deshalb entscheidend vom jeweiligen pH-Wert des Bodens ab. Je höher der pH-Wert ist, desto ungünstiger sind die Bedingungen für die Absorption des Eisens. Weltweit ist der pH-Wert heute auf etwa 30 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen überhöht, so dass hier die landwirtschaftliche Produktivität durch Eisenmangel beschränkt ist.
Grundsätzlich unterscheidet die Forschung zwischen zwei Strategien, mit denen es Pflanzen dennoch gelingt, sich ausreichend mit Eisen zu versorgen. Bei Pflanzen, die keine Gräser sind, besteht diese Strategie aus drei Schritten: Zunächst sondern ihre Wurzeln Substanzen ab, die den Säuregehalt im Boden erhöhen und somit dessen pH-Wert senken. In einem weiteren Schritt werden die Eisenoxide, infolge des erhöhten Säuregehalts im Boden, an der Oberfläche der Pflanzenwurzeln gelöst und in zweiwertiges Eisen umgewandelt. Erst jetzt sind die Pflanzen in der Lage, das Eisen zu absorbieren und ihre Zellen damit zu versorgen. „Nur wenn diese Strategie bis ins Detail aufgeklärt ist, kann eines Tages die gezielte Züchtung von Pflanzen gelingen, die möglichst viel Eisen aus dem Erdboden aufnehmen und abspeichern“, erklärt Prof. Dr. Stephan Clemens, der an der Universität Bayreuth den Lehrstuhl für Pflanzenphysiologie innehat.
Vergleichende Analysen von Stoffwechselprodukten
Von besonderem Interesse für die Forschung sind Substanzen, welche die Versorgung von Pflanzen mit Mineralstoffen auch dann gewährleisten, wenn die Absorption aus dem Erdboden erschwert ist. Gibt es derartige Substanzen?
Um diese Frage beantworten zu können, hat die Bayreuther Forschungsgruppe um Prof. Clemens einen Forschungsansatz gewählt, der die Stoffwechselprodukte der Pflanzen in den Blick nimmt. An den Wurzeln der Schotenkresse (Arabidopsis thaliana), die in der pflanzenphysiologischen Forschung heute oftmals als ‚Modellpflanze‘ dient, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vergleichende metabolomische Analysen durchgeführt. Dabei wurden möglichst viele der am Stoffwechsel beteiligten Abläufe und Substanzen – insbesondere die Zwischen- und Endprodukte des Stoffwechsels – erfasst. Zuerst wurden die Wurzeln von Pflanzen untersucht, die bestens mit Eisen versorgt waren. Es folgten Pflanzen, die einer Nährflüssigkeit ohne Eisen ausgesetzt waren. Schließlich richtete sich die metabolomische Analyse auf Pflanzen, die in einer eisenhaltigen Nährflüssigkeit mit hohem pH-Wert überleben mussten.
Cumarine: Schlüsselsubstanzen für den Eisenhaushalt von Pflanzen
Die Pflanzen, denen die Absorption von Eisen infolge des überhöhten pH-Werts erschwert war, bildeten in ihren Wurzeln eine auffällig große Menge von Cumarinen; viel mehr als die anderen Pflanzen, die optimal bzw. überhaupt nicht mit Eisen versorgt waren. Besonders das Skopoletin war in den Pflanzenwurzeln sehr häufig anzutreffen. Cumarine sind Aromastoffe, die zur Klasse der Phenole gehören und beispielsweise in der Lebensmittelindustrie als aromatische Verstärker verwendet werden.
Untersuchungen an speziellen Mutanten der Schotenkresse sollten im Anschluss an diese Befunde zeigen, ob Cumarine wirklich wichtig sind für die Eisenernährung der Pflanzen. Bei den Mutanten war die Bildung von Cumarinen aufgrund eines genetischen Defekts gestört. Tatsächlich erwiesen sie sich als unfähig, das in der Nährlösung mit hohem pH-Wert enthaltene Eisen zu absorbieren; nur zusätzliche eisenhaltige Nährstoffe konnten ihr Überleben sichern. Auf alkalischen Böden können die Mutanten also nicht wachsen. In diesem Zusammenhang stellte sich heraus, dass Pflanzen mit einer ungestörten Cumarin-Synthese solche Mutanten ‚retten‘ können, falls diese sich in unmittelbarer Nähe befinden. Die über das Wurzelwerk abgegebenen Cumarine machen das Eisen also auch für die genetisch defekten Nachbarn verfügbar.
„Forschungsarbeiten an verschiedenen Instituten haben in jüngster Zeit zeigen können, dass von den Wurzeln abgesonderte Phenole eine zentrale Funktion für den pflanzlichen Mineralhaushalt spielen“, erklärt Prof. Clemens „Die metabolomischen Untersuchungen, die wir hier in Bayreuth vorgenommen haben, konnten die aktiven Substanzen jetzt eindeutig nachweisen – und zwar auch deshalb, weil wir sehr viele der Stoffwechselprodukte im Wurzelbereich analysieren konnten. Unsere Erkenntnisse sind ein hochinteressanter Anknüpfungspunkt für die Züchtung und den Anbau von Nutzpflanzen, die dem weltweit verbreiteten Eisenmangel entgegenwirken und die Produktivität auf Böden mit zu hohem pH-Wert steigern können.“
Metabolomik – eine vielversprechende Forschungsrichtung
Die metabolomischen Analysen und ihre detaillierte Auswertung sind aus einer engen interdisziplinären Zusammenarbeit von Biologen und Chemikern auf dem Bayreuther Campus hervorgegangen. Sie wären nicht möglich gewesen ohne die Forschungstechnologien, die dabei zum Einsatz kamen, insbesondere die Gaschromatographie mit Massenspektrometrie-Kopplung (GC-MS) und die Flüssigkeitschromatographie-gekoppelte Flugzeitmassenspektrometrie (UPLC-ESI-QTOF-MS). „Die Metabolomik kann viel zur Aufklärung der Prozesse beitragen, durch die sich Pflanzen in ihrer Umwelt behaupten, und sie kann helfen, die Inhaltsstoffe von Pflanzen zu charakterisieren. Wir wollen metabolomische Verfahren an der Universität Bayreuth auch künftig anwenden, um neue Erkenntnisse über die Zusammensetzung pflanzlicher Nahrungsmittel zu gewinnen“, so Prof. Clemens.
Quelle: Universität Bayreuth (idw)