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Die Vermessung der Wale: Mit Schall-Detektoren den Schweinswalen auf der Spur

Archivmeldung vom 22.01.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.01.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Dänemark_2008_T1_085…jpg: Typisch für den Schweinswal ist die deutlich erkennbare dreieckige Rückenflosse
Dänemark_2008_T1_085…jpg: Typisch für den Schweinswal ist die deutlich erkennbare dreieckige Rückenflosse

(© Dr. Harald Benke)

Forscher des Deutschen Meeresmuseums haben mit Hilfe von Unterwasser-Mikrofonen über zehn Jahre hinweg den Bestand der vom Aussterben bedrohten Schweinswale in der deutschen Ostsee ermittelt. Ihre Daten lassen darauf schließen, dass hier zwei Schweinswal-Untergruppen leben, die sich je nach Jahreszeit abwechselnd in der Pommerschen Bucht aufhalten und insgesamt kritische Bestandszahlen aufweisen. Im Hinblick darauf werden dringend konkrete Schutzmaßnahmen für die Tiere gefordert. Ihre Forschungsergebnisse haben die Wissenschaftler nun im Fachmagazin „Marine Ecology Progress Series“ veröffentlicht.

Ihr Schutz ist längst politisch beschlossen, der Umsetzung jedoch bescheinigen die Forscher ein deutliches „Mangelhaft“. Schweinswale sind die einzige Wal-Art in der deutschen Ostsee und ihr Bestand ist im vergangenen Jahrhundert bis nahe an die Ausrottung zurückgegangen. Sowohl notwendige Maßnahmen zum Schutz der Tiere als auch deren Anzahl und Verbreitung waren Inhalt dieser weltweit einmaligen Langzeitstudie des Deutschen Meeresmuseums und des Bundesamts für Naturschutz. Dafür wurden bereits im Jahr 2002 zwölf Unterwasser-Mikrofone (sog. PODs) in verschiedenen Gebieten der deutschen Ostsee ausgebracht. Diese zeichneten kontinuierlich die typischen Laute der Schweinswale auf, um die Anwesenheit der Tiere in den verschiedenen Regionen überwachen zu können.

Nun haben die Wissenschaftler eine Auswertung von zehn Jahren Datensammlung (2002 bis 2012) im Fachblatt "Marine Ecology Progress Series" vorgelegt. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass sich zwei verschiedene Schweinswal-Gruppen je nach Jahreszeit abwechselnd in der Pommerschen Bucht aufhalten, da alle in der Ostsee ausgebrachten Hydrofone eine jahreszeitliche Schwankung der Schweinswal-Aktivität zeigten. Während die Geräte in anderen Gebieten einen Höchstwert im Spätsommer und einen Kleinstwert gegen Ende des Winters anzeigten, wurden in der Pommerschen Bucht sowohl im Spätsommer als auch am Winterende Höchstwerte erreicht.

Die Wissenschaftler schließen daraus, dass eine Schweinswal-Gruppe aus der dänischen Beltsee für die Spätsommer-Monate in die Pommersche Bucht einwandert und über den Spätwinter eine Gruppe aus der zentralen Ostsee einwandert. Gerade diese zweite Gruppe wird mit einem Bestand von nur noch wenigen Hundert Tieren als vom Aussterben bedroht eingestuft und steht seit 2008 auf der so genannten Roten Liste. Die Pommersche Bucht wäre somit in doppelter Hinsicht schützenswert.

"Wir sind stolz, über einen so beispiellos langen Zeitraum hinweg erfolgreich Daten zu den Schweinswalen in der Ostsee gesammelt zu haben", sagt Harald Benke, Direktor des Deutschen Meeresmuseums und Erst-Autor der vorliegenden Studie. "Mit diesen umfassenden akustischen Aufnahmen sind wir Weltspitze."

Diese Daten sind unerlässlich. Denn keine der bislang unternommenen Schutzmaßnahmen hat zur Erholung der vom Aussterben bedrohten Ostsee-Schweinswale geführt. "Die bisherigen Maßnahmen sind ausnahmslos Papiertiger", kritisiert Harald Benke deutlich. Nun jedoch ist Handeln angesagt: 2008 trat EU-weit die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie in Kraft. Dieser zufolge müssen bis 2015 alle EU-Mitgliedsstaaten Programme zum Schutz ihrer Meere vorlegen. Und bis 2020 müssen sie einen "guten Zustand der Meeresumwelt" erreicht haben.

