95.000 Seemeilen im Dienst der Wissenschaft
Archivmeldung vom 15.02.2013
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDas Forschungsschiff SONNE ist für die deutsche Wissenschaft die wichtigste Arbeitsplattform im Pazifik und im Indischen Ozean. Diese Woche treffen sich am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel rund 100 Wissenschaftler aus ganz Deutschland, um die Ergebnisse von SONNE-Expeditionen der Jahre 2010 bis 2012 zu präsentieren.
Mit ihrem leuchtend roten Rumpf ist sie die auffälligste Erscheinung in der deutschen Forschungsflotte. Doch in ihrem Heimatland ist sie fast nie zu sehen. Denn das Arbeitsgebiet des Forschungsschiffs SONNE ist der Pazifische und der Indische Ozean. Alleine zwischen Sommer 2010 und Sommer 2012 legte sie dort 95.000 Seemeilen im Dienst der Wissenschaft zurück. Das entspricht mehr als dem vierfachen Erdumfang. Die SONNE besuchte in dieser Zeit unter anderem Neuseeland, Tahiti, die Philippinen, Chile, Mexiko, Australien, Indonesien, China, Vietnam, Südkorea, Russland oder auch die Fidschi Inseln. Ihre Expeditionen führten sie in den Golf von Tonkin, zur Subduktionszone vor Chile und Costa Rica, ins Südchinesische Meer vor Borneo, zum Hikurangi-Trog vor Neuseeland oder zum deutschen Manganknollen-Lizenzgebiet im äquatorialen Nordostpazifik. An welchen Fragen die jeweiligen Wissenschaftsteams dort gearbeitet haben und was sie dabei herausfanden, darüber berichten in dieser Woche rund 100 Forscher aus ganz Deutschland im Rahmen des SONNE-Statusseminars. „Alle zwei Jahre dient diese Veranstaltung der Rückschau auf vergangene Expeditionen und der Kontaktpflege für zukünftige wissenschaftliche Arbeiten“, erklärt Dr. Barbara Tanner vom Projektträger Jülich (PTJ), der die Fahrtplanung der SONNE im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) koordiniert.
Ein Blick in die Agenda des Sonne-Statusseminars zeigt das breite Spektrum an Themen, für das deutsche und internationale Wissenschaftler die SONNE einsetzen. Es geht um den Gasaustausch zwischen Ozean und Atmosphäre, um Rohstoffforschung oder um mikrobielle Untersuchungen an Meeresboden. Die SONNE war im abgedeckten Zeitraum unterwegs, um Gashydrate zu finden, für evolutionsbiologische Untersuchungen an Fischen und um die Geschichte der Kontinente beziehungsweise die Prozesse der Plattentektonik besser zu verstehen. Damit eng verwandt sind Untersuchungen zu Naturkatastrophen, zum Beispiel zum verheerenden Erdbeben vor der japanischen Küste im März 2011, zu Erdbeben vor der Küste Chiles oder zum Vulkanismus entlang des pazifischen Feuerrings. „Die Bandbreite zeigt, wie unentbehrlich die SONNE für die deutsche Wissenschaft ist. Allein das GEOMAR hat zwischen 2010 und Anfang 2013 zehn mehrwöchige Expeditionen mit dem Schiff durchführt und dabei Erkenntnisse über das Funktionieren der Erde gewonnen, die ohne die SONNE nicht möglich gewesen wären“, betont Prof. Dr. Wolf-Christian Dullo vom GEOMAR.
Zu den vielleicht spektakulärsten Neuigkeiten, die Wissenschaftler während des Seminars ihren Kolleginnen und Kollegen präsentieren, gehört ein Video, das erst am 1. Januar 2013 im Südwestpazifik aufgenommen wurde. Auf dem Rückweg vom Manihiki-Plateau nordöstlich von Tonga wollte ein Team des GEOMAR den Monowai-Unterwasservulkan rund 720 Seemeilen nördlich von Neuseeland vermessen. „Noch während der Vermessungsarbeiten hörten wir plötzlich Geräusche wie Kanonenschläge im Wasser und die Wasseroberfläche hob sich mehrmals wie bei der Explosion von Unterwasser-Bomben“, berichtet der damalige Fahrtleiter Dr. Reinhard Werner. Der Monowai brach etwa 50 Meter unterhalb der Wasseroberfläche aus. Aus Sicherheitsgründen wurde die Vermessung abgebrochen, doch Videoaufnahmen dokumentieren die Auswirkungen des Ausbruchs über Wasser. „Solche Aufnahmen eines ausbrechenden Vulkans knapp unter der Meeresoberfläche sind extrem selten“, betont Dr. Werner.
Ein weiteres Thema während des SONNE-Statusseminars ist natürlich auch die Zukunft der deutschen Meeresforschung im Pazifik. „Die SONNE ist mittlerweile über 40 Jahre alt. Damit nähert sie sich dem Ende ihrer Dienstzeit“, sagt Dr. Tanner vom PTJ. Im April 2013 wird das Nachfolgeschiff, das wieder den Namen SONNE tragen wird, in Papenburg auf Kiel gelegt. „Der Pazifik deckt eine größere Fläche ab als alle Kontinente zusammen. Wenn wir die Erde verstehen wollen, müssen wir dort forschen können – und dafür benötigen wir eine moderne Plattform“, betont Professor Dullo.
Doch noch tut die „alte“ SONNE zuverlässig ihren Dienst. Aktuell ist sie im Rahmen ihrer 226. Expedition unter Fahrtleitung von Ingo Klaucke (GEOMAR) vor der Nordinsel Neuseelands im Einsatz, um geologische Formationen am Meeresboden zu untersuchen, die im Zusammenhang mit natürlichen Methanquellen stehen.
Hintergrundinformationen: FS SONNE
Die SONNE wurde 1969 als Hecktrawler für die Hochseefischerei auf der Rickmers-Werft in Bremerhaven gebaut. 1977 kaufte die RF Reedereigemeinschaft Forschungsschifffahrt das Schiff und ließ es zum Forschungsschiff umbauen. 1991 erfolgte eine Modernisierung, bei der die SONNE um knapp 11 Meter verlängert wurde. Sie erhielt ein zusätzliches Aufbaudeck sowie eine neue Maschinenanlage. Die SONNE wird von praktisch allen marinen Forschungsdisziplinen als Forschungsplattform genutzt und dabei überwiegend im Pazifik und im Indischen Ozean eingesetzt. Das BMBF chartert das Forschungsschiff SONNE für 250 Tage pro Jahr bei der RF Forschungsschifffahrt GmbH, dem Eigner des Schiffs. Schiffszeiten und die entsprechende Projektförderung werden im Rahmen von Ausschreibungen vergeben. Ein vom BMBF berufenes Gutachtergremium bewertet die eingereichten Fahrtvorschläge nach wissenschaftlichen Kriterien. Der Projektträger Jülich stellt darauf beruhend die Fahrtpläne zusammen.
Im Mai 2011 wurde ein Neubau in Auftrag gegeben, der im Jahr 2015 die SONNE ersetzen und ebenfalls den Namen SONNE tragen soll.
Quelle: GEOMAR | Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (idw)