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Das Geheimnis der Osterinsel: Wer hat die Moai-Statuen aufgestellt?

Archivmeldung vom 20.10.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.10.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Anja Schmitt
Bild:  CC0 / Pixabay
Bild: CC0 / Pixabay

Die Osterinsel ist einer der geheimnisvollsten Orte in der ganzen Welt. Wer und wozu hat dort die gigantischen Steinstatuen aufgestellt? Warum ist die dortige uralte Zivilisation ausgestorben, und zwar offensichtlich so rasant, dass viele Figuren unvollendet geblieben sind?

Weiter heißt es hierzu in einem Bericht von Wladislaw Strekopytow auf der Webseite des russischen online Magazins "Sputnik": "Es gibt verschiedene Hypothesen, die diese und auch andere Fragen zu beantworten versuchten. Inzwischen gibt es neue Forschungsmethoden, die für etwas mehr Klarheit sorgen. Allein in den letzten Monaten wurden die Ergebnisse von mehreren neuen Studien veröffentlicht, die das Geheimnis von Rapanui (so lautet der alternative Name der Insel) teilweise aufklären.

Woher stammten die Einwohner von Rapanui?

Manche Forscher vermuten, dass die Osterinsel schon in den 800er bzw. 900er Jahren bewohnt war: Davon zeugen viele abgebrannte Baumstümpfe der damaligen Zeit. Die ersten Umsiedler könnten auf die Insel noch früher gezogen sein, aber dafür gibt es vorerst keine Beweise. Klar ist lediglich, dass sie gegen 1200 definitiv bewohnt war.

Über die Herkunft der ersten Einwohner der Osterinsel wurde lange gestritten. Die meisten Forscher tendierten dazu, dass sie von anderen Inseln Ost-Polynesiens gekommen waren. Die Rapanui-Sprache gehört dem malaysisch-polynesischen Zweig an und ähnelt der tongaischen, der tahitianischen und der hawaiischen Sprache.

Eine andere Hypothese besagt, dass die Vorfahren der Rapanui-Einwohner aus Südamerika gekommen wären. Dieser Meinung war beispielsweise der bekannte norwegische Archäologe, Reisende und Schriftsteller Thor Heyerdahl. Um seine Vermutung zu bestätigen, ging er 1947 mit einer Gruppe von Freunden auf seinem Floß „Kon-Tiki“ auf eine 6980 Kilometer lange Reise aus Peru zum Atoll Raroia (Archipel Tuamotu).

Für die „südamerikanische“ Version sprechen unter anderem die spezifische Bauweise von einigen Einrichtungen auf Rapanui, die für die Inka typisch war, und der auf der Insel herrschende Kult des Vogelmenschen. Erwähnenswert ist auch, dass auf der Osterinsel schon im Jahr 1722, als die ersten Europäer dort eintrafen, Süßkartoffeln und Flaschenkürbis angebaut wurden, die damals nur in Südamerika bekannt waren.

Aber egal woher die ersten Rapanui-Einwohner stammten, war ihr Weg richtig lang. Die Osterinsel ist einer der entlegensten Orte in der ganzen Welt: 3514 Kilometer von Südamerika und 2075 Kilometer von der nächsten besiedelten Pitcain-Insel entfernt.

Genetik gibt Antwort

2017 wurden DNA-Proben aus der „voreuropäischen“ Zeit der Osterinsel analysiert, und dabei konnten keine Spuren einer unmittelbaren Vermischung der Inseleinwohner mit Südamerikanern entdeckt werden. Allerdings konnten die Forscher auch die „Blutreinheit“ der Indigenen nachweisen.

Den Wissenschaftlern zufolge waren die ersten Rapanui-Einwohner aus genetischer Sicht Kinder aus gemischten Ehen verschiedener Völker Polynesiens, Ozeaniens und möglicherweise Südamerikas.

Im Rahmen der jüngsten Studie haben Experten der Medizinischen Schule der Stanford University (USA) und des Instituts für biomedizinische Wissenschaften der Chilenischen Universität gemeinsam mit ihren Kollegen aus Großbritannien,Mexiko und Norwegen die DNA-Proben von insgesamt 807 Menschen analysiert , die 15 verschiedenen Indianergruppen und 17 polynesischen Stämmen angehört hatten. Es wurde ein Schema der genetischen Verbindungen zwischen Polynesiern und Südamerikanern erstellt, das insgesamt 32 Generationen umfasst.

