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Neuer Fischaufstieg im Labor getestet

Archivmeldung vom 15.05.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.05.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Zusammenarbeit mit dem Betreiber eines Kraftwerks im Kraichgau wurde ein neuer Fischaufstieg im Wasserbaulabor der Hochschule Darmstadt getestet.

Fische müssen wandern - bevorzugt gegen die Strömung. Das hat drei Gründe: einmal werden sie durch Hochwasser abgetrieben und versuchen, dies durch ihr Bergauf-Schwimmen zu kompensieren. Einige Fischarten suchen die Quellgewässer zum Laichen auf. Und Raubfische, wie die Forelle, gehen dort auf die Jagd nach Fliegenlarven und Kleinkrebsen. Die bekanntesten Wanderfische sind der Lachs, der in den Oberläufen laicht, und der Aal, der dazu in die Sargassosee im westlichen Atlantik schwimmt, von wo der Nachwuchs in die Flüsse zurückkehrt.


Mühlen und Wasserkraftwerke

Ursprünglich konnten die Wanderfische, und dazu gehören neben Lachs und Aal die meisten einheimischen Fischarten, ungehindert die Quellgewässer erreichen. Im frühen Mittelalter aber begann der Mensch, an kleineren Flüssen Stauwehre zu bauen, um Mahl- und Sägemühlen zu betreiben. An der Modau zum Beispiel gab es zwischen Neunkirchen und Pfungstadt bis ins 20. Jhd. 64 Wehre für Mühlgräben. Das Wandern war nun für die meisten Fische nur noch mit Schwierigkeiten möglich. Nur der Aal, der sich schlangengleich über nasse Wiesen um ein Wehr windet sowie Forellen und Lachse, die bei genügend Wasser kleinere Wehre springend überwinden, konnten nun noch wandern. Der biologische Austausch der Abschnitte untereinander ist seitdem erschwert, was im Lauf der Jahrhunderte zu einem Rückgang der Artenvielfalt in einigen Bächen geführt hat.


Durchgängigkeit der Gewässer und Fischaufstiege

Im 20. Jahrhundert baute man die größeren Mühlen in Wasserkraftwerke um, die bis heute wichtigste regenerative Energiequelle. Zwar wurden bereits damals einige Fischaufstiege gebaut. Um die komplette "Durchgängigkeit" der Flüsse herzustellen, wären diese jedoch an allen Wehren erforderlich gewesen. Die Forderung nach Durchgängigkeit wurde seit 1990 in die Gesetze aller Bundesländer aufgenommen. Seit kurzem ist sie auch wichtiger Baustein der Gewässerrahmenrichtlinie der EU.

Um die Fischaufstiege nach baulichen und fischerei-ökologischen Vorgaben richtig zu gestalten, hat die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) Richtlinien erarbeitet.


Schlitzpass

Eines der darin vorgeschlagenen Bauwerke ist der sog. "Schlitzpass", der besonders bei beengten Verhältnissen, z.B. zwischen Gebäuden oder Ufermauern, geeignet ist. Er besteht aus länglichen Kammern, die treppenartig die Verbindung zwischen dem Unter- und Oberwasser eines Wehres herstellen. Durch schmale Schlitze zwischen den Kammern schwimmen die Fische bergauf. Wenn das Wehr sehr hoch ist, können solche Schlitzpässe mehr als 30 m lang und baulich sehr aufwändig werden.


Wasserkraftwerk an der Elsenz/Kraichgau

An einem der neun Wasserkraftwerke des Flusses Elsenz im nördlichen Kraichgau, Nähe Heidelberg, soll ein aufwändiger Schlitzpass gebaut werden. Der Betreiber des Kraftwerks hat der Genehmigungsbehörde vorgeschlagen, die Kammern des Schlitzpasses quer zu stellen. Damit wäre das Bauwerk nur halb so lang und entsprechend preiswerter geworden. Die Behörde stimmte diesem Vorschlag grundsätzlich zu. Sie verlangte aber, dass die Funktionstüchtigkeit vor dem Bau nachgewiesen wird.


Modellversuch im Wasserbaulabor der h_da

In Zusammenarbeit mit dem Betreiber des Kraftwerks wurde der neue Fischaufstieg daraufhin im Wasserbaulabor der Hochschule Darmstadt getestet. Weil der Schlitzpass im Original zu groß geworden wäre, wurde er im Maßstab 1:2, also halb so groß, nachgebaut. Dementsprechend kleiner sind auch die Fische, die das Modell testeten.

Wichtig war, dass die Strömung zwischen den Kammern des Schlitzpasses nicht zu groß wird, damit auch kleine Fische den Aufstieg schaffen. Die Fische wurden erst eingesetzt, nachdem diese Strömung in mehreren Vorversuchen und nach einigen Umbauten am Fischaufstieg entsprechend reduziert werden konnte. In mehreren Versuchsserien mit verschiedenen Wassermengen und Bauformen wurde nun ihr Verhalten beobachtet. Das erfolgte meist mit Hilfe einer Videokamera, weil jede Bewegung neben den Versuchsstand die Fische irritiert hätte und sie sich nicht mehr naturgemäß verhalten hätten. Die Testfische (Schneider, Bachschmerle, Gründlinge) wurden von Berufsfischern eigens in der Elsenz gefangen und in ein Aquarium in Darmstadt umgesetzt.

Schließlich konnte eine Bauform gefunden werden, die es kräftigen Fischen erlaubt, in wenigen Minuten den Höhenunterschied am Wehr zu überwinden. Die Kammern des Schlitzpasses enthalten aber auch ruhigere Bereiche, wo sich die schwächeren Fische zwischendurch ausruhen können, bevor sie in die nächste Kammer weiter schwimmen.


Ergebnis: ein neuer Bautyp

Im Ergebnis zeigte sich, dass der Schlitzpass mit quer liegenden Becken ohne Einschränkung geeignet ist, an der Elsenz die Durchgängigkeit zu gewährleisten.

Als nächstes soll versucht werden, den neu konzipierten Aufstiegstyp generell genehmigungsfähig zu machen, um eine gleichwertige, aber wesentlich preiswertere Lösung für die Durchgängigkeit an einem Gewässer zu ermöglichen. Damit stünde vielen der etwa 15000 kleinen Wasserkraftwerke in Deutschland eine funktionsfähige, aber wesentlich preiswertere und Platz sparende Lösung zur Verfügung.

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Unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. M. Döring führte Evelyn Bauer, Studentin des Wasserbaus, die Versuche durch, die auch für das Wohlbefinden der Fische durch Fütterung, Temperaturkontrolle und Sauerstoff sorgte. Nach den Versuchen werden die Fische wieder in der Elsenz ausgesetzt.

Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.

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