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Neue Art von Eis entdeckt - neue Forschungen für Energieerzeugung und -speicherung möglich

Archivmeldung vom 13.12.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.12.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
veröffentlicht in Nature
Quelle: Falenty et al (idw)
veröffentlicht in Nature Quelle: Falenty et al (idw)

Die Entdeckung einer neuen Art von Eis könnte zu einem verbesserten Verständnis geologischer Prozesse auf unserem Planeten führen – und dadurch helfen, neue Lösungen bei Herstellung, Transport und Speicherung von Energie zu finden. Eis XVI, das Eis mit der geringsten bekannten Dichte, hat eine hochgradig symmetrische Struktur aus Käfigen, die Gas-Moleküle und -Atome einfangen können, um Verbindungen zu formen, die als Einschlussverbindungen (Clathrate oder Käfigverbindungen) oder Gas-Hydrate bekannt sind.

Solche Einschlussverbindungen sind bekannt dafür, dass sie sehr große Mengen von Methan und anderen Gasen im Permafrost sowie in den ausgedehnten mehrere hundert Meter dicken Sedimentschichten am Meeresgrund speichern. Deren potenzielle Zersetzung könnte erhebliche Auswirkungen für unseren Planeten haben. Daher ist ein verbessertes Verständnis ihrer Eigenschaften von so großer Bedeutung.

In einem wissenschaftlichen Aufsatz, der diese Woche in der Zeitschrift Nature veröffentlicht wurde, haben Wissenschaftler der Universität von Göttingen und des Institut Laue Langevin (ILL) von der ersten leeren Käfigverbindung dieser Art berichtet. Sie besteht aus einem Rahmen von Wassermolekülen, bei dem alle Gastmoleküle entfernt wurden. Lange Zeit wurde angenommen, dass diese Konstellation nur hypothetisch sei. Diese leere Einschlussverbindung spielt eine wichtige Rolle in unserem Verständnis der physikalischen Chemie von Gashydraten. Die Forschungen an diesen könnten helfen, den Transport von Gas und Öl durch Pipelines in Gegenden mit niedrigen Temperaturen zu erleichtern, sowie bisher unnutzbare Reservoirs von natürlichem Gas am Meeresboden erschließen.

Um die Probe von Eis XVI zu erstellen, synthetisierten die Forscher eine mit Neongas-Atomen gefüllte Einschlussverbindung, die sie anschließend entfernten. Dafür pumpten sie diese bei niedrigen Temperaturen vorsichtig heraus. Mit kleinen Atomen wie die von Neongas konnten die Käfigverbindungen geleert werden, ohne dass ihre empfindliche Struktur gefährdet wurde.

Dafür wurde die Neon-Käfigverbindung bei Temperaturen von circa 140° K im Vakuum gepumpt, während die Daten der Neutronenbeugung mit dem Hochfluss-Difraktometer D20 des ILL erhoben wurden. Die so aufgenommenen Beugungsbilder erlaubten es ihnen, den Zeitpunkt zu bestimmen, an dem die Käfigverbindung vollständig geleert war. Zudem lieferten sie ein vollständiges Bild der entstandenen Struktur.

Als ein stabiler kristalliner Feststoff, der vollständig aus H2O-Molekülen zusammengesetzt wird, bildet die leere Einschlussverbindung eine neue Sorte (Phase) von Eis. Eis XVI ist das 17. entdeckte Eis und von allen bekannten kristallinen Formen von Wasser diejenige mit der geringsten Dichte. Es wird auch erwartet, dass es eine stabile Niedrigtemperatur-Konfiguration von Wasser bei negativem Druck darstellt (negativer Druck entspricht Spannung – dem Gegenteil von Kompression, also positivem Druck). Bis jetzt ist es die einzige experimentell erzeugte Form von Eis mit der Struktur einer Käfigverbindung.

