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Müll-DNA nicht so nutzlos wie gedacht.

Archivmeldung vom 23.07.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.07.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Strukturmodell eines Ausschnitts aus der DNA-Doppelhelix (B-Form) mit 20 Basenpaarungen
Strukturmodell eines Ausschnitts aus der DNA-Doppelhelix (B-Form) mit 20 Basenpaarungen

Foto: Michael Ströck (mstroeck)
Lizenz: GFDL
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Etwa 75 Prozent der vermeintlich funktionslosen DNA des menschlichen Genoms wird in so genannte nichtkodierende RNAs (Ribonukleinsäuren) übersetzt. Ihre Funktion ist bislang noch weitgehend unbekannt. Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) konnten nun gemeinsam mit Kollegen des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie (IZI) und der Universität Leipzig zeigen, dass die Herstellung nichtkodierender RNAs präzise reguliert wird. Sie vermuten, das nichtkodierende RNAs bei der Regulation zellulärer Prozesse oder der veränderten Immunantwort nach Einwirkung von Umweltgiften eine Rolle spielen könnten.

Rund zwei Prozent des menschlichen Genoms dienen als Bauplan für Proteine (Eiweiße), die als molekulare Maschinen in unseren Körperzellen wichtige Funktionen übernehmen. Der Rest des Genoms – immerhin 98 Prozent – ist ein mehr oder minder unbeschriebenes Blatt. Die Bereiche, die nicht für Proteine kodieren, werden auch als Müll-DNA bezeichnet. Doch sind sie tatsächlich unnötiger Ballast? „Das ist eine der zentralen Fragen, die die Genomforschung derzeit umtreibt“, sagt Dr. Jörg Hackermüller, Bioinformatiker am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH (UFZ). „Auf der Genom-Landkarte sind noch große weiße Flecken – hier gibt es noch viel zu entdecken.“

Bereits im Jahr 2007 konnte Hackermüller gemeinsam mit zahlreichen Kollegen in einer im Fachmagazin Nature publizierten Studie zeigen, dass nicht nur zwei Prozent des Genoms in RNA übersetzt werden – eine Vorlage, die normalerweise der Herstellung von Proteinen dient – sondern nahezu das gesamte Genom, also auch solche Bereiche, die überhaupt nicht als Bauplan für Proteine genutzt werden. Hackermüller: „Aus diesem Befund entstand eine lebhafte Diskussion darüber, ob es dies durch Zufallsereignisse oder Fehler in der Regulation zellulärer Prozesse verursacht sein könnte. Doch ich zweifle daran, dass die Natur so verschwenderisch mit Ressourcen umgeht und so große Mengen an RNA sinnlos herstellt.“

In der aktuellen, im Fachmagazin „Genome Biology“ veröffentlichten Studie konnten Hackermüller und sein Team in Kooperation mit Prof. Friedemann Horn und Prof. Peter F. Stadler von der Universität Leipzig und dem Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI nun eine weitere Wissenslücke schließen: Die Übersetzung nichtkodierender Regionen im Genom wird durch zelluläre Signalwege präzise reguliert – und das in großem Stil: Bis zu 80 Prozent der RNA-Kopien waren nichtkodierend. „Ein solches Ausmaß hatten wir nicht erwartet“, sagt Hackermüller. „Das spricht nicht für ein Zufallsprodukt – höchstwahrscheinlich kommt der nichtkodierenden RNA eine ähnlich wichtige Funktion zu wie der proteinkodierenden RNA.“

Weiterhin haben die Forscher eine neue Spezies nichtkodierender RNAs entdeckt, die so genannte Makro-RNA. Sie ist um das 50- bis 200-fache größer als übliche proteinkodierende RNA. „Bemerkenswert ist, dass Teile dieser Makro-RNAs von den Säugetieren bis hin zu den Vögeln und Reptilien konserviert sind“, sagt Horn. „In aggressiven Formen eines Gehirntumors werden mehrere Makro-RNAs zudem deutlich aktiver produziert als in Tumoren mit guter Prognose. Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass nichtkodierende Makro-RNAs in zellulären Abläufen eine wichtige Rolle spielen.“

Hackermüller vermutet, dass nichtkodierende RNAs auf epigenetischer Ebene eine wichtige Funktion haben, beispielsweise als eine Art zelluläres Langzeitgedächtnis: „Dies könnte auch erklären, warum die körperlichen Auswirkungen durch Belastung mit schädlichen Umweltsubstanzen häufig erst Jahre später auftreten.“ In zukünftigen Untersuchungen wollen Hackermüller und sein Team daher prüfen, welchen Einfluss Umweltschadstoffe auf das Vorkommen nichtkodierender RNAs in Immunzellen haben. Nicole Silbermann

Quelle: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ (idw)

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