Kryptozoologie: Was ist Nessie? Ein Saurier, eine Seeschlange oder ein Riesenwurm
Archivmeldung vom 30.09.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWas das „Loch-Ness-Monster“ in Wirklichkeit ist, weiß man bis heute nicht genau. „Nessie“ wurde seit der ersten „modernen Sichtung“ von 1933 unter anderem als Plesiosaurier, Ur-Wal, Seeschlange, Riesenwurm, Dinosaurier, Wasserpferd, Molch, Salamander, Stör, Tintenfisch, Wels, Fluss- oder Seedelphin, Monster-Aal, Wasservogel, Seehund, Seekuh, Wal, Fischotter, Baumstamm, Unterwasserwelle, Froschmann oder Unterseeboot gedeutet.
Plesiosaurier
Weil die Beschreibungen vieler Augenzeugen, die „Nessie“ seit der ersten „modernen Sichtung“ am 14. April 1933
beobachtet haben wollen, am ehesten zu einem urzeitlichen Plesiosaurier passen,
halten viele Kryptozoologen das „Ungeheuer vom Loch Ness“ für ein solches
räuberisches Urzeit-Reptil. Sogar renommierte Lexika wie der Brockhaus erwähnen
die Plesiosaurier-Theorie. Saurierexperten wie der Stuttgarter
Wirbeltierpaläontologe Dr. Rupert Wild (Foto oben) weisen aber darauf hin, dass
die Plesiosaurier bereits vor mehr als 65 Millionen Jahren ausgestorben sind und
es ihnen heute im Loch Ness zu kalt wäre.
Ur-Wale
Das
„Loch-Ness-Monster“ könnte nach Ansicht des amerikanischen Kryptozoologen Roy P.
Mackal ein räuberischer Ur-Wal (Archaeoceti) sein, der sich von Fischen ernährt.
Einer der bekanntesten ausgestorbenen Ur-Wale ist der bis zu 20 Meter lange
Basilosaurus (Zeuglodon).
Seeschlange
Als Kandidat für das
„Loch-Ness-Monster“ gilt auch eine riesige Seeschlange. Dieser Theorie zufolge
soll die Seeschlange durch Unterwasser-Tunnels aus dem Meer zum Grund des
schottischen Hochlandsees schwimmen.
Riesenwurm
F. W. („Ted“)
Holiday, ein schottischer Journalist und Buchautor über das Angeln, vertrat in
seinem Buch „The Great Orm of Loch Ness“ (1968) die ungewöhnliche Theorie, das
„Loch-Ness-Monster“ sei ein riesenhafter im Wasser lebender Wurm. Dieses
Weichtier grabe sich auf dem Grund des Sees ein oder hause in Höhlen. Wenn kein
Wind gehe und das Wasser ruhig sei, komme der Wurm ans Ufer des Loch Ness.
Dinosaurier
Nur ganz selten liest man, das „Loch-Ness-Monster“ sei
ein bis in die Gegenwart überlebender Dinosaurier. Solche „Schreckensechsen“
sollen auch in afrikanischen Regenwäldern gesichtet worden sein. Nessie“-Fans
begehen im Internet gar nicht selten den Fehler, die in Wirklichkeit zu den
Flossenechsen (Sauropterygia) gehörenden Plesiosaurier irrtümlich den
Dinosauriern (Saurischia und Ornithischia) zuzurechnen.
Wasserpferd
Sogar die seit Alters her in Schottland bekannten mythischen Wassergeister
in Pferdegestalt („Kelpies“, „Water Horse“ oder „Each Uisge“ genannt) werden
mitunter als „Loch-Ness-Monster“ gedeutet. Einst hieß es, sie lauerten im
Schilf, warteten auf arglose Menschen, die sich zu nahe ans Wasser wagten,
packten ihre Opfer, zerrten sie ins Wasser und ertränkten sie.
Molche
oder Salamander
Nach Ansicht von Wissenschaftlern, die sich 1976 an einer
viermonatigen Forschungskampagne im Loch Ness beteiligt haben, könnte „Nessie“
ein Molch oder ein Salamander sein. Sie registrierten bei der Sonar-Erkundung
des Sees „große sich bewegenden Objekte “, die mit den bisherigen zoologischen
Erkenntnissen über die Tierwelt vom Loch Ness nicht erklärbar sind.
