UFOs und zeitgemäße Wissenschaft
Archivmeldung vom 03.05.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 03.05.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Jens BrehlDr. Vladimir V. Rubtsov leitet das Forschungsinstitut für Anomale Phänomene (RIAP) in Charkov, Ukraine. Dort gibt er das englischsprachige ‚RIAP Bulletin’ heraus. Er ist seit 1966 in die Erforschung des UFO-Phänomens eingebunden und zählt mit seinem Institut zum glaubwürdigen Teil der (nach-)sowjetischen UFO-Szene. Hier lesen Sie über seinen Werdegang und seine Ansichten.
Nach 40 Jahren aktiver UFO-Arbeit glaubt Rubtsov, dass die Ermittlungsergebnisse von großer Bedeutung sind, sowohl für die Wissenschaft als auch für die Zukunft der Menschheit. Die Ufologie heute ist für ihn eine sehr heterogene Mixtur aus seriöser Forschung, Show, Pop-Kultur und Hysterie. Es gibt zwar Gruppen ernsthafter UFO-Forscher in vielen Ländern, aber die breite Öffentlichkeit beurteilt die Ufologie nach ihren schlechtesten Vertretern.
Welchen Platz nimmt die heute getrennte sowjetische UFO-Forschung ein? Bis in die Mitte der 80er Jahre erreichten nur wenige Daten den Westen. Es war die übliche Mischung von Berichten. „Fliegende Untertassen im Sozialismus unterschieden sich nicht wesentlich von ihren demokratischen Gegenstücken.“ Ab 1986 häuften sich dann die Berichte, man konnte ins Ausland reisen und am internationalen Materialaustausch teilnehmen. Auch Geheimberichte aus dem Verteidigungsministerium wurden zugänglich. Es besteht nun aber die Gefahr, dass man sich auf das Zitieren von Berichten aus nach-sowjetischer Zeit beschränkt, die von Roswellereignissen und anderen wilden Gerüchten handeln. Das erschwert die seriöse Arbeit.
Die Sowjetunion hatte unabhängige Untersuchungen unterdrückt. Aber irgendwann muss der Strauß seinen Kopf aus dem Sand nehmen und sich umschauen. Genauso wird die Wissenschaft eines Tages entdecken, dass das UFO-Phänomen ein seriöses Studium verdient. Dann wird man mit den sowjetischen Daten anständig umgehen.
In der sowjetischen UFO-Forschung gab es zwei Flügel, offizielle und unabhängige Ermittlungen. Erstere waren oft übermäßig skeptisch, die anderen zu enthusiastisch. Rubtsov arbeitete in beiden Bereichen. Der Beginn der unabhängigen sowjetischen UFO-Forschung ist mit Juri Fomin und Felix Zigel, die 2001 bzw. 1988 verstarben, in den End-50ern bis Mitte-60ern anzusiedeln. Man wusste damals kaum, an wen man sich wenden sollte. Einige schrieben an Observatorien oder Wissenschaftsmagazine, worauf es keine hilfreichen Antworten gab. Es wurden nur ablehnende Artikel veröffentlicht, denn der sozialistische Sowjetmensch sah keine mysteriösen Objekte, und selbst wenn, dann hätten sie Spezialisten erklären können. Einer ersten Forscherorganisation, gegründet von Zigel 1967, gehörten 200 Wissenschaftler, Ingenieure, Militärs, Journalisten u. a. an. Ihr gewählter Leiter war Generalmajor Stoljarov. Sie stellten sich im Zentralfernsehen vor und baten darum, Berichte an sie zu senden. So entstand Zigels handgetippter erster Band „UFO-Sichtungen in der UdSSR“ (Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken=Sowjetunion). Da erkannte die Obrigkeit ihren Fehler und löste die Vereinigung auf. Die Akademie der Wissenschaften gab eine Resolution gegen die UFO-Forschung heraus.
Eine statistische Analyse des Materials durch die Wissenschaftler Gindilis, Menkov und Petrovskaja kam Ende der 70er Jahre zu dem Schluss, dass es für 1/3 der Berichte keine konventionelle Erklärung gäbe. Aber der Bann blieb erhalten. Besonders das Militär fürchtete, dass mit einer Veröffentlichungsflut auch ihre Geheimnisse ans Licht geraten würden. Die Zensur ließ nur unproblematische Fälle durch, selbst der Begriff „UFO“ war verboten.