Die Wissenschaftler raten dringend dazu, den ungewollten Beifang von Schweinswalen zu verhindern und zum Beispiel Fischreusen zu nutzen. Als zweiten Schritt empfehlen sie, die Unterwasser-Lärmbelastung durch gezielte Maßnahmen besonders dann zu unterbinden, wenn sich viele Schweinswale im lärmbelasteten Gebiet aufhalten.

Neben ungewolltem Beifang und der Lärmbelästigung nennen die Forscher noch weitere Bedrohungen für die Schweinswale. Diese sind beispielsweise chemische Schadstoffe im Meerwasser oder der Rückgang ihrer Beutetiere durch Überfischung.

"Wir hoffen, dass auf der Basis unserer Daten schon bald etwas unternommen wird, um die Schweinswale in der Ostsee endlich wirksam zu schützen", so Harald Benke.

Mit der vorgelegten Studie etablieren die Forscher eine recht neue Form der Schweinswal-Beobachtung: Bisher war es üblich, mit standardisierten Flügen übers Wasser die Tiere zu zählen, wenn diese zum Atmen an die Oberfläche kommen und so sichtbar werden. Die nun eingesetzte akustische Überwachung mit Hydrofonen hat demgegenüber gleich mehrere Vorteile: Sie lässt sich auch bei schlechtem Wetter einsetzen, wenn Wind und Wellen vor allem im Herbst und Winter verhindern, die Tiere zu sichten. Auch nachts können Daten gesammelt werden. Dadurch lassen sich Trends der Aktivität im Tagesverlauf ebenso aufzeichnen wie Veränderungen innerhalb der Jahreszeiten. Schließlich ist diese akustische Methode deutlich effizienter und kostengünstiger als Sichtungsversuche aus der Luft, wenn der Bestand der Tiere sehr gering ist, wie es in der deutschen Ostsee der Fall ist.

Weitere Ergebnisse der neuen Hydrofon-Daten sind eine deutliche Abnahme der Tieraktivität von West nach Ost: Während im westlichsten Beobachtungsgebiet (nördlich der Insel Fehmarn) an fast allen Erfassungs-Tagen Schweinswale aufgezeichnet wurden, ließen sich im mittleren Beobachtungsgebiet (vor Rostock) an 71 Prozent der Tage Schweinswale hören. Im östlichsten Beobachtungsraum schließlich (Pommersche Bucht, östlich der Insel Rügen) waren Schweinswale nur an rund vier Prozent der Tage zu verzeichnen.

Gerade hier in der Pommerschen Bucht aber zeigen die Daten der Forscher eine Zunahme der Schweinswal-Aktivität seit dem Jahr 2008. Noch aber, betonen die Wissenschaftler, lässt sich nicht sagen, ob dies auch wirklich eine Zunahme der Tierzahlen bedeutet. Es könnte auch sein, dass sich Tiere aus dänischen Gewässern auf der Suche nach Nahrung immer weiter Richtung Osten vorwagen.

Konkrete Zahlen zu den Schweinswal-Beständen in den einzelnen Gebieten der Ostsee sollen jedoch in naher Zukunft folgen. Denn hieran arbeitet ein internationaler Verbund von Forschern, an dem die Wissenschaftler des Deutschen Meeresmuseums ebenfalls beteiligt sind: Das Projekt trägt die Abkürzung SAMBAH (Static Acoustic Monitoring of the Baltic Harbour Porpoise, zu Deutsch: statisch-akustische Überwachung der Ostsee-Schweinswale).

Auch die Forschung am Deutschen Meeresmuseum geht weiter. "Unsere Hydrofone sind weiterhin an Ort und Stelle", so Harald Benke. "Außerdem wollen wir die Auswertung unserer Daten noch verfeinern und dadurch noch etliches mehr über die Lebensbedingungen, das Verhalten und die Schutzmöglichkeiten der Schweinswale erfahren."

Quelle: Bundesamt für Naturschutz (idw)

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