Im Wirkungskreis des Blitzes
Archivmeldung vom 02.06.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.06.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie gewaltige Kraft der Natur zeigt sich besonders imposant im Phänomen Blitz. Bei einem Blitzschlag werden Spannungen bis zu 100 Millionen Volt wirksam. In dem Blitzkanal selber fließen Ströme bis zu über 100.000 Ampere. Kein Wunder also, dass es ein Blitz vermag, Haus- und Waldbrände sowie erheblichen Schäden an elektronischen Einrichtungen zu verursachen.
Trifft ein Blitzeinschlag ein Gebäude direkt, ist die Wahrscheinlichkeit von Schäden an elektrischen und elektronischen Einrichtungen sehr hoch. Jährlich entstehen so Schäden in Höhe von etwa 100 Mio. Euro.
Da der räumliche
Einzugsbereich eines einzigen Blitzeinschlags jedoch sehr viel größer ist,
nämlich zwischen einigen 100 Meter bis zu einigen Kilometern, liegt die
Schadenssumme von so genannten "indirekten Blitzeinschlägen" sogar noch
wesentlich höher als bei den Direkteinschlägen. Gut 500.000 Schäden indirekter
Blitzeinschläge werden jedes Jahr den Versicherungen allein im Bereich Hausrat
gemeldet, was ein Schadensvolumen von gut 250 Mio. Euro ausmacht. Wie groß genau
der räumliche Einzugsbereich ist, war bislang allerdings eher spekulativ. Grund
genug für den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV e.V.),
eine Studie zur Ermittlung einer plausiblen Entfernungsgrenze bei Schäden durch
indirekte Blitzeinschläge in Auftrag zu geben.
Prof. Dr. Alexander Kern und
Prof. Dr. Gerhard Dikta vom Fachbereich Angewandte Naturwissenschaften und
Technik der Fachhochschule (FH) Aachen und ihr Team untersuchten das Phänomen 15
Monate lang auf unterschiedlichen Ebenen. Zum einen werteten sie zahlreiche
konkrete Schadensberichte statistisch aus, wobei mitunter auch die zerstörten
Elektrogeräte untersucht wurden. Zum anderen wurden mittels eines
Simulationsprogramms in Zusammenarbeit mit der Universität "La Sapienza" in Rom
verschiedene Schadensszenarien naher Blitzeinschläge durchgespielt.
Grundsätzlich unterscheiden die Forscher zwei Schadenstypen: nahe
Einschläge, die zu Überspannungen innerhalb der hausinternen Energieversorgungs-
und informationstechnischen Netze führen, und solche Schäden, die durch eine
Überlastung der Versorgungsleitungen im Außenbereich entstehen. Im letzteren
Fall erzeugt der Blitz eine Überspannung in den Leitungen außerhalb der Gebäude;
diese Überspannung wird allerdings dann in die Gebäude transportiert und kann
dort zu Schäden führen. Der Anteil der Schadensfälle durch nahe Einschläge, so
der zweite Befund, ist wesentlich geringer als jener über die
Versorgungsleitungen (etwa ein Drittel zu zwei Drittel).
Besonders
interessant, speziell im Hinblick auf zukünftige Hausratversicherungen, sind die
Ergebnisse im Bereich Entfernungen:
Dikta und Kern definieren in ihrer
Studie erstmals eine realistische Entfernung zwischen dem Blitzeinschlagsort und
dem Schadensort. Bei nahen Blitzeinschlägen geben sie eine realistische
Maximalentfernung von 700 Metern in ländlichen Gegenden an, in der Stadt sind es
aufgrund der Abschirmwirkung der dichten Bebauung nur 500 Meter. Bei
Einwirkungen über die externen Versorgungsleitungen ergeben sich, je nach
Bebauungsdichte, höchst unterschiedliche Entfernungen zum Blitzeinschlagsort,
bis zu der noch eine realistische Schadenswahrscheinlichkeit besteht. Kann man
in der Stadt von einer maximalen Distanz von 200 Metern ausgehen, ist es auf dem
Land bis zu zwei Kilometer. Bei Entfernungen zwischen Blitzeinschlagsort und
Schadensort, die über diese Werte hinausgehen, ist ein Zusammenhang des Schadens
mit dem Blitzeinschlag sehr unwahrscheinlich.
Die Forscher fanden in
einer weiteren Untersuchung heraus, dass Geräte, die an nur ein Versorgungsnetz
angeschlossen sind (wie Haushaltsgeräte), weitestgehend nur über einen
Blitzeinschlag in die externen Versorgungsleitungen geschädigt werden können.
Dahingegen gilt für Geräte mit Anschlüssen an mehr als ein Versorgungsnetz (z.B.
Fernsehgerät, PC), dass sowohl nahe Blitzeinschläge als auch Überlastungen der
externen Versorgungsleitungen zu Schäden führen können. Für die Versicherungen
hat dieses Ergebnis eine wesentlich größere Sicherheit bei der Einstufung von
Schadensfällen zur Folge.
Sollten die Versicherungen der Studie folgen, wären
sie in der Lage, sehr viel differenzierter und damit gerechterer auf die
konkreten Schadensfälle zu reagieren - was sich mittelfristig positiv auf die
Beitragskosten des Einzelnen auswirken könnte.