Störe
Der schottische Naturforscher Adrian Shine, Koordinator des
wissenschaftlichen „Loch Ness and Morar Project“ und Designer einer
multimedialen „Nessie“-Ausstellung in Drumnadrochit, wies 1993 in der
Zeitschrift „Scottish Naturalist“ dar-auf hin, dass die Sichtungen von „Nessie“
teilweise auf Störe zurückgeführt werden könnten. Solche mehr als 3 Meter langen
und durch ihre Kielschuppen auf dem Rücken etwas an den Schuppenkamm einiger
Reptilien erinnernde Fische drängen in britische Flüsse ein, um dort zu laichen.
Der bisher größte Stör der Welt wurde in Russland gefangen: Er war mehr als 8
Meter lang und über 200 Jahre alt!
Tintenfisch
Riesige Tintenfische
– wie Kraken oder Oktopoden – werden heute kaum noch ernsthaft als Kandidaten
für das „Loch-Ness-Monster“ diskutiert, da sie nur im Meer vorkommen und Loch
Ness ein – allerdings mit dem Meer in Verbindung stehender – Süßwassersee ist.
In den frühen 1920-er Jahren nährte der Fund eines etwa 9 Meter langen
jugendlichen Tintenfisches an der Küste der kanadischen Provinz Nova Scotia
vorübergehend das Gerücht, „Nessie“ könne ein solches Tier sein. 1930 vertrat
der amerikanische Zoologe William Beebe (1877–1962) die Theorie, das
„Loch-Ness-Monster“ sei ein Tintenfisch. Als größter Tintenfisch gilt der bis zu
18 Meter lange Riesenkrake Architheuthis, der eine Länge bis zu 18 Metern
erreicht.
Welse, Fluss- oder Seedelphine und Lurche
Der Stuttgarter
Wirbeltierpaläontologe Dr. Rupert Wild schließt nicht aus, dass es sich bei den
Sichtungen im Loch Ness um große Welse, Fluss- oder Seedelphine, die ähnlich wie
vorzeitliche Fischsaurier (Ichthyosaurier) aussehen, oder um große Lurche
handelt. Welse erreichen eine Länge bis zu mehr als 3 Metern.
Monster-Aale
Der schwedische Kryptozoologe Jan-Ove Sundberg meint,
„Nessie“ sei mit einem „Monster-Aal“ verwandt. Er vermutet im Loch Ness etwa 30
solcher Tiere. Manche Augenzeugen wollen dort weiße Aale mit Mähnen gesehen
haben. Kryptozoologen glauben, es gebe in manchen Gewässern mehr als 30 Meter
lange Riesenaale, seit 1930 das Forschungsschiff „Dana“ eine ungewöhnlich große
Aallarve entdeckt hat. Riesige aalähnliche Seemonster wurden im Loch Suaninbhal
in Schottland und im Lough Graney in Irland gesichtet.
Enten und
Kormorane
Zumindest ein gewisser Teil der „Nessie“-Sichtungen ist auf
fehlgedeutete Beobachtungen von Wasservögeln zurückzuführen. Oft wurden Enten
oder die von ihnen im See erzeugten Wellen als langhalsige Monster verkannt.
Auch Kormorane hat man bereits irrtümlich für Seeungeheuer gehalten
Seehunde, Seekühe und Wale
Oft wurde spekuliert, „Nessie“ könne ein
Seehund, eine Seekuh oder ein Wal mit einem langem Hals sein. Der belgische
Kryptozoologe Bernard Heuvelmans (1916–2001) vertrat 1965 die Hypothese, bei
„Nessie“ und anderen Seeungeheuern könnte es sich um eine langhalsige Seekuh
handeln, die er Megalotaria longocollis nannte. Auch der Autor Peter Costello
meinte 1974 in seinem Buch „In Search of Lake Monsters“, das „Loch-Ness-Monster“
sei eine langhalsige Seekuh.
Fischotter, Seehunde, Rehe und Wasservögel
Der schottische Naturforscher Adrian Shine wies darauf hin, dass Augenzeugen
leicht Dinge falsch interpretieren oder unbewusst ihre Phantasie zu Hilfe
nehmen. Zum Beispiel könnten Fischotter oder aus dem Meer eingewanderte Seehunde
als „Nessie“ verkannt werden. Sogar Rehe seien schon beim Schwimmen im Loch Ness
beobachtet worden. Schwimmende Wasservögel hielte man gelegentlich für
langhalsige Seeungeheuer.
