Was bringt biologische Uhren zum Ticken?
Archivmeldung vom 24.03.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWer die Zeit misst, kann sich besser in seine Umwelt fügen: Das gilt für alle Organismen - für pflanzliche ebenso wie für tierische. Bei einer Vielzahl physiologischer Prozesse spielen Zeitinformationen, die über biologische Uhren vermittelt werden, eine Rolle; so auch bei Zellteilungszyklen. Wenig verstanden sind bisher jedoch die Wechselwirkungen zwischen diesen zellautonomen Mechanismen und den systemischen, also durch Hormone gesteuerten.
Durch Untersuchung verschiedener Zebrafisch-Mutanten haben Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Zusammenarbeit mit ihren Kollegen vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie und vom European Molecular Biology Laboratory (EMBL) herausgefunden, dass das Hormon Cortisol bei der Etablierung endogener Zellteilungsrhythmen im ganzen Tier eine entscheidende Rolle spielt (PLoS Biology, 19. März 2007).
Physiologische Vorgänge in Pflanzen und Tieren verändern sich im
Tag-Nacht-Rhythmus. Diese Rhythmen werden durch biologische Uhren erzeugt, die
unter konstanten Bedingungen eine Periodenlänge von ungefähr 24 Stunden
(circadian) haben. Bei Wirbeltieren finden sich solche zellautonomen circadianen
Uhren in den meisten Zelltypen. Man bezeichnet sie - im Gegensatz zum zentralen
Schrittmacher im Gehirn, dem SCN (Suprachiasmatischer Nucleus) - als periphere
Uhren. Bestimmte Hauptschritte des Zellteilungszyklus scheinen der Kontrolle
solcher peripheren Uhren zu unterliegen. Da eine strenge Kontrolle der
Zellteilung lebensnotwendig ist, um normales Wachstum zu sichern und
Tumorbildung zu vermeiden, ist ein tiefer gehendes Verständnis jener
Mechanismen, die den Zeitpunkt der Zellteilung in normalen Zellen festlegen, von
großer medizinischer Bedeutung.
Im Zebrafisch, einem kleinen
Süsswasserfisch, der wegen seiner transparenten Larven ein beliebtes
Studienobjekt von Entwicklungsbiologen ist, kann man eine deutliche tägliche
Rhythmik des Zellwachstums in der Larve beobachten. Wissenschaftler aus der
Arbeitsgruppe von Nicholas Foulkes am Max-Planck-Institut für
Entwicklungsbiologie in Tübingen haben im Rahmen ihrer Arbeiten zur
Zellteilungskontrolle Zebrafischlinien untersucht, die verschiedene Defekte in
der Hormonproduktion aufwiesen. "Wir konnten zeigen, dass das Steroidhormon
Cortisol notwendig für die Ausbildung der täglichen Zellteilungsrhythmen ist",
erklärt Thomas Dickmeis. "In Larven mit einer zu niedrigen Cortisolproduktion
sind die Rhythmen sehr stark abgeschwächt."
Bemerkenswerterweise hängen die Rhythmen nicht von den 24-stündigen Änderungen des Cortisolspiegels ab, die in normalen Zebrafischen wie in anderen Wirbeltieren vorhanden sind. Vielmehr kann auch eine Behandlung mit über den gesamten Tag gleichbleibenden Konzentrationen eines Cortisol-Ersatzmedikamentes normale Zellteilungsrhythmen in den cortisolarmen Fischen wiederherstellen. Die Zelluhr selbst scheint also den Zeitpunkt für die Zellteilung zu bestimmen, allerdings benötigt sie dazu das Vorhandensein einer ausreichenden Menge an Cortisol. "Die derzeit existierenden Modelle zur Steuerung des circadianen Zellzyklus berücksichtigen nur die Regulation der Genexpression durch die internen Zelluhren. Unsere Arbeit hat aber gezeigt, dass diese bei der Steuerung von biologischen Tag-Nacht-Rhythmen mit Hormonen zusammenwirken können", sagt Nicholas Foulkes. Und fügt hinzu: "Die Modelle müssen also neu bewertet werden."
Quelle: Pressemitteilung Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.