Notfallplan in Pflanzenzellen
Archivmeldung vom 23.12.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittUm sich des Angriffs von Pilzen, Bakterien oder Viren zu erwehren, besitzen Pflanzen so genannte Muster-Erkennungs-Sensoren auf der Oberfläche ihrer Zellen. Diese leiten sofort nach dem Andocken und Erkennen von mikrobiellen Bestandteilen eine erste Immunreaktion ein (basale Abwehr).
Hochspezifische Resistenz-Proteine im Zellinneren erkennen genau, welcher Parasit angreift, und bekämpfen ihn gezielt mit einer massiven Immunantwort, die in der Regel den Zelltod der angegriffenen Pflanzenzellen zur Folge hat. Nun haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung die spektakuläre Entdeckung gemacht, dass beide Formen der Immunreaktion direkt miteinander verknüpft sind. In der neuen aktuellen Ausgabe von Science beschreiben sie, wie der hochspezifische Immunsensor MLA 10 die basale Abwehr verstärkt und damit den Angreifer tötet (Science, online-Ausgabe vom 21.12.2006).
Abb.: Pflanzen wehren sich
mit einem ausgeklügelten Immunsystem gegen Schädlinge. (A) Die so genannten
Muster-Erkennungs-Sensoren (PAMP-Sensor) auf der Zellmembranoberfläche leiten
ein Signal (über MAPKKK) in den Zellkern (gestrichelte Linie) weiter. Dort wird
die Produktion von Abwehrstoffen in Gang gesetzt. Damit sich die Zelle nicht
selbst schädigt, kann die Produktion der Abwehrstoffe gedrosselt werden (WRKY ½,
rot). (B) Die Kölner Max-Planck-Wissenschaftler entdeckten, wie der
hochspezifische Immunsensor MLA10 in den Mechanismus der basalen Abwehr
eingreift, diesen verstärkt und damit den Angreifer tötet.
Das pflanzliche Immunsystem ist hoch entwickelt und erkennt
potenzielle mikrobielle Angreifer wie zum Beispiel Pilze, Bakterien oder Viren
schon beim ersten Kontakt. Dabei muss die Pflanze, wie übrigens auch Mensch und
Tier, zwischen Eigen- und Fremdproteinen unterscheiden können. Zwei Klassen von
Immunsensoren werden dazu von Pflanzen eingesetzt: Die so genannten
Muster-Erkennungs-Sensoren (PAMP-Sensoren) auf der Oberfläche von Pflanzenzellen
fungieren als eine Art Breitband-Sensoren, die die Produktion von Abwehrstoffen
einleiten. Die zweite Klasse der Immunsensoren sind hochspezifische
Resistenz-Proteine im Zellinneren, die genau erkennen, welcher Parasit angreift,
und ihn gezielt bekämpfen, was in der Regel zum Tod der infizierten
Pflanzenzellen führt.
In ihren Experimenten infizierten Forscher des
Kölner Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung um Paul Schulze-Lefert
Pflanzen mit Mehltaupilzen. Sofort meldeten die PAMP-Sensoren an der
Zelloberfläche, dass sich die Pflanze in Gefahr befindet. Im Zellkern wurden
daraufhin mehrere Proteine aktiviert und die entsprechende Maschinerie zur
Produktion von Abwehrstoffen angeworfen. Damit sich die Zelle nicht selbst durch
die Überproduktion von Abwehrstoffen schädigt und um eine chronische
Immunantwort zu verhindern, wird die Produktion durch Regulatorproteine
normalerweise gedrosselt und zeitlich begrenzt.
"Genau an dieser Stelle
greift der spezifische Abwehrmechanismus mit dem MLA-Resistenzprotein in die
basale Abwehr ein", erklärt Paul Schulze-Lefert. Angegriffene Pflanzenzellen
erkennen durch den MLA Immunsensor im Zellinneren, dass die Pflanze in
Lebensgefahr schwebt, der "Notfallplan" wird aktiviert, indem genau diese
Drosselung der Produktion von Abwehrstoffen außer Kraft gesetzt wird. Dabei
tritt der aktivierte MLA-Immunsensors im Zellkern in direkten Kontakt mit den
Regulatorproteinen der basalen Abwehr. Das hat eine massive Verstärkung der
ursprünglich von den PAMP-Sensoren eingeleiteten Immunantwort zur Folge und
führt nun rasch zum Tod der angegriffenen Pflanzenzellen, wodurch dem Parasiten,
in diesem Fall dem Mehltaupilz, die Nährstoffversorgung entzogen wird.
Die Ergebnisse der Max-Planck-Forscher sind nicht nur für Pflanzenforscher interessant, sie liefern möglicherweise auch unmittelbar Einblicke in die Funktionsweise des angeborenen tierischen Immunsystems: "Obwohl sich das pflanzliche Immunsystem parallel zum tierischen entwickelt hat, gibt es strukturell verwandte Immunsensoren im Zellinneren von Tier und Mensch", sagt Schulze-Lefert. Denn die Zahl der Strukturmodule, aus denen die Natur Immunsensoren zusammensetzen kann, ist begrenzt. "Es würde mich daher nicht überraschen, wenn Wirkort und Funktionsweise der MLA-Sensoren im Zellkern von Pflanzen in ähnlicher Form auch Grundlage des Wirkmechanismus der strukturell verwandten Immunsensoren des angeborenen Immunsystems bei Tier und Mensch sind", so der Pflanzenforscher.
Quelle: Pressemitteilung Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung