Klimawandel: ungeahnte Rolle der Bodenerosion
Archivmeldung vom 11.04.2017
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDie Studie einer Forschergruppe aus Belgien, Deutschland und der Schweiz unter Mitarbeit von Wissenschaftlern der Universitäten in Bonn und Augsburg zeigt eine bisher wenig bedachte Rückkopplung zwischen den langfristigen Auswirkungen der menschengemachten Entwaldung und Bodenverlagerung auf die globalen Treibhausgasemissionen seit Beginn des menschlichen Ackerbaus. Rund 40 Prozent aller Kohlenstoffemissionen, die aus der Umwandlung von Grasland oder Wald in Ackerland entstehen, werden in Sedimenten gebunden. Die überraschenden Ergebnisse sind nun im Journal „Nature Climate Change” veröffentlicht.
Seit dem Beginn der Landwirtschaft vor zirka 8000 Jahren nimmt der Mensch durch die großflächige Entwaldung und der einhergehenden Veränderung von Ökosystemen und Böden Einfluss auf den globalen Kohlenstoffzyklus und damit auf die Produktion von Treibhausgasen. „Historisch betrachtet lag der Schwerpunkt der bisherigen Forschung zur ackerwirtschaftlichen Landnutzung und deren Auswirkungen auf Böden stark auf den Aspekten der Bodenfruchtbarkeit und Bodenerosion“, sagt Erstautor Dr. Zhengang Wang von der belgischen Université catholique de Louvain (UCL). „Die Tatsache, dass durch Bodenerosion auch kohlenstoffreiche Sedimente geschaffen werden und ein großer Teil des erodierten Kohlenstoffs durch die Photosynthese der Pflanzen ersetzt und dem Boden wieder zugeführt werden kann, wurde dabei oft außer Acht gelassen“, ergänzt Letztautor Prof. Kristof van Oost von der UCL.
„Der Grund hierfür ist nicht ein absichtliches Auslassen dieser Erkenntnis, sondern die Tatsache, dass sich Erosionsstudien oft nur über kurze Messzeiträume erstrecken, während Sedimentations- und Bodenbildungsprozesse auf viel längeren Zeitskalen betrachtet werden müssen“, ergänzt Privatdozent Dr. Thomas Hoffmann von der Universität Bonn. Daher gab es bisher keine globalen Studien, welche die beiden Seiten der Medaille zum Bodenkohlenstoffhaushalt gemeinsam betrachten: einerseits die Kohlendioxid-Freisetzung durch Entwaldung und Erosion sowie andererseits der Verbleib des Kohlenstoffs durch Sedimentbildung in Böden. Diese beiden gegenläufigen Prozesse machen es extrem schwierig, die langfristigen Auswirkungen der Landwirtschaft auf die Freisetzung der Treibhausgase Kohlendioxid, Stickoxide und Methan abzuschätzen.
Ohne Sedimentspeicherung wäre der Klimawandel noch dramatischer
Basierend auf der Analyse archivierter Daten aus mehreren tausend Bodenprofilen verteilt über verschiedene Regionen der Erde konnten die Forscher ein Modell entwickeln, welches zeigt, dass während der letzten 8000 Jahre rund 80 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in Sedimenten eingelagert und damit der Atmosphäre entzogen wurden. Die Menge entspricht in etwa zehn Prozent des Gesamtgehaltes an Kohlenstoff in der Atmosphäre bzw. rund 40 Prozent aller Kohlenstoffemissionen, die aus der Umwandlung von Grasland oder Wald in Ackerland entstehen. „Diese Kohlendioxid bindende Funktion stellt damit also einen wesentlichen Faktor dar, ohne den die derzeitige Problematik sich erhöhender Treibhausgasemissionen noch dramatischer wäre“, so der Ko-Autor Dr. Sebastian Dötterl von der Universität Augsburg. Als Folge der Einführung maschinellen Ackerbaus und anderer Reformen in der Landwirtschaft im 19. Jahrhundert habe sich die Erosionsrate und damit auch die Schaffung von kohlenstoffreichen Sedimenten um fast das Fünffache im Vergleich zu vorhergehenden Zeitaltern erhöht.
Die Wissenschaftler betonen, dass ihre Arbeit auf keinen Fall als eine Empfehlung zur Erhöhung der Erosionsraten zu verstehen ist. Bodenerosion sei für viele negative Folgen verantwortlich, die die Ökosysteme und die Ernährung der Weltbevölkerung gefährden. Außerdem sei der in den Sedimenten gespeicherte Kohlenstoff nicht dauerhaft festgelegt, deshalb könne er zeitverzögert wieder in die Atmosphäre freigesetzt werden. „In der aktuellen Diskussion über weiter steigende Temperaturen und die Folgen des Klimawandels leistet unsere Arbeit allerdings einen wesentlichen Beitrag zum besseren Verständnis und der langfristigen Modellierung von Treibhausgasemissionen“, betonen die Wissenschaftler.
Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (idw)