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In „Nature“: Galaxien aus dem Großrechner

Archivmeldung vom 09.05.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.05.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Verschiedene Ansichten der Illustris-Simulation auf unterschiedlichen Skalen. Den AREPO-Code für die
Quelle: Bild: Illustris (idw)
Verschiedene Ansichten der Illustris-Simulation auf unterschiedlichen Skalen. Den AREPO-Code für die Quelle: Bild: Illustris (idw)

Galaxien enthalten typischerweise einige hundert Milliarden Sterne und zeigen vielfältige Formen und Größen. Ihre Entstehungsgeschichte ist eines der größten und komplexesten Probleme in der Astrophysik. Wissenschaftlern am Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS) ist es nun zusammen mit einem internationalem Team von Forschern am MIT, der Harvard University und weiteren Institutionen gelungen, die Physik der Galaxienentstehung in einem riesigen Raumbereich mit sehr hoher Genauigkeit zu simulieren.

Bilder der simulierten Population von Galaxien, die entlang der klassischen Hubble-Sequenz („Stimmga
Quelle: Bild: Illustris (idw)
Bilder der simulierten Population von Galaxien, die entlang der klassischen Hubble-Sequenz („Stimmga Quelle: Bild: Illustris (idw)

Im Fachjournal Nature berichten sie, dass dabei erstmals ein realistischer Mix aus elliptischen Galaxien und Spiralgalaxien entstand. Die Simulation kann auch erklären, wie sich schwere Elemente (sogenannte „Metalle“) in neutralem Wasserstoffgas anreichern. Zudem sind die berechneten Galaxien im Raum so verteilt, wie es mit Teleskopen beobachtet wird. Die Datenmenge des „Illustris“ genannten Projekts umfasst mehr als 200 Terabyte und erforderte die Rechenkraft von mehr als 8000 Prozessoren für mehrere Monate. Möglich wurde die Simulation durch den am HITS entwickelten AREPO-Code für kosmische Strukturentstehung und die Supercomputer CURIE in Frankreich und SuperMUC in Deutschland. Das von den Forschern erzeugte virtuelle Universum erlaubt eine Vielzahl neuartiger Voraussagen und damit eine umfassende Prüfung der kosmologischen Theorien zur Galaxienentstehung.

Das kosmologische Standardmodell basiert auf der Hypothese, dass das Universum von unbekannten Materie- und Energieformen dominiert wird. Zwar kennen wir die wahre physikalische Natur dieser Dunklen Materie und Dunklen Energie noch nicht, dennoch kann man ihre Konsequenzen mit Supercomputern nachvollziehen. Bisherige Simulationen des Kosmos erzeugten dabei ein kosmisches Netz aus Materieklumpen, das der Verteilung der Galaxien zumindest ähnelte. Sie konnten aber keine elliptischen und Spiralgalaxien schaffen und die eng verzahnte Entwicklung von interstellarem Gas und den Sternen auf kleinen Skalen nachvollziehen. In dem ambitionierten „Illustris-Projekt“ sind die Kosmologen bei diesem Problem nun ein großes Stück weiter gekommen.

In der weltweit größten hydrodynamischen Simulation der Galaxienentstehung wurde eine Region mit einer Ausdehnung von etwa 350 Millionen Lichtjahren über einen Zeitraum von über 13 Milliarden Jahren verfolgt, beginnend 12 Millionen Jahre nach dem Urknall. Über diesen Zeitraum bilden sich aus der „Ursuppe“ aus Wasserstoff, Heliumgas und Dunkler Materie mit der Zeit immer größere Verklumpungen, zusammengetrieben durch die Wirkung der Schwerkraft. Schließlich formen sich galaktische Sternsysteme, deren Wachstum durch ein komplexes Zusammenspiel von Strahlungsprozessen, hydrodynamischen Stoßwellen, turbulenten Strömungen, Sternentstehung, Supernova-Explosionen und der Energieeinspeisung wachsender superschwerer Schwarzer Löcher reguliert wird. Alle diese physikalischen Prozesse konnte das Illustris-Team in seiner neuen Supercomputer-Simulation mit dem Code AREPO berechnen. AREPO ist ein sogenannter „moving mesh code“, der das simulierte Universum nicht in ein starres Gitter einteilt, sondern bewegliche und veränderliche Gitter verwendet und so die Größen- und Masseunterschiede zwischen den einzelnen Galaxien besonders genau verarbeiten kann.

Die Hauptsimulation des Projekts hat dabei mehr als 18 Milliarden Teilchen und Zellen eingesetzt und überbrückt einen dynamischen Bereich von mehr als einer Million pro Raumdimension – um ähnlich kleine Details darzustellen, müsste ein Foto eine Million Megapixel groß sein. Der Speicherverbrauch der Illustris-Simulation von mehr als 25 Terabyte und das erzeugte Datenvolumen von mehr als 200 Terabyte setzen in der Kosmologie eine neue Rekordmarke. Diese Datenflut erlaubt es, die Entstehungsgeschichte von etwa 50.000 gut aufgelösten Galaxien im Detail zu studieren und theoretische Voraussagen für kosmische Strukturentstehung mit hoher Genauigkeit zu machen.

Die jahrelangen Vorbereitungen auf die Simulationen haben sich gelohnt: Erstmals kann das berühmte „Stimmgabel-Diagramm“ der Morphologie von Galaxien, das auf Edwin Hubble zurückgeht, reproduziert werden (siehe Abbildung 1). Dr. Mark Vogelsberger (MIT), Erstautor der in Nature erschienenen ersten Studie zu Illustris, meint: „Es ist bemerkenswert, dass die Anfangsbedingungen des Universums, die wir kurz nach dem Urknall beobachten, tatsächlich Galaxien von der richtigen Größe und Gestalt hervorbringen.“ Indirekt kann das als eine Bestätigung des Standardmodells der Kosmologie angesehen werden. „Endlich können wir die alten groben Modelle der Galaxienentstehung hinter uns lassen und nicht nur die Dunkle Materie präzise berechnen“, freut sich Prof. Volker Springel, Leiter der Forschungsgruppe „Theoretical Astrophysics“ am HITS und Autor des AREPO-Codes, und ergänzt: „Die Ergebnisse von Illustris markieren einen Umbruch in theoretischen Studien der Galaxienentstehung.“ Abbildung 2 zeigt einen Überblick über die astrophysikalischen Größen, die von diesem „Universum im Supercomputer“ vorausgesagt werden.

Quelle: Heidelberger Institut für Theoretische Studien gGmbH (idw)

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