Bio-Kohle: Brennstoff der Zukunft oder Bodensubstrat?
Archivmeldung vom 24.10.2011
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtBottrop, vor einigen Jahren noch Kohlezentrum im Ruhrgebiet und heute „Innovation City“, beheimatet seit kurzem Wissenschaftler an der Hochschule Ruhr West, die aus Gras, Grünschnitt oder Gartenabfällen „Bio-Kohle“ herstellen. Mittels eines patentierten Verfahrens, der Vapothermalen Carbonisierung (VTC), empfinden Prof. Dr. Marcus Rehm, Institutsleiter Energiesysteme und Energiewirtschaft an der HRW, und seine wissenschaftlichen Mitarbeiter Anke Spantig und Julian Schwark, den Ablauf von Kohleentstehung technisch nach. In weniger als vier Stunden wird im Reaktor durch Druck- und Temperaturänderung aus Biomasse Kohle.
Herkömmlich ist ein Verfahren zur Herstellung von Kohle die so genannte „hydrothermale Carbonisierung“ unter Zugabe von Wasser. Der Chemiker Friedrich Bergius erhielt für diese Entdeckung 1931 den Nobelpreis. Ein neues Verfahren, die Vapothermalen Carbonisierung (VTC), ist eine Weiterentwicklung, bei der Kohle statt im Wasserbad in einer Dampfatmosphäre produziert wird.
Dies hat den Vorteil, dass die Reaktionsbedingungen besser beherrschbar sind; die Anlage ist besser zu steuern. Darüber hinaus ist das VTC-Verfahren kostengünstiger, da es schneller und energieeffizienter durchgeführt werden kann. In Zusammenarbeit mit der Firma Revatec GmbH wurde beweisen, dass die Carbonisierung mit Wasserdampf auch im industriellen Maßstab funktioniert. Der Vorteil des so gewonnenen Produktes: Bio-Kohle weist eine bessere thermische Verwertung als der eingesetzte Bioabfall auf - kann also besser verbrannt werden - und kann zusätzlich als Bodenhilfsstoff verwendet werden.
„In den letzten Jahren wurde die öffentliche Diskussion um künftige Energiequellen immer lauter. Der Brennstoff der Zukunft soll effizient und wirtschaftlich sein und möglichst wenige Emissionen erzeugen. Unsere Forschung beweist: Unter bestimmten Voraussetzungen ist Bio-Kohle ein sinnvoller Brennstoff“, erklärt Prof. Dr. Markus Rehm, Institutsleiter Energiesysteme Energiewirtschaft an der HRW. „Darüber hinaus kann Bio-Kohle dafür geeignet sein, die Eigenschaften von Böden zu verbessern. Auch hier haben wir bereits interessante Forschungserkenntnisse gewonnen. Durch den Inkohlungsvorgang kann die Kohle kurzfristige C02-Emissionen verhindern und die Bioaktivität stimulieren sowie bei biochemischen Vorgängen helfen, den Boden dauerhaft fruchtbarer zu machen und das Wachstum von Pflanzen zu steigern. Hierdurch kann es gelingen, aus Biomasse, die bisher ungenutzt ihren Kohlenstoff in Form von CO2 beim Prozess des Verrottens an die Atmosphäre abgibt, nutzbar und gewinnbringend in den Boden einzubringen, so Prof. Rehm weiter.
Julian Schwark, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HRW, erläutert weiter: „In Bezug auf eine thermische Nutzung, also Verbrennung, der Bio-Kohle haben wir herausgefunden, dass die Qualität stark von der Zusammensetzung der verwendeten Biomasse und der Verfahrensführung abhängt. Je nachdem, welche Zusammensetzung die Biomasse in Bezug auf aschebildende Elemente wie Kalium, Natrium, Phosphor oder Silizium hat, nimmt dies starken Einfluss auf die Emissionen bei der Verbrennung und das Ascheschmelzverhalten. Allerdings gibt es in Bezug auf die thermische Nutzung der Bio-Kohle noch erheblichen Forschungsbedarf. Insbesondere die Zusammenhäng zwischen eingesetzter Biomasse und Verfahrensführung auf die Qualität der Bio-Kohle ist für uns von Interesse. Ebenfalls betrachten und bewerten wir die verschiedenen Absatzmärkte wie Industriefeuerungsanlagen, Vergasung und auch Kleinfeuerungsanlagen für die Bio-Kohle“.