Dabei stellte sich heraus, dass sich Polynesier doch mit südamerikanischen Urvölkern gekreuzt hatten – aber nur ein einziges Mal, vor etwa 800 Jahren. Das passierte vermutlich auf den Marquesas-Inseln, die damals Vertreter des Zenu-Stammes erreichten, der im jetzigen Kolumbien lebt.

Wer die Marquesas-Inseln als Erster erreichte, ist unbekannt. Falls das die Indianer waren, dann hatte Thor Heyerdahl teilweise Recht. Aber die Besiedelung begann nicht mit Rapanui, sondern eben mit den Marqueas. Und diese Version ist durchaus logisch: Diese Inseln liegen zwar weiter von Südamerika als die Osterinsel, aber sie waren dank Passatwinden und Strömungen im Stillen Ozean leichter zu erreichen.

Später, im 13. Jahrhundert, besiedelten die Nachkommen der Polynesier und Indianer den Tuamotu-Archipel, und im 14. Jahrhundert erreichten sie auch die Osterinsel, wo nach Auffassung der Forscher bereits „reine“ Polynesier lebten.

Möglicherweise waren die Rapanui-Einwohner auch selbst in der Lage, Südamerika zu erreichen, ob vor oder nach dem Erscheinen der Nachkommen der Indianer und Polynesier auf der Insel. Dadurch erklären die Forscher die Entdeckung von Artefakten und Pflanzen südamerikanischer Herkunft auf der Insel.

Die Migration aus Südostasien nach Polynesien begann vor etwa 3500 Jahren. Jahrhundertelang erschlossen die Vorfahren der jetzigen Einwohner des südlichen Pazifik-Teils die neuen Böden, bis sie dann solche entlegenen Inseln wie Hawaii, Marquesas und eben die Osterinsel erreichten. Dann gingen sie noch weiter nach Osten und könnten noch mehrere Tausende Kilometer überwinden, um in Südamerika einzutreffen.

Wer hat wann die Moai-Statuen errichtet?

Das größte Geheimnis der Osterinsel besteht darin, wer die riesigen Steinstatuen Moai aufgestellt hat. Ihr Alter lässt sich zurzeit nicht genau feststellen. Es gilt, dass sie zwischen den Jahren 1000 und 1600 gebaut wurden, wobei etliche Statuen unvollendet geblieben sind.

Im Laufe dieser 600 Jahre wurden etwa 800 Statuen aufgestellt. Mehr als 230 stehen auf steinernen rituellen Plattformen am Ufer des Ozeans, fast 400 wurden nie fertig gebaut. Eine von ihnen ist richtig gigantisch: 21 Meter hoch und mehr als 200 Tonnen schwer.

Als die ersten Europäer auf Rapanui erschienen, lebten dort höchstens 3000 Menschen. Es ist deshalb fraglich, ob eine dermaßen kleine Indigenen-Gemeinde, deren Entwicklungsniveau zudem recht primitiv war, Hunderte riesige Statuen aufgestellt haben könnte.

Angesichts dessen vermuten die Forscher, dass es auf der Osterinsel in uralten Zeiten eine Zivilisation mit einer entwickelten sozialen Struktur und komplizierten religiösen Kulten gab. Dann aber ist sie geheimnisvoll verschwunden – aber die Moai-Statuen sind geblieben.

Hinsichtlich des Aussterbens der Rapanui-Zivilisation gab es verschiedene Hypothesen. Unter anderem vermuten die Wissenschaftler, dass dort eine Umweltkatastrophe oder ein militärischer Konflikt passiert sein könnte. Exotischere Versionen sind: Die Einwohner hätten viel zu viel Wert auf den Statuenbau gelegt und die wirtschaftlichen Aktivitäten vernachlässigt; Ratten hätten alle Pflanzensamen aufgefressen usw.

Eine Gruppe von US-amerikanischen Anthropologen um Robert Di Napoli von der Oregon-Universität hat alle Radiokohlenstoffdatierungen gesammelt, die auf die Zeit der Moai-Errichtung hinweisen könnten, und diese mit ethnohistorischen Dokumenten und Ergebnissen der Untersuchungen der Statuen bekräftigt. Die Ergebnisse ihrer Forschungen wurden im April im Fachmagazin „Journal of Archaeological Science“ veröffentlicht.

