Röntgenblick ins Sternenfeuer
Archivmeldung vom 03.05.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSternmaterie mit einem Laser zu röntgen - das haben Wissenschaftler in der Arbeitsgruppe von Joachim Ullrich am Max-Planck-Institut für Kernphysik jetzt geschafft. Anders als Satelliten und Teleskope studieren die Heidelberger Physiker das leuchtende Plasma von Sternatmosphären allerdings direkt im Labor.
Bei Temperaturen von rund einer Million Grad Celsius erzeugen sie hochgeladene
Eisenionen, wie sie unter anderem auch in der Korona der Sonne vorkommen. Die
Max-Planck-Wissenschaftler haben nun erstmals eine Spektrallinie dieser Ionen
zum Leuchten angeregt und präzise vermessen. Das Experiment führten sie mit dem
neuen Röntgenlaser FLASH am DESY in Hamburg durch. Mit ihren Ergebnissen können
die Heidelberger wichtige Vorhersagen der Quantenelektrodynamik, welche die
Wechselwirkungen zwischen elektrisch geladenen Teilchen beschreibt, genau
überprüfen. In naher Zukunft werden sie die Präzision ihres Experimentes sogar
noch wesentlich verbessern können. (Physical Review Letters, 1. Mai 2007).
Hochgeladene Ionen entstehen nur bei sehr hohen Temperaturen von
Millionen oder gar Milliarden Grad Celsius - Bedingungen, wie sie etwa in der
Korona der Sonne herrschen. In dieser extremen Umgebung verlieren Atome durch
Stöße untereinander die meisten ihrer Elektronen, beispielsweise behält Eisen
von insgesamt 26 nur noch die drei, die am stärksten an den Kern gebunden sind.
Diese verbleibenden Elektronen zeigen ungewöhnliche Eigenschaften: Sie halten
sich der Nähe, manchmal sogar innerhalb des Atomkerns auf und spüren dadurch
dessen elektrische und magnetische Kraftfelder besonders stark. Die Folge sind
Verschiebungen der atomaren Spektrallinien, die im neutralen Atom in schwächerer
Form zwar auch auftreten, jedoch im komplizierten Wechselspiel der vielen
Elektronen kaum auszumachen sind. Beschrieben werden diese Phänomene durch die
Quantenelektrodynamik (QED), eine der grundlegenden physikalischen Theorien. Die
genaue Vermessung hochgeladener Ionen erlaubt es, wichtige theoretische
Vorhersagen der QED experimentell zu überprüfen. Daher ist das Interesse der
Physiker an diesem Sternenfeuer im Labor groß.
Einen entscheidenden
Beitrag auf diesem Gebiet haben die Forscher um Sascha Epp und José Crespo
López-Urrutia vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik nun geleistet:
Sie wandten eine sehr präzise Messmethode für neutrale Atome, die
Resonanz-Fluoreszenz-Spektroskopie, auf hoch geladene Ionen an, und bestimmten
so die Frequenz eines elektronischen Übergangs von 23-fach positiv geladenem
Eisen auf wenige Millionstel genau. Damit übersteigt ihre Messung hinsichtlich
der Präzision bereits die Grenze der heutigen theoretischen Möglichkeiten. "Die
Quantenelektrodynamik ist derzeit die genaueste aller physikalischen Theorien",
erläutert Crespo López-Urrutia: "Die mathematischen Formalismen der
Quantenelektrodynamik spielen aber auch bei der Beschreibung aller anderen
bekannten Kräfte, beispielsweise in der Hochenergiephysik, eine große Rolle. Die
QED bildet daher einen Grundbaustein unseres modernen physikalischen
Verständnisses." Da wundert es kaum, dass Physiker in aller Welt daran arbeiten,
die Vorhersagen der QED immer genauer zu überprüfen.
Möglich wurde das
Experiment der Max-Planck-Wissenschaftler erst durch den neuen
Freie-Elektronen-Laser FLASH, der seit Kurzem am DESY in Hamburg zur Verfügung
steht: FLASH, kurz für Free electron LASer in Hamburg, ist
der weltweit erste Laser, der im weichen Röntgenbereich strahlt. Da hochgeladene
Ionen Strahlung bei vergleichbar kurzen Wellenlängen aufnehmen und aussenden,
können sie erst mit dem neuen Röntgenlaser direkt zum Fluoreszieren angeregt
werden. Die Wellenlänge, die FLASH aussendet, lässt sich darüber hinaus
variieren, und erfüllt damit alle wesentlichen Voraussetzungen für die
Anwendbarkeit der Resonanz-Fluoreszenz-Spektroskopie.
Die hochgeladenen
Ionen für ihre Experimente stellen die Wissenschaftler in einer speziellen
Ionenfalle her, der Electron Beam Ion Trap (EBIT): Ein scharf fokussierter
Elektronenstrahl ionisiert die Atome im Inneren der EBIT bis zum gewünschten
Ladungszustand, je nachdem wie hoch die Spannung ist, die den Elektronenstrahl
beschleunigt. Gleichzeitig halten starke elektrische und magnetische Felder die
Ionen gefangen. Die Forscher produzieren so einige Millionen hochgeladene Ionen,
konzentriert auf das Volumen eines Haars: fünf Zentimeter lang, aber gerade mal
250 Mikrometer dick ist das Ionenwölkchen, auf das die Röntgenblitze des Lasers
treffen. Mit Beobachtungsinstrumenten, die den Messgeräten an Bord von
Satelliten oder in großen Teleskopen gleichen, messen die Physiker das
Fluoreszenzsignal - auf der Erde haben die Wissenschaftler über die
Betriebsparameter der EBIT allerdings die Kontrolle über Zusammensetzung und
Temperatur des gespeicherten Sternenfeuers.
Messungen, wie sie die
Heidelberger Physiker nun mit dem Elektronenlaser durchgeführt haben, sind zwar
prinzipiell auch mit herkömmlichen Methoden möglich. Beispielsweise kann man die
Strahlung, die von dem Sternenplasma im Labor ausgeht, spektroskopisch
analysieren. Doch die Wissenschaftler haben den neuen Laser noch lange nicht
ausgereizt: "Alleine indem wir länger messen und die Strahlungseigenschaften
FLASH durch bessere Justage und größere Detektoren optimal nutzen, können wir
die Präzision bereits in naher Zukunft um den Faktor 100 verbessern", erklärt
Crespo López-Urrutia.
Künftig wollen die Physiker mit FLASH darüber hinaus messen, wie lange ein Elektron in einem angeregten Zustand verweilt. Das sind bei hochgeladenen Ionen nur wenige Billiardstel einer Sekunde. Da der Hamburger Elektronen-Laser Pulse liefert, die in etwa ebenso kurz sind wie die Zeit, die ein Elektron auf dem oberen Niveau verbringt, lässt sich diese mit den Röntgenblitzen des FLASH bestimmen. "Ähnlich wie man aus den Strahlungsübergängen neutraler Atome den Takt einer Atomuhr bestimmt, könnte man mit hochgeladenen Ionen künftig sogar einen weiteren Frequenzstandard definieren", so Crespo López-Urrutia, "das ist allerdings noch Zukunftsmusik."
Quelle: Pressemitteilung Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.