Kamele liefern leuchtende Nanosonden für die Forschung
Archivmeldung vom 25.10.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAntikörper sind die Schlüsselreagenzien zum Nachweis biologischer Moleküle und Strukturen in Forschung, Diagnostik und Therapie. Aufgrund ihres hoch variablen Aufbaus lassen sich Antikörper gegen ein breites Spektrum unterschiedlichster Antigene erzeugen. Für den Einsatz in lebenden Zellen aber sind konventionelle Antikörper zu groß und instabil.
Ein internationales Forscherteam um Professor Heinrich Leonhardt, am Biozentrum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, entwickelte jetzt mit Erfolg sehr viel kleinere Moleküle zum Nachweis von Antigenen in lebenden Zellen. Als Vorlage dieser Moleküle dienten einzelkettige Antikörper von Kamelen und den nahe verwandten Alpakas. Wie in der online-Ausgabe von "Nature Methods" berichtet, entstehen durch die Fusion einer Untereinheit der Kamelantikörper mit fluoreszierenden Proteinen extrem kleine "Chromobodies", mit denen erstmals Antigene und deren Dynamik in lebenden Zellen nachgewiesen werden können. "Der Ansatz hat das Potential, die Forschung in Bereichen der Biomedizin, Zellbiologie und Proteomik zu revolutionieren", so Leonhardt. "Diese neue Technologie bietet zudem eine interessante Alternative zur traditionellen Antikörperherstellung im Tier".
Antikörper gehören zum Abwehrarsenal des Immunsystems höherer Wirbeltiere und sind dabei wahre Verwandlungskünstler. Jedes dieser Immunmoleküle erkennt hoch spezifisch eine andere Struktur. Als wichtiges Werkzeug der biomedizinischen Forschung und Diagnostik hat sich deshalb die seit Jahrzehnten praktizierte Antikörperfärbung etabliert. Dabei werden gezielt Antikörper für eine gesuchte biomolekulare Struktur produziert und mit einem Marker gekoppelt. Ist die entsprechende Struktur in einer Zelle oder einem Gewebe vorhanden, wird der Antikörper daran binden, was wiederum über den Marker nachgewiesen werden kann. Mit dieser Methode können zwar einzelne Schnappschüsse gewonnen, aber keine dynamischen Prozesse in lebenden Zellen untersucht werden.
Zunehmend interessiert sich die Wissenschaft aber auch für die Dynamik zellulärer Prozesse: Es geht nicht mehr nur um die Frage, wo und in welcher Menge sich ein Protein zu einem gegebenen Zeitpunkt in der Zelle befindet. Vielmehr soll jetzt geklärt werden, wie sich Proteine in der Zelle bewegen und dabei verändert werden. Die bisher genutzten Antikörper - meist in Kaninchen oder Mäusen erzeugt - werden in lebenden Zellen aber nicht korrekt zusammengesetzt und sind somit nicht aktiv. Diese konventionellen Antikörper bestehen aus vier Bestandteilen: zwei identischen so genannten schweren Ketten und zwei identischen leichten Ketten, die zusammen eine Y-förmige Struktur bilden. Dabei sind aber nur Teilbereiche an der eigentlichen Antigenerkennung beteiligt.
"Kamele und Alpakas besitzen jedoch zusätzlich wesentlich kleinere, einzelkettige Antikörper", berichtet Leonhardt. "Für unseren Ansatz haben wir wiederum nur die antigenbindende Domäne dieser einzelkettigen Antikörper verwendet, die insgesamt zehnmal kleiner ist als konventionelle Antikörper und daher auch Nanobodies - nach dem griechischen Wort 'nanos' für 'Zwerg' - genannt werden. Durch Fusion mit fluoreszierenden Proteinen haben wir jetzt leuchtende Nanosonden, so genannte 'Chromobodies' erzeugt. Dank ihrer geringen Größe und ihrer Stabilität können Chromobodies sogar in lebenden Zellen eingesetzt werden. Diese leuchtenden Designermoleküle können von den Zellen selbst produziert werden, heften sich dort an die entsprechenden Antigene und verfolgen deren Weg und Schicksal in lebenden Zellen." Dabei beschränkt sich das Verfahren nicht nur auf Proteine. Es können jetzt ebenso deren chemische Modifikationen und andere Zellkomponenten untersucht werden, was bislang unmöglich war.
Aber auch auf anderer Ebene ergeben sich neue Möglichkeiten. Bislang werden konventionelle Antikörper in Tieren, vor allem in Kaninchen, Mäusen, Ratten, Hühnern, Ziegen und Schafen, hergestellt. Die Chromobody-Technologie bietet hierzu eine viel versprechende Alternative. Die Antikörpervielfalt kann nun dank der einfachen Struktur von Chromobodies in künstlichen, molekularen Bibliotheken angelegt werden. "Während meiner Doktorarbeit habe ich selbst noch Antikörper in Kaninchen produziert", berichtet Dr. Ulrich Rothbauer, Erstautor der Veröffentlichung und damit maßgeblich an der Studie beteiligt. "Deshalb freue ich mich umso mehr, dass wir jetzt eine echte und äußerst effiziente Alternative zum Tiereinsatz entwickeln konnten. Wir haben mittlerweile Bibliotheken mit Milliarden solcher Chromobodies angelegt und konnten daraus bereits spezifische Sonden für verschiedene biologische Zielstrukturen gewinnen."
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.