Schneller als der Wind
Archivmeldung vom 24.05.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWenn man mit seinem Segelboot genau in Windrichtung fährt, also "vor dem Wind", kann man eigentlich nicht schneller als der Wind sein - denkt man. Doch der erfahrene Segler segelt dann im Zick-Zack-Kurs. Der Weg ist zwar weiter, doch das Boot ist schneller als der Wind.
Denn es nutzt mehrere Kräfte wie Druck und Luftströmungen, die es schneller ins Ziel bringen, insbesondere wenn es noch dazu einen optimalen Rumpf und ein optimales Segel besitzt. Das Institut für Land- und Seeverkehr der Technischen Universität hat sich mit der Optimierung moderner Yachtriggs befasst.
Mit der "Dyna", einer zehn Meter langen Forschungsmessyacht, die im
"Trockendock" auf dem TIB-Gelände der TU Berlin steht, besitzt die TU Berlin
eines von lediglich zwei weltweit vorhandenen "Segeldynamometern". Das andere
steht in Japan. Ein entscheidender Vorteil, denn: "Im Allgemeinen sind die
tatsächlichen Segelgeometrien, die während des Segelns auftreten, unbekannt",
erklärt Gonzalo Tampier, einer der Wissenschaftler. Dadurch würden aufgrund der
falschen Strömungsverhältnisse Fehler in der Segeloptimierung
gemacht.
Beim Entwurf moderner Segelyachten ist die Segelleistung eines
der wichtigsten Entwurfskriterien. Neben der hydrodynamischen Optimierung des
Rumpfes sowie des Kiels und Ruders ist die aerodynamische Gestaltung des Riggs
von zentraler Bedeutung.
Die TU-Forscher konnten neben
Windkanalversuchen und numerischen Strömungsberechnungen jedoch auch mit der
"Dyna" Messungen im Segelbetrieb vornehmen, so genannte
Großausführungsmessungen. Sie installierten auf der "Dyna" ein optisches
Vermessungssystem, um die Segelgeometrien während des Segelns zu prüfen. Sechs
simultan ausgelöste Digitalkameras erfassen die Form des Segels genau in dem
Moment, in dem auch die Größen von Kraft und Segelzustand gemessen werden. Ein
Softwaremodul berechnet dann die Segelgeometrien. Daraus leiten die
Wissenschaftler Zusammenhänge zwischen Segelform und aerodynamischen Kräften ab.
Die gemessenen Segelformen werden in 3 D am Bildschirm dargestellt und stehen
damit für weitere Analysen zur Verfügung.
In die Simulationen fließen
aber auch die Daten aus den Großversuchen ein. "Unsere Crew mit
segelbegeisterten Studenten des Bereichs Schiffs- und Meerestechnik ist dafür
sowohl auf dem Wannsee als auch auf der Ostsee gesegelt, um verschiedene Kräfte
messen zu können", erklärt Gonzalo Tampier, einer der Wissenschaftler. Die
Windkanalversuche wurden sogar in Zusammenarbeit mit dem Twisted Flow Wind
Tunnel der Yacht Research Unit in Auckland/Neuseeland durchgeführt. Leiter des
inzwischen abgeschlossenen Projekts waren Prof. Dr.-Ing. Günther Clauss und
Dipl.-Ing. Wolfgang Heisen. Für den Sommer 2006 ist bereits ein Nachfolgeprojekt
geplant.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.