Zeitung von gestern in den Autos von morgen
Archivmeldung vom 17.10.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.10.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Produktion von Biodiesel befindet sich in einer ethischen Zwickmühle. Zum einen stellt der überwiegend aus nachwachsenden Rohstoffen wie Raps- oder Sojaöl produzierte Biodiesel eine ökologisch wertvolle Alternative zu fossilen Brennstoffen dar, um die schon heute ein weltweiter Machtkampf besteht und die den Kohlenstoffkreislauf unseres Ökosystems seit Beginn der industriellen Revolution empfindlich stören.
Zum anderen ist es vor dem Hintergrund der hungernden Drittweltbevölkerung
moralisch nicht unbedenklich, enorme Kapazitäten wertvoller Ackerfläche für die
Deckung unseres gigantischen Energie- und Treibstoffbedarfes zu
verwenden.
Einen möglichen Ausweg aus dieser Misere haben Wissenschaftler
des Institutes für Molekulare Mikrobiologie und Biotechnologie der Universität
Münster unter der Leitung von Prof. Dr. Alexander Steinbüchel aufgezeigt. In der
Fachzeitschrift "Microbiology" haben sie ein Verfahren vorgestellt, mit dem
Dieseltreibstoff mit Hilfe von Bakterien aus billigeren nachwachsenden
Rohstoffen wie Glukose hergestellt werden kann. "Die Produktion von Treibstoff
mit Hilfe von Mikroorganismen ist ein völlig neuer Ansatz", betont Steinbüchel
die Exklusivität der Forschungsergebnisse, die durch ein bereits angemeldetes
Patent gesichert wird.
Pflanzliche Öle, die natürliche Quelle des
herkömmlichen Biodiesels, enthalten Triacylglyceride, die aufgrund ihrer
Zähflüssigkeit jedoch noch nicht für die Verwendung als Treibstoff geeignet
sind. Durch chemische Reaktion mit Methanol, dem billigsten, größtenteils aus
Erdgas gewonnenen Alkohol, entstehen in einem energie- und kostenintensiven
Prozess Fettsäuremethylester (FAMEs), die den Hauptbestandteil von Biodiesel
bilden. Die Knappheit und der Preis der Rohmaterialien sowie die Giftigkeit des
Methanols limitieren derzeit die Produktion des Biotreibstoffes, die
weitestgehend ihre wirtschaftlichen Grenzen erreicht hat. Dringend benötigt
werden also Alternativen, die eine Treibstoffproduktion aus günstigen
erneuerbaren Rohstoffen wie Holz oder sogar organischem Abfall
erlauben.
Genau hier setzt das Verfahren von Steinbüchel und seinen
Mitarbeitern an, das derzeit noch Glukose und Fettsäuren als Ausgangssubstanzen
benötigt und statt der FAMEs die längerkettigen Fettsäureethylester (FAEEs)
herstellt. Die Arbeit bei der Produktion des "Mikrodiesels", wie ihn seine
Erfinder genannt haben, wird von dem in der Mikrobiologie bestens erforschten
und oft verwendeten Bakterium E. coli verrichtet. "Wir haben die Gen-Ausstattung
des Bakteriums nach dem Bausteinprinzip manipuliert. Der erste Baustein ist
verantwortlich für die Biosynthese von Ethanol aus Pyruvat, dem natürlichen
Abbauprodukt von Glukose. Dieses Ethanol wird dann von dem zweiten Baustein
verwendet, um aus dem Stoffwechselprodukt der Fettsäure die gewünschten FAEEs zu
synthetisieren", erklärt Steinbüchel die Vorgehensweise seiner Mitarbeiter, die
sich im Rahmen einer Diplom- und einer Doktorarbeit mit der Umsetzung der Idee
beschäftigten. Gearbeitet haben sie dabei mit in der Biologie etablierten
Verfahren der Klonierung und Charakterisierung von Genen und der Veränderung von
Bakterienstämmen mit molekularbiologischen Methoden, wie sie auch bei anderen
Forschungsprojekten im Arbeitskreis angewandt werden.
Das grundlegende
Ziel von Steinbüchels Forschungsgruppe ist es, physiologische, biochemische und
molekular-genetische Grundlagen von Stoffwechselvorgängen und deren Regulation
in Bakterien aufzuklären und gezielt im Hinblick auf die Produktion von
chemischen Verbindungen zu verändern. Besonderes Interesse gilt dabei der
Biosynthese von industriell relevanten chemischen Verbindungen, sowie dem Abbau
und der Umwandlung nachwachsender Rohstoffe. Ergebnisse der Grundlagenforschung
sollen dabei in anwendungsorientierten Projekten verwertet werden, was häufig in
enger Kooperation mit der Industrie geschieht. Bei ihrer Forschungsarbeit haben
die Mikrobiologen ein neuartiges Enzym entdeckt und charakterisiert, das an der
Synthese von Wachsestern und Triacylglyceriden beteiligt ist. Im zweiten
Baustein des Bakteriums ist dieses Substrat-unspezifische Enzym für die Bildung
der FAEEs aus Ethanol und den Stoffwechselprodukten der Fettsäuren
verantwortlich und ist somit der wichtigste Bestandteil der Mikrofabrik.
Wirtschaftlich sei das Verfahren aufgrund der geringen Ausbeuten zwar
noch nicht, aber die Umsetzbarkeit des Grundgedankens wurde deutlich gezeigt.
"Der Hauptvorteil unseres Systems liegt im Moment noch darin, dass die Bakterien
den Alkohol, der zur Weiterverarbeitung der Fettsäuren nötig ist, selbst
produzieren. Dadurch kann der Mikrodiesel im Gegensatz zum Biodiesel aus 100
Prozent erneuerbaren Rohstoffen hergestellt werden", macht Steinbüchel den
Vorteil der Methode deutlich. Das weitere Ziel seiner Arbeitsgruppe ist es, das
Substratspektrum des Bakteriums, das heißt, die Palette an möglichen
Ausgangsstoffen, durch Hinzufügen weiterer genetischer Bausteine so weit zu
optimieren, dass eine Verarbeitung billiger natürlicher Rohstoffe wie Cellulose
und Lignin möglich wäre. Dazu sei zwar noch sehr viel Entwicklungsarbeit zu
leisten, doch der Gedanke, aus Holz oder sogar Altpapier Biotreibstoff
produzieren zu können motiviert nicht nur Steinbüchel.
Trotz aller
Euphorie, die angesichts des viel versprechenden Vorhabens aufkommen mag, ist
Steinbüchel realistisch: "Die Biodieselproduktion ist ein extrem ausgereifter
Prozess und es wird sicherlich sehr schwer werden, sich neben diesem etablierten
Verfahren zu behaupten." Sollte seine Forschungsarbeit weiter so erfolgreich
verlaufen wie zuletzt, wäre es denkbar, dass die Autos von morgen mit der
Zeitung von gestern fahren werden.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.