Dann geschah etwas Unerwartetes, das alles veränderte. Es war der berühmte Fall von Petrosavodsk 1977. In Karelien, Nordwestrussland, wurde ein quallenförmiges UFO beobachtet und rutschte durch die Zensur. Dieses Ereignis korrelierte zeitlich zwar mit dem Satellitenstart von Kosmos 955, aber es war eine Lawine losgetreten. Selbst in den staatlichen 5-Jahresplänen erschienen Vorhaben wie „das Studium von anomalen atmosphärischen und Weltraumphänomenen und ihr Einfluss auf Militärtechnik und –personal“ oder „das Studium der physikalischen Natur und Mechanismen anomaler Manifestationen in der Atmosphäre und im Weltraum“. Das ging so von 1978 bis 1991 sowie danach mit etwas weniger Aufwand. Zentren der Ermittlungen waren das Verteidigungsministerium und die Akademie der Wissenschaften. Während das Verteidigungsministerium aus den eigenen Bereichen Materialien bekam und um die eigene Funktionsfähigkeit besorgt war (Radarunsichtbarkeit, Manövrierfähigkeit), richtete sich das Interesse der Akademie, die verschiedene Printmedien, Wetterstationen usw. als Quellen nutzte, auf die physikalische Natur des Phänomens.
Insbesondere das Militär wird nach Rubtsovs Auffassung nicht alle Daten freigegeben haben. Der Generalstabschef der Armee gab 1980 eine Order heraus, wie mit Beobachtungen zu verfahren sei. Diese galt für jeden Soldaten in der Sowjetunion und auf Außenstationierungen bis 1993. Während dieser Zeit gab es offiziell 3000 Berichte, von denen 90 % als IFOs (Raketenstarts, Höhenballons) betrachtet werden können. Doch die verbleibenden 300 Fälle sind nicht nur die unidentifizierten sondern auch die besonders genau untersuchten, besonders detailliert, informativ und gefiltert durch die Begutachtung erfahrener Offiziere. Wenn man das beachtet, kann man UFOs nicht mehr als die Erfindung von Spinnern ansehen.
Rubtsov verteidigte 1980 seine Dissertation über „Philosophische und methodologische Aspekte der Suche nach außerirdischer Intelligenz“. Er war dabei, ein Buch zu schreiben, wobei die Verknüpfung seiner Dissertation mit den UFO-Sichtungen der Zensur hätte zum Opfer fallen können. Seine Sympathien für die Extraterrestrische Hypothese waren zu bekannt. Aber es kam durch. Er wurde sogar eingeladen, in einem Expertenteam mitzuarbeiten. Entgegen ihrer öffentlich skeptischen Verlautbarungen, waren sie unter sich durchaus bereit, die verschiedenen Möglichkeiten zu diskutieren.
So hielt Rubtsov auch einen Vortrag vor Piloten der Luftwaffe und deren rückwärtigen Diensten. Diese zeigten Null Reaktion. Erst in persönlichen Gesprächen erkannte er, wie sie zwischen Baum und Borke standen, zwischen Scylla und Charybdis, Ordermäßig berichten sollten sie, dann aber auch belastende Untersuchungen über sich ergehen lassen. Deshalb war Schweigen im Land die bequemere Lösung, nur bei Sichtungen über den Grenzen wurde das Problem dann erheblich kritischer. Rubtsov erfuhr u. a. von einem Radarkontakt nachdem bereits alle Flieger gelandet waren. Das Objekt befolgte mehrere Anweisungen des Radarkontrolleurs, darunter eine falsche! Dann zog es vor, sich aus dem Radarbereich zu verabschieden.
Viele Geschichten ließen sich erzählen, aber das ist Folklore. Aus deren Sammlung wird nicht automatisch ein wissenschaftliches Modell. Augenzeugenberichte sind nur ein Anfang, ein Startpunkt für den Einsatz von wissenschaftlichen Instrumenten und Methoden. Gebraucht wird, so Rubtsovs Auffassung, kein neuerliches UFO-Untersuchungsprogramm, sondern eine scharfe Wendung der Schulwissenschaft zum UFO-Phänomen hin, deren Bereitschaft UFOs als ein normales, wissenschaftliches Problem zu begreifen.
"UFOs und zeitgemäße Wissenschaft" ist denn auch der Titel seines Buches von 1991. Man hatte in der Sowjetunion die Realität des UFO-Phänomens begriffen. Vieles fiel dann aber in der Umbruchphase dem fehlenden Geld und der Sensationsgier zum Opfer. Eine dicke Aura von Fantasie und Gerüchten hat sich um das Phänomen gebildet. Für Rubtsov aber ist der extraterrestrische Ursprung der UFOs verifizierbar und deshalb wissenschaftlich. Technologisch sind wir zu einer entsprechend gezielten Luftraumüberwachung in der Lage. Finanziell war es die ehemalige Sowjetunion, als es um den Bau von Atombomben ging oder den ersten Sputnik. Heute sind es Russland oder gar die Ukraine nicht, oder es gibt bereits eine neuerliche Geheimhaltungsdoktrin.
Eine Lösung des UFO-Phänomens würde sicher zu neuen, noch
schwierigeren Fragen führen, denn es ist nicht nur eine Herausforderung für die
Wissenschaft, sondern für die Menschheit.
Textquelle: „FATE“, Dezember 2005
Hans-Ulrich Neumann