Astronomen entdecken extrasolare Planeten, auf denen vermutlich lebensfreundliche Bedingungen herrschen
Archivmeldung vom 19.04.2013
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Suche nach einer zweiten Erde bestimmt die Jagd nach fremden Planeten. Die meisten dieser Himmelskörper sind zu groß oder laufen zu nah um ihre Muttersonne. Jetzt hat ein internationales Team, zu dem auch Lisa Kaltenegger vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie gehört, zwei geeignete Kandidaten entdeckt: Kepler-62e und Kepler-62f. Ihre Radien entsprechen dem 1,61-fachen und dem 1,41-fachen Erdradius, was sie mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Felsplaneten mit soliden Oberflächen macht. Außerdem kreisen die beiden Planeten in der habitablen Zone, in der flüssiges Wasser vorkommen kann – die Voraussetzung für Leben, wie wir es kennen.
Der Stern Kepler-62 liegt in der Konstellation Leier, ist rund 1200 Lichtjahre von der Erde entfernt und ein wenig kleiner und kühler als die Sonne (Spektraltyp: K2V, geschätzte Masse: 0,7 Sonnenmassen, geschätzter Radius: 0,63 Sonnenradien). Von uns aus betrachtet, laufen die Planeten in regelmäßigen Abständen vor ihrem Mutterstern vorbei und schatten dabei einen Bruchteil seines Lichts ab. Diesen Effekt nutzt die Transitmethode, mit der Kepler die Objekte schließlich auch entdeckt hat. Insgesamt fand das Weltraumteleskop aufgrund der extrem geringen periodischen Helligkeitsschwankungen des Sterns fünf Planeten, die Kepler-62b bis Kepler-62f genannt wurden.
Ein wichtiger Aspekt der Erforschung von Exoplaneten ist die Suche nach Himmelskörpern, auf denen die richtigen Bedingungen für die Entwicklung von Leben herrschen könnten – ein Schritt in Richtung auf das Ziel, Leben auf fernen Planeten tatsächlich nachzuweisen. Gerade in dieser Hinsicht sind die neuentdeckten Planeten Kepler-62e und Kepler-62f interessant.
„Tatsächlich liegen Kepler-62e und Kepler-62f in der lebensfreundlichen, habitablen Zone ihres Heimatsterns. Außerdem sind sie die kleinsten Körper, die bisher in einer derartigen Zone gefunden wurden“, sagt Lisa Kaltenegger. Die Forscherin am Max-Planck-Institut für Astronomie ist kein Mitglied des Kepler-Teams, war aber dafür verantwortlich, die potenzielle Lebensfreundlichkeit der beiden Planeten abzuschätzen.
„Bisher hat man alle interessanten Planeten in habitablen Zonen mit der sogenannten Radialgeschwindigkeitsmethode nachgewiesen“, sagt Kaltenegger. „Dieses Verfahren liefert aber naturgemäß nur eine Untergrenze für die Masse eines Planeten und keine Information über seinen Radius. Allein aufgrund der Masse ist es aber schwierig zu beurteilen, ob es sich um einen erdartigen Planeten handelt, also einen Planeten mit fester Oberfläche.“ Ein Radius von weniger als dem Doppelten des Erdradius hingegen sei ein deutliches Zeichen, dass es sich um einen erdähnlichen Planeten handelt – außer, man betrachtet einen Planeten, der einen äußerst jungen Stern umkreist.
Dass Kepler-62e und Kepler-62f tatsächlich Felsplaneten mit solider Oberfläche sind und keine Gasplaneten wie Jupiter oder Neptun, ist ein Schlüsselaspekt der neuen Entdeckung. Die interessantesten sicheren Kandidaten für habitable Planeten (GJ 667Cc, Gl 581d, HD 85512b und Gl 163c) wurden sämtlich mit der Radialgeschwindigkeitsmethode nachgewiesen, die lediglich Rückschlüsse auf die Mindestmasse des untersuchten Planeten zulässt.
Wahrscheinlich liegt die tatsächliche Masse des Planeten in den meisten Fällen zwischen dieser Mindestmasse und dem Doppelten davon. Bei den erwähnten Kandidaten könnte es sich demnach um Felsplaneten handeln, aber durchaus auch um Miniaturversionen des Neptun. Ein gutes Beispiel dafür ist Kepler-11f: ein Mini-Neptun mit 2,3 Erdmassen und dem 2,6-fachen des Erdradius.
Doch damit nicht genug. Laut Lisa Kaltenegger hängen Aussagen über die Lebensfreundlichkeit eines Planeten immer von zusätzlichen Annahmen ab. „Nehmen wir an, bei Kepler-62e und -62f handelt es sich um Felsplaneten, wie ihre Radien nahelegen. Gehen wir weiterhin davon aus, dass es auf diesen Planeten Wasser gibt, und dass ihre Atmosphäre eine ähnliche Zusammensetzung hat wie jene der Erde – also vor allem Stickstoff, mit Anteilen von Wasser und Kohlenstoffdioxid“, sagt Kaltenegger. „Unter diesen Voraussetzungen könnte auf den Oberflächen beider Planeten flüssiges Wasser vorkommen.“
Kepler-62f empfängt weniger Strahlungsenergie von seinem Stern als die Erde von der Sonne und würde entsprechend mehr Treibhausgase (etwa Kohlenstoffmonoxid) benötigen, um nicht einzufrieren. Kepler-62e ist seinem Stern näher und braucht eine hinreichend dichte Wolkendecke, mit der er Strahlungsanteile des Sterns reflektiert und damit flüssiges Wasser auf seiner Oberfläche ermöglicht.
Ob ein Planet lebensfreundlich ist oder nicht, beurteilen die Wissenschaftler danach, ob auf ihm flüssiges Wasser existieren kann – die Voraussetzung für Leben, wie wir es kennen. Ob er im astronomischen Sinne habitabel ist (in der habitablen Zone seines Sterns liegt) ist ein noch etwas schärferes Kriterium – es setzt die Möglichkeit voraus, dass es auf der Oberfläche des Planeten flüssiges Wasser gibt. Das ist die Voraussetzung dafür, dass sich Leben auf diesem Planeten möglicherweise in Zukunft mithilfe astronomischer Beobachtungen nachweisen lässt.
Habitabilität bedeutet nicht notwendigerweise, dass der betreffende Planet bis ins Detail so aussieht wie die Erde. Im Gegenteil: Planeten mit hinreichend größerem Radius als die Erde, wie Kepler-62e und Kepler-62f, wären bei gleicher chemischer Zusammensetzung höchstwahrscheinlich Wasserwelten, deren Oberflächen von tiefen, globalen Ozeanen bedeckt sind.
Das Ergebnis der Untersuchung zeigt nicht, dass der betreffende Planet tatsächlich „bewohnt“ ist, sondern nur, dass er es sein könnte – falls die Atmosphärenbedingungen stimmen. Ein definitiver Nachweis ist derzeit noch Zukunftsmusik. Er kann erst gelingen, wenn mit größeren Teleskopen als den derzeit verfügbaren eine spektroskopische Analyse von Planetenatmosphären möglich wird, sich also eine Art „chemischer Fingerabdruck“ des Planeten gewinnen lässt.
Ein wichtiger Teil der Arbeit von Lisa Kaltenegger und ihren Mitarbeitern besteht darin, Modellrechnungen anzustellen, wie die chemischen Fingerabdrücke bestimmter Sorten von Planeten, eben auch Kepler-62e und -62f, aussehen können. In jedem Fall sind Kepler-62e und -62f die aussichtsreichsten Kandidaten, die wir bisher kennen.
Quelle: Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg (idw)