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Der Klimawandel und das Leben im Südlichen Ozean

Archivmeldung vom 27.11.2007

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.11.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Antarktischer Krill Foto: Uwe Kils / Alfred-Wegener-Institut
Antarktischer Krill Foto: Uwe Kils / Alfred-Wegener-Institut

Mit einer zehnwöchigen Expedition in die Lazarewsee und an den östlichen Rand des Weddellmeeres beginnt die diesjährige antarktische Forschungssaison der Polarstern.

Polarstern in der Atka-Bucht . Foto: Jonas Ziegler / Alfred-Wegener-Institut
Polarstern in der Atka-Bucht . Foto: Jonas Ziegler / Alfred-Wegener-Institut

Am Abend des 28. November, nur rund zwei Stunden nach einer offiziellen Feierstunde zu Ehren seines 25-jährigen Dienstjubiläums im Berliner Museum für Naturkunde, wird das wohl bekannteste deutsche Forschungsschiff von Kapstadt aus zu seiner 24. wissenschaftlichen Reise in den Südlichen Ozean aufbrechen. An Bord befinden sich 53 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus acht Nationen, deren Forschungsprojekte vor allem der Klimaforschung im Rahmen des Internationalen Polarjahres gewidmet sind. Im ersten Teil der Fahrt versorgt Polarstern außerdem die deutsche Neumayer-Station und begleitet das Frachtschiff "Naja Arctica", welches das Baumaterial für die neue Forschungsstation Neumayer III in die Antarktis transportiert. Am 04. Februar 2008 wird Polarstern wieder in Kapstadt erwartet.

"Mit unseren Forschungsarbeiten wollen wir die physikalischen und biologischen Prozesse im Antarktischen Zirkumpolarstrom und im Weddellwirbel besser verstehen, die für das Klimageschehen der Erde eine herausragende Rolle spielen", erläutert Fahrtleiter Prof. Dr. Ulrich Bathmann vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft das wissenschaftliche Kernziel der Expedition. In diesen beiden Meeresströmungen südlich des Atlantischen Ozeans binden Planktonalgen durch ihr Wachstum im Sommer erhebliche Mengen des Klimagases Kohlendioxid. Absinkende Algen transportieren den Kohlenstoff dann in die antarktische Tiefsee, wo sie den Organismen am Meeresboden, zum Teil in über 4000 Meter Wassertiefe, als Nahrung dienen. "Die Effektivität dieser biologischen Pumpe wird unter anderem von Nährsalzen, der physikalischen Dynamik in der ozeanischen Deckschicht und den beteiligten Algenarten bestimmt", so Bathmann. "Diese komplexen Wechselwirkungen wollen und müssen wir genauer erforschen, um wissenschaftliche Klimaprognosen weiter optimieren zu können."

Das Forschungsgebiet, das Polarstern während dieser Mission durchfährt, liegt zwischen 40 und 70 Grad südlicher Breite und damit zwischen der so genannten Subtropischen Konvergenz, einer hydrologischen Grenze, die die antarktische Meereswelt vom Atlantik trennt, und dem Antarktischen Kontinent. Neben ihrer übergreifenden Relevanz für die Klimaforschung sind die wissenschaftlichen Arbeiten auf Polarstern dabei Teil von drei großen internationalen Verbundprojekten im Rahmen des Internationalen Polarjahres.

