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Eine Entdeckung zur Langsamkeit am frühen Morgen

Archivmeldung vom 03.05.2007

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 03.05.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Dass sich der Mensch mit Denken und Handeln zu bestimmten Tageszeiten schwerer tut als zu anderen, das hat nicht nur die Wissenschaft festgestellt, sondern das entspricht auch der eigenen Erfahrung. Doch die Wissenschaftler Daniel Bratzke, Dr. Bettina Rolke und Prof. Rolf Ulrich vom Psychologischen Institut der Universität Tübingen sowie Maren Peters von der Humboldt-Universität Berlin wollten genauer wissen, an welcher Stelle die Informationsverarbeitung beim Lösen von Aufgaben zu manchen Tageszeiten stockt.

Dafür haben die Forscher einen experimentellen Ansatz gewählt, mit dem sich drei Phasen bei der Informationsverarbeitung unterscheiden lassen. Der erste Schritt wird frühe Wahrnehmungsphase genannt, der zweite zentrale Informationsverarbeitung oder Entscheidungsphase, der dritte ist die späte motorische Phase. Die Tübinger und Berliner Psychologen arbeiten im Rahmen des interdisziplinären Forschungsverbunds "ClockWORK" zusammen, der von der Daimler-Benz Stiftung gefördert wird. Sie haben nun nachgewiesen, dass der mittlere Schritt, die zentrale Entscheidungsphase vor allem nachts von etwa 23 Uhr an länger wird und den tiefsten Punkt am Morgen gegen sieben Uhr erreicht. Ihre Forschungsergebnisse werden in der Mai-Ausgabe der Fachzeitschrift Psychological Science (Bratzke, D., Rolke, B., Ulrich, R., & Peters, M. Central slowing during the night. Psychological Science, 18(5), 456-461) veröffentlicht.

Für das Experiment blieben sechs Männer 28 Stunden lang wach. Sie hatten während der Versuche keinen Anhaltspunkt, wie spät es war, sondern verbrachten die Zeit im Labor unter konstanten Lichtbedingungen. Alle zwei Stunden wurde getestet. Die Forscher wählten einen Versuchsaufbau, bei dem die Probanden jeweils zwei Aufgaben hintereinander ausführen sollen, auf die möglichst schnell reagiert werden muss und die sich zeitlich überlappen (Psychologisches Refraktärzeit Paradigma; PRP). Während ein hoher oder tiefer Ton mit dem Drücken einer linken beziehungsweise rechten Taste der linken Hand beantwortet werden soll, erscheint als zweite Aufgabe bereits auf dem Bildschirm ein "X" oder "O", woraufhin mit der rechten Hand die richtige von zwei Tasten gedrückt werden soll. Das alles passiert in Sekundenbruchteilen.

Aus früheren Untersuchungen war bekannt, dass bei Verkürzung der Zeitspanne zwischen dem Beginn der ersten und der zweiten Aufgabe von einem gewissen Punkt an die Reaktion auf die zweite Aufgabe verzögert erfolgt. Die Ausführung der ersten Aufgabe wird dabei jedoch nicht beeinträchtigt. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die längere Reaktionszeit bei der zweiten Aufgabe sozusagen mit einem Flaschenhals in der zentralen Verarbeitungsphase zusammenhängt - einer Engstelle, an der sich kurzzeitig die beiden Aufgaben stauen. Denn die erste und dritte Phase der Aufgabenlösung, Wahrnehmung und motorische Ausführung, können gleichzeitig und ohne Beeinträchtigung mit jeder anderen Phase der zweiten Aufgabe zusammen ausgeführt werden.

Indem die Forscher die Zeitspanne zwischen der ersten und zweiten Aufgabe variieren und feststellen, wie stark die zweite Reaktion jeweils verzögert ist, haben sie auch ein Maß für die Geschwindigkeit, mit der die Entscheidungsprozesse in der ersten Aufgabe ablaufen. Der Tagesrhythmus der Versuchspersonen wurde über die Melatoninkonzentration im Speichel, die Körpertemperatur und die subjektive Schläfrigkeit gemessen. Die Melatoninkonzentration beginnt zwischen 22 und 23 Uhr zu steigen. Dann sinkt die Körpertemperatur und erreicht ihr Minimum am frühen Morgen. Die kürzesten Reaktionszeiten zeigten die Versuchspersonen gegen 23 Uhr, dann wurden sie länger. Gegen sieben Uhr morgens war der Tiefpunkt mit den längsten Reaktionszeiten erreicht. Dasselbe Muster zeigte sich auch für die Verzögerung der zweiten Aufgabe. Daraus schließen die Forscher, dass sich die zentralen Entscheidungsprozesse während der Nacht verlangsamen und ihren Tiefpunkt am frühen Morgen erreichen. Da sich die Reaktionszeit im Laufe des Vormittags wieder verkürzte, gehen die Forscher davon aus, dass die gemessenen Effekte nicht nur durch den Schlafentzug, sondern im Zusammenhang mit dem Tagesrhythmus entstanden sind. Über die ganze Versuchszeit hinweg blieb die Fehlerrate der Probanden bei der Aufgabenlösung praktisch gleich.

Dass die zentrale Informationsverarbeitung einem Tagesrhythmus unterliegt und nachts langsamer wird, habe auch einige praktische Implikationen, sagen die Wissenschaftler. Denn viele Aufgaben beinhalteten die Koordination mehrerer Unteraufgaben und sollten daher von dem "Flaschenhals" in der zentralen Informationsverarbeitung betroffen sein. Andere Forscher hatten zum Beispiel vor kurzem festgestellt, dass die Aufgabe, ein Fahrzeug zu bremsen, einer solchen Verlangsamung unterliegt. Wenn am frühen Morgen die Reaktionen von Auto- oder Lastwagenfahrern sowieso verlangsamt sind und große Müdigkeit hinzukommt, müsse man, so meinen die Wissenschaftler, von einem höheren Risiko für Verkehrsunfälle ausgehen.

Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.

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