Da die leere Käfigverbindung als ein Referenzrahmen für zahlreiche molekulare Simulationen von Gashydraten benutzt wird, haben sich Wissenschaftler bis heute auf annähernde theoretische Modelle gestützt, um ihre Arbeit zu untermauern. Die Rahmenstruktur der leeren Käfigverbindung, die am ILL erreicht wurde, macht es möglich, deren grundlegende strukturelle und thermodynamische Eigenschaften genauer zu bestimmen. Die Fähigkeit, solche leeren Käfigstrukturen zu schaffen und zu beobachten, hat das Potenzial, das Verständnis solcher Gashydrate erheblich zu verbessern.

Nach dem World Energy Outlook der Internationalen Energie Agentur aus dem Jahr 2007 übersteigt die Gesamtmenge von Methangas, das in Käfigstrukturen am Meeresgrund gebunden ist, bei weitem die ökonomisch ausbeutbaren Reserven „konventioneller“ Kohlenstoffreserven wie Kohle, Erdöl oder natürliches Gas. Diese Reserven sind aktuell schwer auszubeuten, sind aber Gegenstand intensiver Erforschung.

Thomas Hansen, einer der Autoren der Studie und Instrumentenwissenschaftler am D20 des ILL, sagt: „Es bleibt anzumerken, dass Gashydrate auch mit Kohlendioxid gebildet werden können, das bei den Bedingungen am Meeresgrund stabil sein kann. Es besteht also die Möglichkeit, Methan zu aus dem Methanhydrat zu extrahieren, um es in nutzbringende Energie umzuwandeln, indem man es mit CO2 ersetzt. Anders gesagt: Wir könnten CO2 im Austausch für Methan in Gas-Hydraten auf den Meeresgrund bringen. Die damit verbundenen Herausforderungen sind natürlich gewaltig und die Machbarkeit bleibt noch fraglich. Diese Möglichkeit bleibt dennoch äußerst faszinierend und ist es wert, weiter erforscht zu werden.“

Seine Ko-Autoren Andrzej Falenty und Werner F. Kuhs von der Universität Göttingen gehören zum SUGAR-Projektteam. Das Ziel von SUGAR ist es, die wissenschaftlichen, technischen und ökonomischen Möglichkeiten eines solchen Unterfangens zu untersuchen. Die Bundesregierung finanziert das Projekt. Ähnliche Aktivitäten gibt es aktuell in Japan, China, Indien und weiteren Ländern.

„Leere Einschlussverbindungen waren Jahre lang Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Spekulationen, weil deren tatsächliche Existenz ziemlich unsicher war. Mit der dieser Entdeckung kommen wir aus dem Bereich der Spekulationen. Mehr noch: Sie liefert uns einen neuen Edelstein aus der faszinierenden Schatzkiste von Eis-Phasen. Das Bestimmen der Eigenschaften von Eis XVI wird ein weiterer Meilenstein für jedes Modell sein, das die physikalischen Eigenschaften von Wasser beschreiben will. Das allein ist schon ein enormer Fortschritt. Mit diesem Verständnis hoffen wir, Fortschritte bei den damit verbundenen Fragen zum Thema Energie zu machen”, ergänzt Helmut Schober, Wissenschaftsdirektor des ILL.

Ein Gebiet, bei dem die Forschung mit Käfigstrukturen unmittelbareren Nutzen haben wird, ist die Wartung von Pipelines, durch die Gas mit hohem Druck und bei niedriger Temperatur transportiert wird. Diese Bedingungen können dazu führen, dass sich Gashydrate in den Rohren bilden, die diese verstopfen können. Um diese zu verhindern, wendet die Industrie weltweit rund 500 Millionen US-Dollar (ca. 400 Millionen Euro) im Jahr auf. Angesichts der hohen ökonomischen Bedeutung solcher Pipelines, stellt das einen hohen Kostenfaktor dar, der mit weiteren Forschungen an Käfigverbindungen reduziert werden kann.

Quelle: Institut Laue-Langevin (idw)

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