"Air-Quad": komplexes Navigationssystem auf engstem Raum
Archivmeldung vom 27.10.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSchnelle Hilfe, ohne die eigene Sicherheit zu gefährden - dieser Herausforderung sehen sich Rettungsteams bei Katastrophen wie Erdbeben, Großbränden und Chemieunfällen gegenüber.
Sie erhalten jetzt Unterstützung aus der Luft: Unter der Leitung von Professor Dr. Gert F. Trommer hat das Institut für Theoretische Elektrotechnik und Systemoptimierung (ITE) der Universität Karlsruhe den Mini-Helikopter "Air-Quad" entwickelt - ein autonom fliegendes Beobachtungsgerät mit vier Rotoren, das über mögliche Gefahren am Einsatzort informiert. "Das programmierbare Flugverhalten haben wir mit einem komplexen
Navigationssystem realisiert. Dadurch sind ein gezielter Anflug und die
Beobachtung mit einer Kamera möglich, auch außerhalb der Reichweite einer
Funkstrecke und ohne Eingreifen eines Piloten", erklärt Professor
Trommer.
Der Mini-Helikopter kann die Helfer beispielsweise nach einem
Erdbeben bei der Suche nach Verletzten in einem einsturzgefährdeten Gebäude
unterstützen. Er kann von außen in unzugängliche Stockwerke blicken und soll
zukünftig auch in ein Gebäude hineinfliegen, um Zimmer und Flure abzusuchen.
"Ich kann dem Gerät den Auftrag geben: Fliege zu diesem Punkt, bleibe zwei
Minuten, mache Fotos und komme dann zurück - ohne dass ich während des Fluges
eingreifen muss", so Oliver Meister, ein Mitarbeiter von Professor Trommer am
Air-Quad-Projekt. Der Helikopter kann dabei eine Strecke entlang programmierter
Punkte abfliegen oder einen Beobachtungspunkt einnehmen, an dem er mit einer
bestimmten Blickrichtung schwebt.
Hinter diesen Fähigkeiten steht ein neu
entwickeltes integriertes Navigationssystem: Die Daten der Sensoren werden
situationsbedingt mit einem Algorithmus so kombiniert, dass sich Genauigkeit und
Robustheit des Systems auf ein Maß steigern, das keines der Teile allein
erreichen könnte. Wesentlicher Bestandteil sind besonders leichte und Platz
sparende MEMS-Sensoren (Micro-Electro-Mechanical System), die die Drehraten und
die Beschleunigung des Air-Quad messen. Um mögliche Fehler auszugleichen, haben
Trommer und seine Mitarbeiter Komponenten hinzugefügt, die das System mit
weiteren Daten stützen: einen GPS-Satelliten-Empfänger zur Positionsbestimmung,
einen Magnetfeldsensor zur Bestimmung der Nordrichtung, sowie einen
Luftdrucksensor zur zentimetergenauen Höhenregelung. Die Daten aller Komponenten
werden zusammengeführt und ermöglichen dann genaue Informationen zu Position,
Geschwindigkeit und Ausrichtung des Fluggeräts. Ein Flugregler überprüft die
Fluglage kontinuierlich und korrigiert sie gegebenenfalls. Mit diesem Regler und
dem Autopiloten ist der Air-Quad in der Lage, den vorgegebenen Flugpfad
selbstständig zu verfolgen.
Es ist jedoch auch möglich, dass ein Pilot
den Helikopter bedient. Über eine Videobrille empfängt der Nutzer dann die vom
Helikopter gesendeten Bilder. Der Air-Quad ist damit auch steuerbar, wenn er
sich außerhalb der Sichtweite des Nutzers befindet. Die maximale Reichweite der
Videoübertragung beträgt derzeit rund 1000 Meter.
Die Steuerung erfolgt
ausschließlich über die Drehzahl der vier Rotoren des Air-Quad. Dieses
mechanisch vergleichsweise einfache Konzept der vier Rotoren reduziert die
Kosten und den Wartungsaufwand gegenüber einem klassischen Helikopter erheblich.
Der Air-Quad ist mit einem Lithium-Ionen-Akku ausgestattet, der eine Flugzeit
von bis zu 25 Minuten erlaubt - das entspricht im Einsatz einem Aktionsradius
von vier bis fünf Kilometern. Das bei einer Achsenlänge von 45 Zentimetern
maximal 1000 Gramm leichte Gerät aus Karbon verfügt über eine Nutzlast von 200
Gramm. Anstelle einer TV- oder Digitalkamera kann der Air-Quad auch andere
Messgeräte mitführen, zum Beispiel eine Infrarot-Nachtsichtkamera oder chemische
Sensoren.
Langfristiges Ziel des ITE-Projektes ist es, dass der Air-Quad
im Security-Bereich vollständig autonom einsetzbar ist. Er soll dann in der Lage
sein, ein Gelände zu beobachten und Störungen selbstständig zu überprüfen. In
Einsatzszenarien, in denen die Reichweite oder die Leistungsfähigkeit eines
Systems nicht ausreicht, soll die Aufgabe auf mehrere vernetzte Systeme verteilt
werden. Zudem will das ITE die Verarbeitung der Bilder, die der Air-Quad
aufnimmt, so verbessern, dass er automatisch Bewegungen, zum Beispiel von
Fahrzeugen, erkennen, verfolgen und eindeutig lokalisieren kann.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.