Gen für gefiederte Blätter
Archivmeldung vom 15.02.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtSpinat sieht anders aus als Petersilie, Basilikum hat eine andere Form als Thymian. Jede Pflanze hat eine typische Blattform, die innerhalb einer Pflanzenfamilie wechseln kann. Die Information für die Blattform ist im Erbgut hinterlegt. Forschern vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln zufolge verdankt das Behaarte Schaumkraut (Cardamine hirsuta) seine gefiederten Blätter einem Gen, das Zellteilung und -wachstum zwischen den einzelnen Blättchen hemmt. Auf diese Weise entstehen voneinander getrennte Fiederblättchen. Der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana fehlt dieses Gen. Deshalb sind seine Blätter nicht gefiedert, sondern ungeteilt und ganzrandig.
Miltos Tsiantis und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln haben das neue Gen bei einem Vergleich zwischen zwei Kreuzblütlern entdeckt: Cardamine hirsuta hat gefiederte, Arabidopsis thaliana ungeteilte Blätter. Die Forscher haben das „reduced complexity“-Gen (RCO-Gen) identifiziert, das den Blättern des Schaumkrauts eine komplexere Form verleiht. Arabidopsis fehlt dieses Gen und damit fehlen auch die Fiedern. RCO ist nur in heranwachsenden Blättern aktiv. Es sorgt dafür, dass Zellteilung und -wachstum am Blattrand zwischen den Fiederblättern unterbunden wird. „Die Blätter von Arabidopsis sind ungeteilt und ganzrandig, weil die Wachstumshemmung durch das RCO-Gen unterbleibt“, erklärt Tsiantis. “Ohne den Vergleich beider Pflanzen hätten wir diesen Unterschied nie entdeckt, denn wo kein Gen mehr ist, kann man auch nichts mehr finden“, so Tsiantis weiter.
Eine Mutation in einer Pflanze des Behaarten Schaumkrauts brachte die Wissenschaftler auf die Spur des RCO-Gens. Ohne das Gen kann auch das Schaumkraut keine Fiederblätter ausbilden. Das RCO-Gen gehört zu einer Gruppe von drei Genen, die während der Evolution durch die Vervielfältigung eines einzigen Gens entstanden sind. Die ursprüngliche Dreier-Gruppe besteht bei der Ackerschmalwand nur noch aus einem einzigen Gen. Wenn die Wissenschaftler der Ackerschmalwand im Labor das RCO-Gen des Schaumkrauts zurückgeben, wird die Evolution teilweise rückgängig gemacht. „Die einfachen ovalen Blätter von Arabidopsis bilden dann tiefe Einbuchtungen“, sagt Tsiantis, „Die Tatsache, dass die Blattform allein durch den Transfer des RCO-Gens wieder komplexer wird, zeigt, dass der größte Teil des Apparats für die Ausbildung der Fiedern bei der Ackerschmalwand noch vorhanden sein muss und nicht zusammen mit dem RCO-Gen verloren gegangen ist“.
Das Forscherteam hat sich zudem den DNA-Code des RCO-Gens genauer angeschaut und herausgefunden, dass es zu den sogenannten Homeobox-Genen gehört. Das Gen zählt zu den Homeobox-Genen. Diese Gene funktionieren wie genetische Schalter, indem sie andere Gene an- oder abschalten. Die Wissenschaftler konnten des Weiteren zeigen, dass RCO nur die Blattform beeinflusst. Es entscheidet nicht darüber, ob überhaupt Blätter entstehen. Der Verlust des RCO-Gens führt beim Behaarten Schaumkraut zu keinen anderen sichtbaren Veränderungen. Seine Wirkung beschränkt sich also nur auf die Wachstumshemmung am Blattrand. RCO arbeitet dabei nicht mit dem Pflanzenhormon Auxin zusammen. Seine Eigenschaften machen das RCO-Gen vermutlich zu einer wichtigen Triebfeder der Evolution der Blattform – mehr als jedes andere bisher entdeckte Gen. Tsiantis und seine Kollegen wollen in den kommenden Monaten seine genaue Wirkweise entschlüsseln.
Die Wissenschaftler haben auch die beiden Gene untersucht, die mit RCO eine Gruppe bilden und die während der Evolution durch die Verdoppelung eines Vorläufergens entstanden sind. Sie wollten wissen, wie die neue Funktion von RCO entstanden ist. Offensichtlich liegt der wesentliche Unterschied in den Kontrollregionen der Gene, nicht in den Proteinsequenzen. Diese legen fest, wann und wo das jeweilige Gen abgelesen wird. Bringt man eines der anderen beiden Gene unter die Ägide der RCO-Kontrollregion, bildet Arabidopsis komplexe Blätter. Das behaarte Schaumkraut verdankt seine gefiederten Blätter also vor allem der Kontrollregion des RCO-Gens.
Quelle: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. (idw)