Dabei haben sie herausgefunden, dass die Bauzeit der Moai viel länger gedauert hatte, als ursprünglich vermutet worden war: bis zu den 1750er Jahren. Als die Europäer auf der Insel erschienen, hatten die dortigen Einwohner noch neue Moai-Plattformen gebaut. Davon zeugen die Tagebücher von niederländischen, spanischen und britischen Seefahrern.

Das bedeutet aber, dass es Anfang des 17. Jahrhunderts keinen Kollaps gegeben hatte. Es konnten auch keine Hinweise auf Rivalitäten zwischen verschiedenen Stämmen gefunden werden. Im Gegenteil: Alle Einwohner haben gemeinsam gearbeitet.

Die Forscher haben elf Moai-Plattformen analysiert und festgestellt, dass sie alle nach demselben Prinzip gebaut wurden. Das zeugt von der kulturellen und technologischen Nachhaltigkeit auf der Osterinsel – und widerspricht der Theorie des spontanen Zusammenbruchs.

Alles wegen des Klimas?

Die Zivilisation auf der Osterinsel könnte wegen des Klimawandels ausgestorben sein – dieser Auffassung sind Wissenschaftler aus China, Spanien und Norwegen, die unlängst einen Beitrag im Fachmagazin „Proceeding of the Royal Society B“ veröffentlicht haben.

Die Autoren sind nämlich elf Experten auf den Gebieten Umweltschutz, Geschichte und Archäologie. Ihre Forschung stützte sich auf sogenannte paläoklimatische Rekonstruktionen, die es ihnen ermöglichte, die kausalen Zusammenhänge der natürlichen und sozialen Ereignisse auf der Insel nachzuvollziehen.

Dass die Inseleinwohner vor der Erscheinung der Europäer sozusagen im Frieden mit der Natur gelebt hätten, während die Europäer alles zerstört hätten, ist nichts als ein Mythos. Die Situation auf Rapanui war nie idyllisch: Die Einwohner dieser winzigen Insel mitten im Stillen Ozean mussten ständig ums Überleben kämpfen. Ihre Zahl wurde mal kleiner, mal wieder größer und hing wesentlich von den Naturbedingungen ab.

In dieser Region spielte nämlich immer die sogenannte „El Niño-Southern Oscillation“ (ENSO) eine große Rolle – so nennt man das Auftreten von ungewöhnlichen, nicht zyklischen, veränderten Meeresströmungen im ozeanografisch-meteorologischen System des äquatorialen Pazifiks. Die warme Phase dieser Oszillation ist als „El Niño“ bekannt, die kalte als „La Niña“. Laut der Studie passierte die Kürzung der Bevölkerungszahl auf der Osterinsel normalerweise während kalter Phasen, wenn die Niederschläge minimal waren. Das führte zu mangelhaften Ernten – und zum Massenhunger auf der Insel.

Die paläobotanischen Angaben weisen darauf hin, dass es auf der Insel sehr viele Pflanzen gab. Aber mit der Zeit wurden Agrarflächen eingerichtet, weshalb die Wälder gerodet werden mussten, was die ohnehin schwere Umweltsituation noch schlimmer machte.

Laut den Forschern gab es auf Rapanui mindestens drei soziale Krisen. Die erste brach vermutlich zwischen 1450 und 1550 aus und war mit dem Klimawandel verbunden. Europa litt gleichzeitig unter der sogenannten Kleinen Eiszeit. Die zweite Krise passierte zwischen dem Erscheinen der ersten Europäer auf der Insel und den 1770er Jahren. Die Gründe dafür bleiben immer noch unbekannt. Und die dritte Krise im 19. Jahrhundert ließ sich auf verschiedene Seuchen und den Sklavenhandel zurückführen.

Jedenfalls haben die Wissenschaftler keine Beweise für eine einzige und klar ausgeprägte soziale Krise entdecken können. Die Bevölkerungszahl auf Rapanui schwankte relativ langsam – zwischen 10 000 bis 15 000 Einwohnern in den besten Zeiten und 2000 bis 3000 in den schlimmsten Perioden."

Quelle: Sputnik (Deutschland)

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