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CERN-Verfassungsbeschwerde – Klägeranwalt: „BVerfG hat Vorsorgeprinzip verkannt“

Archivmeldung vom 01.04.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.04.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: CERN
Bild: CERN

Für Aufsehen sorgte jüngst der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), durch welchen die Verfassungsbeschwerde der in der Schweiz lebenden Deutschen Gabriele Schröter gegen die derzeit anlaufenden Versuche im Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider am CERN im Schweizerischen Genf verworfen wurde. Nun melden sich Frau Schröter und ihr Anwalt mit einer Rezension zu Wort. Die Klägerin sieht unter Berufung auf mehrere Wissenschaftler massive Gefahren für Mensch und Umwelt weiterhin nicht ausgeräumt. Ihr Anwalt bezeichnet die Karlsruher Entscheidung als „unhaltbar“.

Soweit das BVerfG seinen Beschluss (Aktenzeichen: 2 BvR 2502/08) im Wesentlichen darauf stützt, die Klägerin habe „über ihr generelles Misstrauen gegenüber physikalischen Gesetzen hinaus“ die befürchteten Gefahren nicht substantiiert, stellt dies nach Auffassung ihres Anwalts Olaf Möhring, Fachanwalt für Verwaltungsrecht in Mönchengladbach, eine unzulässige Verkürzung ihres Beschwerdevorbringens dar.

Mitnichten, so Möhring, habe die Klägerin wie vom BVerfG behauptet „generelles Misstrauen gegenüber physikalischen Gesetzen“ geäußert. Vielmehr sei vorgetragen, dass nach jüngsten Erkenntnissen des Straßburger Astronomen Famaey vom Herbst 2009 zur sogenannten Dunklen Materie die gängigen physikalischen Theorien z.B. Newtons und Einsteins, auf welchen die Sicherheitsbegutachtung des CERN beruht, der Überprüfung bedürften und folglich auch die CERN-Begutachtung von 2008 wegen neuer Erkenntnisse aktualisiert werden müsste. Das BVerfG habe den Klägervortrag insoweit missinterpretiert.
Ebenso könne nicht nachvollzogen werden, dass die Klägerin die Gefahren nicht ausreichend dargelegt habe. „Wir haben eingehend die Gutachten der Fachkritiker Rössler und Plaga und zahlreicher Risikoforscher erläutert“, erklärt der Anwalt. „Diese Wissenschaftler bestätigen Gefahrenpotentiale für Mensch und Umwelt und betrachten die Sicherheitsbegutachtung als bisher unzureichend.“

Die möglichen Katastrophenszenarien würden in der Sicherheitsbegutachtung selbst diskutiert und stünden damit zunächst im Raum, was einen zuverlässigen Gefahrausschluss erfordere. Die CERN-Befürworter stützten ihre Entwarnung auf das Hauptargument, die Laborverhältnisse seien mit den Verhältnissen im Kosmos vergleichbar, wo sich die am CERN geplanten Ereignisse stets wiederholten. Weil Erde und andere Himmelskörper fortbestünden, seien auch die CERN-
Versuche ungefährlich. „Das“, so Möhring, „ist jedoch keineswegs so gesichert wie offiziell behauptet.“

Im Gegenteil seien die Unterschiede zwischen Labor und kosmischen Verhältnissen offensichtlich, da die in den CERN-Versuchen erfolgenden Frontalzusammenstöße von Teilchen im Weltall kaum vorkämen und die Forscher auch nur über ein kleines Auszugswissen über die Phänomene des Universums verfügten. Die behauptete Vergleichbarkeit sei daher zweifelhaft. Einen weitergehenden Sicherheitsnachweis vermisst der Anwalt.

Das BVerfG, so Möhring, hätte „gut daran getan, den Klägervortrag in allen Einzelheiten zu berücksichtigen“. Bei ca. 14 Monaten Verfahrensdauer hätte man das erwarten können. „Schließlich haben wir auf ca. 100 Seiten vorgetragen und die maßgeblichen Gutachten vorgelegt.“

„Leider haben die Richter unseren umfassenden Vortrag nicht gebührend beachtet und das Vorsorgeprinzip verkannt“. Danach hätte die Beweislast für die Ungefährlichkeit des Projekts bei CERN und seinen Mitgliedstaaten als Betreibern gelegen, „genauso, wie auch bei anderen technischen Anlagen der Betreiber den Sicherheitsnachweis führen muss“. Die Betreiber hätten ein externes, neutrales Obergutachten einholen müssen, das sich gebührend vertieft gerade auch mit den Abweichlergutachten befasst. „Das ist aber nicht geschehen“, beklagt Möhring.

Weiterhin sieht er im Fehlen eines Parlamentsbeschlusses über die Teilnahme Deutschlands an dem Projekt einen Verstoß gegen das Demokratieprinzip. „Weder Bürger noch Volksvertreter wurden dazu befragt, und das geht in einem demokratischen Rechtsstaat nicht an.“

Die Entscheidung sei folglich „unhaltbar“. Möhring abschließend: „Es bleibt jetzt nur zu hoffen, dass die CERN-Wissenschaftler recht behalten und tatsächlich alles wie behauptet gut geht.“

Quelle: Rechtsanwalt Olaf Möhring

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