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Vogelschlaf mit Rhythmus

Archivmeldung vom 06.03.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.03.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Durch das Vogelhirn von links oben nach rechts unten wandernde Nervenzell-Aktivität. Jedes Bild zeig
Quelle: MPI f. Ornithologie/ Rattenborg (idw)
Durch das Vogelhirn von links oben nach rechts unten wandernde Nervenzell-Aktivität. Jedes Bild zeig Quelle: MPI f. Ornithologie/ Rattenborg (idw)

Wenn wir in einen tiefen Schlaf fallen, ziehen gleichmäßige und lange Wellen neuronaler Aktivität durch den Neocortex, einem Teil der Großhirnrinde. Auch Vögel haben eine Tiefschlafphase, besitzen aber keinen Neocortex. Forscher vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen haben nun erstmals Einblick in das schlafende Vogelgehirn bekommen. Sie fanden dort eine sich in komplexen dreidimensionalen Wolken ausbreitende Gehirnaktivität, die sich von der zweidimensionalen Wellenstruktur bei Säugetieren klar unterscheidet. Die Ausbreitung dieser 3D-Wolken im Vogelhirn benötigt also keine in Schichten angeordnete Nervenzellstruktur wie im Neocortex, sondern folgt vermutlich anderen Regeln.

Säugetiere, einschließlich uns Menschen, brauchen für das Lösen komplizierter geistiger Aufgaben die Rechenleistung im Neocortex. Auch beim Schlaf spielt er eine wichtige Rolle: Während des Tiefschlafes bilden die Aktivitäten seiner Nervenzellen eine langsame Schwingung aus, die als Welle durch den Neocortex wandert, ähnlich den Zuschauern bei einer “La-Ola-Welle“ im Stadion. Es wird vermutet, dass diese Welle der Koordination der Informationsverarbeitung in weiter entfernt liegenden Gehirnregionen dient. Vögel besitzen zu den Säugetieren vergleichbare Fähigkeiten, haben aber eine unterschiedliche Gehirnstruktur. Ihnen fehlt die für den Neocortex charakteristische schichtweise Anordnung der Nervenzellen. Stattdessen sind dort gleichgestaltete Nervenzellen zu einfacheren kernartigen Nervenzellhaufen zusammengefasst.

Forscher vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen haben nun mit Kollegen aus den Niederlanden und Australien an Zebrafinken-Weibchen untersucht, wie sich deren Gehirnaktivität im Schlaf über Raum und Zeit ändert. “Als wir die Aufnahmen der Gehirnaktivität zum ersten Mal sahen, schien es, als ob die Tiefschlaf-Wellen gleichzeitig in allen Aufzeichnungsorten im Gehirn vorhanden waren. Erst als wir die Daten in einem Film in Zeitlupe abspielten, zeigte sich ein faszinierendes Muster“, sagt Gabriël Beckers von der Universität Utrecht, der am Max-Planck-Institut eine hochauflösende Aufnahmemethode entwickelt hatte. Die Aktivitätswellen der Nervenzellen bewegten sich entlang des Neocortex in zweidimensionalen Bögen. Diese zeigten sich auch noch, wenn im 90 Grad-Winkel dazu gemessen wurde. Auf diese Weise ergaben sich dreidimensionale Wolken, die in verschiedenen Gehirnregionen gefunden wurden. Dieses neuartige Muster könnte also allgemeingültig für die Nervenzell-Aktivität im Vogelgehirn sein.

Die Ergebnisse lassen auch Rückschlüsse auf Schlafmuster im Neocortex der Säugetiere zu: “Für die Verbreitung von Tiefschlaf-Wellen ist eine schichtweise Anordnung der Nervenzellen wie im Neocortex nicht notwendig“, sagt Niels Rattenborg, Leiter der Forschungsgruppe “Vogelschlaf“ in Seewiesen. “Wenn die Schichten kein einzigartiges Merkmal für diese Art der Nervenorganisation sind, kann die Forschung an Vögeln unser Verständnis verbessern, was das Besondere am Neocortex ist“, so Rattenborg weiter.

Die Forscher vermuten, dass die dreidimensionale Verbreitung der Wellen im Vogelhirn anderen Gesetzen als im Neocortex gehorcht. So ist beispielsweise im Laufe der Evolution der Vögel der dreischichtige Aufbau des Cortex der Reptilien – den Vorfahren der Vögel – durch kernartige Gehirnstrukturen ersetzt worden. “Vermutlich bietet dieser eher unstrukturierte Zusammenschluss der Nervenzellen zu Gehirnkernen im Vogelhirn Vorteile, die sich bislang noch unserem Verständnis entziehen. Unsere Ergebnisse im schlafenden Vogelhirn könnten zur Lösung dieses Phänomens beitragen“, sagt Niels Rattenborg.

Quelle: Max-Planck-Institut für Ornithologie (idw)

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