Die Türen zum Reich der Königin von Saba öffnen
Archivmeldung vom 20.02.2013
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Freigeschaltet durch Manuel Schmidt„Wenn wir die Sprache nicht verstehen, dann bleibt uns eine ganze Welt verschlossen“, sagt Prof. Dr. Norbert Nebes von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die Rede ist vom antiken Königreich Saba im heutigen Jemen, wo Sabäisch gesprochen wurde. Prof. Nebes ist einer der wenigen Wissenschaftler weltweit, die diese Sprache beherrschen und damit die Türen zu dieser alten orientalischen Kultur öffnen. Doch bisher konnten Forscher die Geschichte der Sabäer und ihrer Könige, die ihre schriftlichen Zeugnisse von 800 vor bis ins 6. Jahrhundert nach Christus hinterließen, nur lückenhaft rekonstruieren.
Diesen „schwarzen Fleck auf der kulturhistorischen Landkarte“ zumindest teilweise zu entfernen, das ist Ziel eines jüngst gestarteten Forschungsprojekts des Orientalisten Norbert Nebes. Gemeinsam mit seinem Team wird der Lehrstuhlinhaber für Semitische Philologie und Islamwissenschaft ein umfangreiches Wörterbuch des Sabäischen erarbeiten. Es wird das erste Lexikon überhaupt sein, welches den gesamten sabäischen Wortschatz vollständig erschließt. Das Vorhaben ist für insgesamt neun Jahre bewilligt und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in den ersten drei Jahren mit knapp 500.000 Euro gefördert. Das Projekt ermöglicht die Schaffung von zwei Wissenschaftlerstellen sowie die Beschäftigung eines Programmierers.
Die Jenaer Wissenschaftler erforschen nicht nur die Sprache des Reiches der sagenumwobenen Königin von Saba. Mit ihrer lexikographischen Arbeit liefern sie auch einen wichtigen Schlüssel zur Entstehungsgeschichte des Islam. „Viele arabische Wörter im Koran finden sich schon im Sabäischen“, erklärt Nebes. Das geplante Wörterbuch verstehen die Wissenschaftler daher als ein interdisziplinäres Nachschlagewerk, etwa für Islamwissenschaftler, Althistoriker, Archäologen und Theologen. „Denn die sabäische Sprache spielt eine wichtige Vermittlerrolle zwischen den altorientalischen Kulturen und dem Islam“, verdeutlicht Nebes.
Die Forscher werden eine Datenbank mit bereits digitalisierten sabäischen Inschriften nutzen, die seit den frühen 1990er Jahren am Jenaer Lehrstuhl aufgebaut wurde und 10.000 altsüdarabische Inschriften enthält. Etwa die Hälfte der Texte ist in sabäischer Sprache verfasst. Alltägliche Dinge haben die Sabäer auf Holzstäbchen geritzt; meist sind es jedoch Monumentalschriften in Tempeln, an Bauwerken und „auch oft an geeignetem Fels“, sagt Norbert Nebes.
Damit das Wörterbuch „nicht als dicker Schinken im Regal verstaubt“, planen Nebes und sein Team die Veröffentlichung im Internet. „Ein Online-Wörterbuch ist für jedermann zugänglich und wir können es jederzeit aktualisieren“, beschreibt der Jenaer Orientalist die Vorteile. Zudem gehen die Forscher bei ihrer Wörtersuche nicht alphabetisch, sondern modular vor. Projektmitarbeiterin Dr. Anne Multhoff erläutert das unkonventionelle Konzept: „Wir nehmen uns Schritt für Schritt verschiedene Textgruppen vor – so, als würden wir ein Wörterbuch der deutschen Sprache anhand Grimms Märchen erstellen und es dann darauf aufbauend erweitern.“ Zu jedem entdeckten Wort werten die Wissenschaftler dann seine Bedeutung und die Fundstellen aus. Zuerst werden die Jenaer Forscher die Inschriften aus der Oase der sabäischen Hauptstadt Marib untersuchen; anschließend widmen sie sich juristischen Urkunden und anderen Rechtstexten.
Nebenbei bietet das Vorgehen der Wissenschaftler einen weiteren Vorteil: Potenzielle Nutzer müssen nicht neun Jahre warten, bis sie das sabäische Wörterbuch verwenden können. Eine erste Version des Wörterbuches mit den Texten aus Marib soll schon Ende des Jahres online gehen – und die Türen nach Saba weit öffnen.
Quelle: Friedrich-Schiller-Universität Jena (idw)