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„Ich `google´ mal schnell meinen Haustürschlüssel“

Archivmeldung vom 06.09.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.09.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
"stuff-tag" im Größenvergleich zu einer 1-Euro-Münze
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Bild: Elvira Eberhardt / Uni Ulm

Medieninformatiker der Universität Ulm haben eine "Suchmaschine" entwickelt, die in geschlossenen Räumen und sogar in Möbeln nach Gegenständen suchen kann. Dafür werden Schlüsselbund, Geldbeutel oder Sonnenbrille mit speziellen Anhängern bzw. Aufklebern versehen, die mit kleinen Funkmodulen ausgestattet sind. Ein technisch aufgerüstetes "Smart Furniture" macht es über relative Positionierung möglich, den gesuchten Gegenstand zu lokalisieren. Die Suchanfrage wird einfach über ein webbasiertes Interface eingegeben: "Wo ist mein Geldbeutel?". Informationen über den Fundort liefert schließlich der Computer in verständlichem Deutsch: "Der Geldbeutel liegt zwischen Bett und Schrank!".

Die Zeit drängt, man will aus dem Haus. Doch von Autoschlüssel und Geldbeutel keine Spur. Das nervt. Durchschnittlich verlegt ein Normalbürger laut Angaben eines britischen Versicherungskonzerns bis zu neun Gegenstände pro Woche, ganz oben auf der Liste Handy, Schlüssel und Sonnenbrillen. Das muss endlich ein Ende haben, dachten sich drei Master-Studenten der Universität Ulm vor einem Jahr. Die angehenden Medieninformatiker haben nun gemeinsam mit ihren drei Betreuern eine Suchmaschine entwickelt, mit der Gegenstände in geschlossenen Räumen und dabei sogar in einzelnen Möbelstücken aufgespürt werden können: „Find My Stuff“ (FiMS). Über eine web-basierte Eingabemaske wird die Suchanfrage gestellt: Wo ist der Schlüssel? „Der Computer antwortet dann mit Sätzen wie `In der zweiten Schublade der Kommode´ oder `Zwischen Tisch und Sofa´“, illustriert Steffen Musiol, der den Webauftritt des Teams programmiert hat.

Zuvor muss das gesuchte Objekt allerdings mit einem speziellen Anhänger bzw. Aufkleber versehen werden, einem briefmarkengroßen Chip, der mit zwei verschiedenen Funkmodulen ausgestattet ist, einem sogenannten ZigBee-Sender und einem RFID-Transponder. „Beide Systeme arbeiten mit unterschiedlichen Reichweiten und werden so kombiniert, dass nicht nur in Räumen, sondern auch in bestimmten Möbelstücken gesucht werden kann“, erläutert Jens Nickels, Masterstudent im vierten Fachsemester.

Im Mittelpunkt ihrer Entwicklung stehen sogenannte „Smart Furniture“: in diesem Fall eine mit Funktechnik aufgerüstete Kommode. Kommilitone Pascal Knierim öffnet die unterste Schublade. „Hier sieht man an den Innenseiten die Zigarettenschachtel-großen Antennen und daneben die kleineren ZigBee-Module“, demonstriert der Ulmer Medieninformatik-Student an der umfunktionierten Kommode eines schwedischen Möbelhauses. Die Funkeinrichtung im schlauen Möbelstück steht schließlich über einen gewöhnlichen WiFi-Router mit dem Server in Verbindung.

Und wie funktioniert das Ganze? Im Gegensatz zu Positionierungsmethoden, die absolute Koordinaten berechnen, arbeitet „`FiMS´ nach dem Prinzip der relativen Positionierung mit Hilfe von Signalstärkemessungen. Abschirmungs- und Reflexionseffekte machen uns daher weniger zu schaffen“, erklärt Doktorand Bastian Könings die Idee. Die Suchanfrage wird über ein webbasiertes Interface gestellt, also mit einer speziell dafür programmierten Internetseite, und an den Server übermittelt. Mit Hilfe des WiFi-Routers schickt der Server dann eine Suchanfrage an die „schlauen“ Möbel und lässt über das energiearme RFID-Funksignal überprüfen, ob der gesuchte Gegenstand innerhalb dieser Möbel verborgen ist, beispielsweise in bestimmten Schubladen oder Schränken. Bleibt die Suche erfolglos, kontaktiert der Server den gesuchten Gegenstand selbst mit der programmierten Aufforderung, sich über ein ZigBee mit größerer Reichweite bei den nächsten in den Möbeln eingebauten Antennen bemerkbar zu machen. Die Empfangsstärke des Signals wird bei den unterschiedlichen Antennen gemessen und über eine Recheneinheit zentral ausgewertet. Ein zweidimensionaler Graph im Hintergrund, auf dem die räumlichen Beziehungen der Möbelstücke mit den gerichteten Antennen automatisch abgebildet werden, ermöglicht dann die relative Positionierung. Und schließlich formuliert der Computer das versprachlichte Suchergebnis: „Das Handy liegt rechts vom Bett“.

„Die große Herausforderung für uns bestand in der Hardware-nahen Programmierung“, so die Studenten, die FiMS beim Projektmodul „Ubiquitous Computing“ im Rahmen des Ulmer Masterstudienganges Medieninformatik entwickelt haben. Betreut wurden sie dabei von den Doktoranden Florian Schaub, Bastian Könings und Björn Wiedersheim, allesamt Wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Medieninformatik von Professor Michael Weber. „Auf jeden Betreuer kam ein Student. Das ist schon ein tolles Betreuungsverhältnis“, sind sich die Entwickler einig.

FiMS arbeitet nicht nur energiearm, sondern ist auch einfach zu bedienen. „Dafür muss man kein Technikfreak sein, und noch nicht einmal vor Ort. Denn man kann die Suchanfrage einfach über das Internet stellen“, erklärt das Team. Mittlerweile gab es mehrere Nutzerstudien mit über 100 Testern. Bis zur Marktreife muss allerdings wohl noch einiges an Zeit und Geld investiert werden. „Schön wäre es, wenn ein Möbelkonzern mit unserer Nachrüstung in Serie gehen würde, dann wäre die Technik an sich recht preisgünstig“, schildern die Medieninformatik-Studenten ihre Vision. Die Suchmaschinen-Konstrukteure können sich auch gut vorstellen, dass das ein oder andere Unternehmen aus der Lageristik-Branche an ihrer Erfindung Interesse haben könnte. In der zweiten Septemberwoche werden die Ulmer Medieninformatiker ihr Projekt erst einmal bei einer großen Fachtagung über Ubiquitäres Computing, der „UbiComp `13“ in Zürich, vorstellen. Den Zugang zur Fachwelt haben die Jung-Wissenschaftler mit „Find My Stuff“ also schon gefunden.

Quelle: Universität Ulm (idw)

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