Kosmisches Feuer und Eis
Archivmeldung vom 16.12.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie 1999 gestartete Raumsonde "Stardust" ist nach einer Reise über mehr als vier Milliarden Kilometer durch unser Sonnensystem im Januar dieses Jahres erfolgreich auf die Erde zurückgekehrt. Ziel der Mission war der Komet Wild 2, wobei Hunderttausende von Staubpartikeln eingesammelt werden konnten.
Die vorläufigen Untersuchungen dieser Proben zeigen, dass die Bildung unseres Sonnensystems vor etwa 4,6 Milliarden Jahren mit einer großskaligen Mischung von Materie einherging: Obwohl der Komet in den äußeren kalten Zonen des Sonnensystems entstanden ist, enthält er auch Hochtemperatur-Minerale, die sich in den inneren heißen Gebieten des solaren Nebels gebildet haben (Science, 15. Dezember 2006).
Bild: Einschlagskrater in einer
Aluminiumfolie. Linkes oberes Bild: Rasterelektronenmikroskopbild (Balkenlänge
ein tausendstel Millimeter). Rechtes oberes Bild: Verteilung des
Kometenmaterials in einem Silizium-Isotopenbild. Das einschlagende
Kometenpartikel hatte eine Größe von etwa 300 Millionstel Millimetern. Unteres
Bild: NanoSIMS-Ionenmikrosonde.
Ein aus annähernd 200 Wissenschaftlern bestehendes
internationales Expertenteam, unter ihnen auch Peter Hoppe, Philipp Heck und
Joachim Huth vom Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie, hat in einer ersten
Phase dieses NASA-Projekts ausgewählte Proben des Kometenstaubs untersucht. Das
Expertenteam bestand aus sechs Gruppen, die sich den Bereichen
Mineralogie/Petrographie, Isotopenzusammensetzung, chemische Zusammensetzung,
organische Materie, Einschlagskrater und optische Eigenschaften gewidmet haben.
Die Resultate dieser Untersuchungen werden als Schwerpunkthema in der heutigen
Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science veröffentlicht.
Aufgefangen
wurde der Kometenstaub mithilfe zweier verschiedener Targets: Aerogel, einem
Material mit sehr geringer Dichte, und Aluminiumfolie. Insgesamt konnte auf
diese Weise etwa ein Milligramm der kostbaren kosmischen Materie zur Erde
gebracht werden. Wie die Untersuchungen zeigen, besteht das Kometenmaterial aus
einer Mischung von Mineralen, die im solaren Nebel entstanden sind, organischer
Materie, die vermutlich zumindest teilweise interstellaren Ursprungs ist, sowie
Sternenstaub. Erstaunlicherweise machen die im Sonnensystem entstandenen
Minerale den weitaus größten Teil des Kometenmaterials aus, Sternenstaub kommt
dagegen vergleichsweise selten vor. "Es überrascht uns schon", sagt Peter Hoppe,
"dass der Anteil des Sternenstaubs nicht höher zu sein scheint als in primitiven
Meteoriten oder interplanetaren Staubteilchen."
Einige der untersuchten
Minerale zeigen Anreicherungen im Sauerstoff-Isotop mit der Masse 16 - eine
Signatur, wie man sie auch in sogenannten Kalzium-Aluminium-reichen Einschlüssen
in Meteoriten findet. Diese Hochtemperatur-Einschlüsse repräsentieren die
frühesten Kondensate im Sonnensystem und sind in den inneren heißen Zonen des
solaren Nebels entstanden. Weil nun überraschenderweise solche Minerale auch in
einem Kometen vorkommen, der sich in den äußersten Zonen des Sonnensystems
gebildet hat, schließen die Forscher, dass festes Material über große, radiale
Distanzen hinweg im frühen Sonnensystem gemischt wurde. "Wir haben Feuer und Eis
gefunden", so umschreibt der leitende Wissenschaftler der Stardust-Mission,
Donald Brownlee von der Universität Washington in Seattle, das Vorkommen von
Hochtemperatur-Mineralen in den kältesten Regionen unseres
Sonnensystems.
Die Mainzer Forscher konnten mit ihrer
NanoSIMS-Ionenmikrosonde und ihrem hochauflösenden Elektronenmikroskop
maßgeblich zum Erfolg dieser ersten Untersuchungen beitragen. Sie bestimmten an
einer Vielzahl von Einschlagskratern in der Aluminiumfolie (Abbildung) sowie an
Partikeln, die aus dem Aerogel extrahiert wurden, sowohl die chemische
Zusammensetzung als auch die Isotopenzusammensetzungen von Kohlenstoff,
Stickstoff und Sauerstoff. Letztere geben Aufschluss über die Herkunft des
Kometenmaterials und liefern somit einen wichtigen Mosaikstein zum Verständnis
der Entstehungsgeschichte des Kometen Wild 2.
Nach dieser gemeinsamen Anfangsstudie können nun alle beteiligten Gruppen eigenverantwortlich weiterforschen. "Es gibt Arbeit für viele Jahre, wir haben bisher nur einen sehr kleinen Teil des Kometenmaterials untersucht", sagt Philipp Heck vom Mainzer Max-Planck-Institut. Damit erhoffen sich die Forscher weitere detaillierte Einblicke in die Kinderstube unseres Sonnensystems.
Quelle: Pressemitteilung Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.