Wie wir suchen und finden
Archivmeldung vom 27.09.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.09.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSchon lange existieren verschiedenste Theorien darüber, wie es Menschen gelingt, in einer Welt voll von Objekten, ganz bestimmte Dinge zu suchen und auch zu finden. Denn so einfach ist das nicht.
Würde man jeden Gegenstand einzeln nacheinander betrachten, bräuchte man
beispielsweise Stunden, um in der unordentlichen Wohnung seine rote Mütze wieder
zu finden. Leipziger Wissenschaftler bestätigen jetzt eine andere
Vorgehensweise: die parallele Suche. "Dabei bedient sich das Gehirn eines
Tricks", so Prof. Matthias Müller, vom Institut für Psychologie I. "Es ruft sich
Merkmale des Gegenstandes ins Gedächtnis und sucht dann gleichzeitig alle
Gegenstände gezielt danach ab."So findet man seine rote Mütze im Chaos nur
deshalb, weil man zunächst, mehr oder weniger unterbewusst, nur auf das Merkmal
'rot' achtet.
Was genau bei dieser parallelen Suche im menschlichen
Gehirn abläuft, konnten die Wissenschaftler jetzt erstmals in einer EEG-Studie
zeigen: "Sobald sich die Versuchsperson im Experiment nur auf die roten Punkte
auf einem Bildschirm konzentrieren sollte, erhöhte sich die Aktivierung der
Hirnregionen - in der Sehrinde im Hinterkopf - die das Merkmal 'rot'
verarbeiten. Interessanterweise war dabei auch das Hirnareal erregter, das
einkommende Sehinformationen als erstes analysiert: die so genannte primäre
Sehrinde.
Unser Gehirn aktiviert also die Bereiche stärker, die für die
Verarbeitung des gesuchten Merkmals zuständig sind und meldet es dann der
primären Sehrinde. "Damit entsteht ein Netzwerk.", erklärt Prof. Müller "Es
bewirkt, dass schon die primäre Sehrinde wie ein Filter funktioniert und nur das
Merkmal ('rot') hervorhebt, was wir suchen. Der Rest (z.B. 'blau') wird
sozusagen ausgeblendet. Dadurch finden wir schneller was wir suchen." In unserer
unaufgeräumten Wohnung fallen uns also zunächst nur alle roten Dinge ins Auge.
Zwischen einem roten Pullover, einer roten Dose und einem Buch mit rotem Einband
ist unsere rote Mütze dann schnell entdeckt.
Veröffentlicht wurden die
spannenden Erkenntnisse zur visuellen Suche beim Menschen, die in Zusammenarbeit
mit dem Zentrum für Neurowissenschaften in Havanna/ Cuba und der Universität San
Diego/ Kalifornien entstanden, nun in der Fachzeitschrift PNAS.
Originalveröffentlichung: M. M. Müller, S. Andersen, N. J. Trujillo, P.
Valdés-Sosa, P. Malinowski, and S. A. ,Hillyard, Feature-selective attention
enhances color signals in early visual areas of the human brain. PNAS Vol. 103,
14250-14254
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.