Das Forschungsprogramm SCACE (Synoptic Circum-Antarctic Climate And Ecosystem Study) untersucht physikalische und biologische Zusammenhänge im Antarktischen Zirkumpolarstrom und vergleicht aktuell gemessene Parameter mit historischen Daten. "Der antarktische Zirkumpolarstrom ist eine mehrere hundert Kilometer breite Meeresströmung, die rund um den antarktischen Kontinent verläuft und alle großen Ozeane miteinander verbindet. Gleichzeitig isoliert er die Antarktis", erklärt Ulrich Bathmann. "Diese große Meeresströmung transportiert Wärme und Süßwasser, spielt eine zentrale Rolle in der Verteilung gelöster Substanzen und ist Heimat verschiedenster Ökosysteme, die sich bei klimatischen Änderungen ggf. auch gegenseitig ersetzen können. Die beteiligten Planktonalgen besitzen darüber hinaus hohes Potential zur Bindung atmosphärischen Kohlendioxids", ergänzt der Meeresbiologe zur Bedeutung des Zirkumpolarstroms für das System Erde. Gleichzeitig sind die natürlichen Systeme des Südozeans ihrerseits sehr empfindlich gegen global wirkende Änderungen. Eine zentrale Aufgabe des SCACE-Programms besteht deshalb darin, ökologische Veränderungen gegenüber vergangenen Jahrzehnten aufzuspüren und mögliche Ursachen hierfür zu finden.

Eine besondere Rolle für die Nahrungsnetze im Südlichen Ozean spielt der Krill. Diese Krebstierart, die auch für künftige wirtschaftliche Nutzungen interessant sein könnte, ist zwar in einigen wenigen antarktischen Meeresgebieten - zum Beispiel rund um die Antarktische Halbinsel - relativ gut untersucht. Dabei hat sich allerdings gezeigt, dass die saisonalen Überlebensmechanismen von Krill regional sehr unterschiedlich sind. Verallgemeinernde Aussagen zu Beständen anderer Regionen sind durch lokale Studien deshalb nicht möglich. Das Forschungsprojekt LAKRIS (Lazarav Sea Krill Study) wird daher den Lebenszyklus, die Verbreitung und die Physiologie von Krillbeständen in der Lazarewsee detailliert untersuchen. Nach bisherigen Erkenntnissen kommt diese Tierart dort in großen Mengen vor. "Auch hierbei treibt uns vor allem die Frage um, ob bzw. wie gut sich der antarktische Krill auf mögliche Umweltänderungen einstellen kann", stellt Ulrich Bathmann den Zusammenhang zur Klimaforschung her. Die LAKRIS-Studie komplettiert ähnliche großräumige Untersuchungen in anderen Regionen der Antarktis.

Während die Schelfgebiete rund um den antarktischen Kontinent bereits relativ gut bekannt sind, ist die antarktische Tiefsee praktisch noch unerforscht. Hier setzt das dritte Projekt der Expedition an: ANDEEP-SYSTCO, geleitet von Prof. Dr. Angelika Brandt vom Zoologischen Institut der Universität Hamburg. Hinter dem Kürzel steckt ein Programm zur Erforschung der antarktischen Tiefsee, das verschiedene Regionen im mehrere tausend Meter tiefen Südpolarmeer untersucht und dabei vor allem die Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Wasserkörper und Meeresboden analysieren will. "Da wir in der Tiefseeforschung immer wieder in unbekannte Welten vorstoßen, erwarten wir eine Reihe neuer, faszinierender Erkenntnisse zur biologischen Vielfalt im Meer, vielleicht auch die Entdeckung bisher unbekannter Arten", erläutert Fahrtleiter Bathmann. Die Polarstern-Expedition ist deshalb auch Teil von zwei großen weltweiten Forschungsinitiativen, die die Vielfalt marinen Lebens studieren: den "Census of Antarctic Marine Life (CAML)" und den "Census of the Diversity of Abyssal Marine Life (CeDAMar). Beide sind Teilprogramme des so genannten "Census of Marine Life".

Bevor die Polarstern am 28. November in Kapstadt ablegt, wird Ulrich Bathmann zunächst jedoch an der Berliner Feierstunde zum Dienstjubiläum des Schiffes teilnehmen. Nicht persönlich, aber live per Telefon. "Dieses Schiff hat so viele hervorragende wissenschaftliche Erkenntnisse ermöglicht, da hat es eine besondere Würdigung verdient", sagt der Wissenschaftler, der schon viele Expeditionen auf Polarstern begleitet hat. "Ich freue mich, dass ich hierzu einen persönlichen Beitrag leisten kann."

Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.

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