Anke Spantig, ebenfalls Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HRW, ergänzt:„Weiterhin interessiert uns der Prozess an sich: wie verläuft die Reaktion im Detail und wo bestehen Anknüpfungspunkte um den Prozess zu katalysieren, um die Energieeffizienz des Verfahrens und die Qualität sowie Ausbeute der Bio-Kohle zu verbessern.“
Ziel des Forschungsteams um Prof. Rehm ist es, durch ein Netzwerk aus Wissenschaftlern, Ingenieuren und Firmen die offenen Fragen zum Thema Energieeffizienz beim Herstellungsverfahren der Kohle selbst zu klären. Außerdem sind praktische Versuche mit Bio-Kohle im Boden und als Braunkohlesubstitut geplant. Hierbei steht vor allem die praktische Anwendbarkeit des Produktes und damit auch des Verfahrens im Vordergrund.
Über das VTC-Verfahren
Bei der Vapothermalen Carbonisierung (VTC) handelt es sich um einen exothermen Prozess der chemisch-physikalischen Umwandlung von Biomasse zu einem Brennstoff (Biokohle) ähnlich der Braun- und Steinkohle. Das Verfahren ist eine Weiterentwicklung der hydrothermalen Carbonisierung (HTC) bei dem die Umwandlung der Biomasse in Kohle anstatt in einem Wasserbad in einer Dampfatmosphäre erfolgt. Die Temperaturen, die dafür benötigt werden, liegen bei 180 bis 250 Grad Celsius. Der aufgewendete Druck liegt bei 16 bis 42 bar. Wird bei der Carbonisierung Dampf anstelle von Wasser verwendet, ergeben sich Vorteile hinsichtlich der Energieeffizienz, der Verfahrensführung und der Taktzeiten der Anlage. Die so entstehende Bio-Kohle hat im Vergleich zur vorher eingesetzten Biomasse bessere Eigenschaften hinsichtlich der thermischen Verwertung, also der Brenneigenschaften. Durch hydrolytische und polymerisierende Prozesse wird die Biomasse in einen Energieträger mit hoher Energiedichte überführt. Prinzipiell können alle organischen Materialien in Kohle umgewandelt werden. Die Spanne verwertbarer Materialien (Edukte) reicht dabei von Baumrinde und Baumabfällen aus der Forstwirtschaft über Grünabfälle bis hin zu separierten Gärresten, Landschaftspflegematerial, Bio- beziehungsweise Haus- und Industrieabfällen.
Die Vapothermale Carbonisierung ist besonders dazu geeignet Stoffe zu verwerten, die momentan noch keinen Nutzen bringen. Hierbei können auch anfallende Reststoffe aus der Ernte von Nahrungsmitteln verwendet werden. Weiterhin ergeben sich positive Effekte im Bereich der effizienten Verwendung von Ressourcen und der Verringerung von CO2-Emissionen. Das gesamte Biomassepotenzial in Deutschland wird auf ca. 8 – 12 Mio. t FS/a geschätzt.
Die Konversionstechnologie VTC steht nicht direkt in Konkurrenz mit anderen Verfahren, wie beispielsweise der Biogas- oder Pyrolysetechnik, sondern ist als Erweiterung des Angebots zur Gewinnung von CO2-neutraler Energie zu sehen. Eine Abgrenzung zu anderen Verfahren erfolgt nach ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten, wie z.B. der Wirtschaftlichkeit einer Anlage, dem Nährstoffkreislauf im Zusammenhang mit den sinkenden Reserven an Phosphor im Boden sowie der spezifischen Zusammensetzung der Edukte und dem damit verbundenen Wirkungsgrad der jeweiligen Konversionstechnologie.
Quelle: Hochschule Ruhr West