Baumstämme
Die Beobachtungen von „Nessie“
werden von manchen Forschern mit im Loch Ness umhertreibenden Baumstämmen
erklärt. In solchen Stämmen befände sich teilweise verrottendes Schilfgras, das
durch austretende Gase zu einem Rückstoß-Antrieb führe.
Unterwasserwellen
Der schottische Naturforscher Adrian Shine
erklärte angebliche Sonarkontakte mit „Nessie“ durch Reflexion der Schallwellen
an den Schwimmblasen von Fischen oder vom Grund aufsteigende Gasblasen, die
Schallwellen zurückwerfen können. Loch Ness weise eine Wasserschichtung mit
warmem Oberflächenwasser und sehr kaltem Wasser in der Tiefe auf. Shine will an
der Grenzschicht zwischen beiden Wasserkörpern große Unterwasserwellen
ausgemacht haben, die für sehr starke Sonarkontakte mancher „Nessie“-Jäger oder
auch für ungewöhnliche Wasserbewegungen an der Oberfläche verantwortlich sein
könnten.
Holzstücke auf dem Wasser könnten laut Shine durch solche Wellen
gegen den Wind vorangetrieben werden. Sogar für vollkommen rationale Betrachter
sehe es dann so aus, als würde etwas gegen die Strömung schwimmen.
Erdbeben
Der italienische Geowissenschaftler Luigi Piccardi aus
Florenz vermutete im Jahre 2001 bei der Tagung „Earth System Process“ in
Edinburgh, die Sichtungen des legendären „Loch-Ness-Monsters“ könnten mit
Erdstößen zusammenhängen. Loch Ness liege an der so genannten Great
Glen-Verwerfung, einer heute noch geologisch aktiven Zone, die zuletzt 1901 für
ein Erdbeben der Stärke fünf verantwortlich war.
Nach Ansicht von Piccardi
würden Gase aufgrund der Erschütterungen der Erdkruste aus den Tiefen unterhalb
vom Loch Ness entweichen und zu typischen Geräuschen und Wasserbewegungen
führen. Es sei kein Zufall, dass das Ungeheuer meistens im Norden des Sees
gesichtet worden sei, denn dort sei die seismische Aktivität am stärksten.
Besonders wenn Gase aus der Tiefe des Sees nach oben stiegen, könnten auch
jene Blasen auf der Wasseroberfläche entstehen, die für die typischen „Buckel“
von „Nessie“ gehalten worden seien. Bei einigen dokumentierten Beobachtungen
solcher Phänomene lasse sich auch nachweisen, dass kurz darauf die Erde gebebt
habe.
Piccardi hatte früher bereits auf ähnliche Zusammenhänge in der
griechischen Mythologie hingewiesen. Er vermutete, die Priesterin Pythia, die
auf einem Dreifuß über einer Felsspalte saß und das vieldeutige Orakel von
Delphi stammelte, könnte durch Dämpfe zu ihren Visionen angeregt worden sein.
Piccardis Theorie, die „Nessie“-Sichtungen könnten mit Erdbeben
zusammenhängen, stößt in der Fachwelt aber nicht nur auf Anerkennung. Hilary
Haeson vom „British Geological Survey“ stufte diese These als unhaltbar ein,
weil – unter anderem – die von Piccardi erwähnte Verwerfung keine nennenswerte
Erdbebenquelle sei.
Froschmann
Auch Zeitgenossen mit einem Faible
für Geheimdienste haben für das „Loch-Ness-Monster“ eine Erklärung parat: Sie
glauben, britische „M-16“-Froschmänner seien beim geheimen Training im Loch Ness
gesichtet und irrtümlich für Seeungeheuer gehalten worden.
Unterseeboot
Es hieß auch schon, das „Loch-Ness-Monster“ sei gar kein Tier, sondern in
Wirklichkeit ein japanisches Unterseeboot in geheimer Mission gewesen.
Leseprobe aus der CD-ROM "Nessie" des Wissenschaftsautors Ernst Probst