Ein weiterer Schritt zu atomaren Speichern
Archivmeldung vom 06.02.2010
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.02.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWie die renommierte Zeitschrift "Nature Physics" berichtet, ist es Wissenschaftlern der Universität Hamburg unter der Leitung von Prof. Roland Wiesendanger gelungen, die Richtungsabhängigkeit der magnetischen Kopplung zwischen einzelnen Atomen auf Oberflächen direkt zu vermessen.
Die in Hamburg experimentell ermittelte Magnetisierungsausrichtung von atomaren Bits verschiedenen Abstands und verschiedener Orientierung stimmt dabei erstaunlich gut mit der magnetischen Kopplung überein, die von Wissenschaftlern des Forschungszentrums Jülich an einem Supercomputer mit einem aufwendigen Modell berechnet wurde. Dies stellt einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung magnetischer atomarer Datenspeicher und neuartiger Spintronik-Bauelemente dar. Die Forschungsarbeiten hierzu werden u.a. durch die Hamburger Landesexzellenz-Initiative und einen Sonderforschungsbereich der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.
Hervorgerufen durch die immer zunehmende Miniaturisierung elektronischer
Geräte und die stetig wachsende Flut digitaler Daten wird beständig
nach Möglichkeiten gesucht, den Platz für die kleinste Speichereinheit,
ein Bit, zu reduzieren, um Datenspeicher mit immer höherer Kapazität
herstellen zu können. Bei der magnetischen Speichertechnologie gibt es
das ultimative Ziel, irgendwann einmal die Information eines Bits in der
magnetischen Ausrichtung eines einzelnen Atoms speichern zu können.
Magnetische Atome verhalten sich wie winzige Kompassnadeln, deren
Magnetisierung entweder nach oben (1) oder unten (0) zeigen kann.
Aufgrund deren geringer räumlichen Ausdehnung ergäben sich dadurch
immens hohe Speicherdichten, die für Jahrzehnte das Speicherplatzproblem
lösen würden. Allerdings gibt es auf dem Weg dorthin vor allem zwei
grundlegende Probleme: (I) die atomaren Bits schalten bei Raumtemperatur
in Bruchteilen einer Sekunde zwischen den zwei Zuständen (0) und (1),
wodurch die gespeicherte Information verloren geht; (II) bei zu kleinen
Abständen von wenigen Nanometern koppeln benachbarte Bits, was ebenfalls
zu einem Datenverlust führen kann.
Mittels der Methoden der modernen Oberflächenphysik lassen sich atomare
Bits auf eine extrem flache Oberfläche eines Metalls aufbringen, die als
Modellsystem eines atomaren Datenspeichers dienen. Wie die Hamburger
Wissenschaftler schon früher demonstriert haben, kann das atomare Bit
mit der magnetisch beschichteten Spitze eines Rastertunnelmikroskops
ausgelesen werden (Abb. 1).
Bereits vor einem halben Jahrhundert schlugen die Theoretiker Ruderman,
Kittel, Kasuya und Yosida eine neue Art der Kopplung zwischen solchen
magnetischen Atomen vor, die neben dipolarer Kopplung und direktem
magnetischen Austausch als dritte fundamentale Wechselwirkung den
Magnetismus im Festkörper bestimmt. Kommt ein Leitungselektron in die
Nähe eines magnetischen Atoms, richtet es seinen Spin nach diesem aus.
Bewegt sich das Elektron nun weiter durch den Festkörper, kann die
Spinpolarisation des Elektrons wiederum eine Ausrichtung des
magnetischen Momentes eines der nächsten Atome bewirken. Dadurch wird
eine magnetische Kopplung hervorgerufen, die je nach Abstand zu
paralleler oder antiparalleler Ausrichtung benachbarter Bits führt. Die
nach den vier Entdeckern benannte RKKY-Kopplung ist vor allem in
Festkörpern, die eine geringe Menge magnetischer Atome enthalten, aber
auch in Seltenerdmetallen, die dominierende der drei Wechselwirkungen.
Die Leitungselektronen als Vermittler der RKKY-Wechselwirkung bestimmen
dabei die Stärke und Richtungsabhängigkeit der Kopplung. Bisher wurden
vereinfachende theoretische Modelle benutzt, mit denen die
Kopplungsstärke erfolgreich in Volumenmaterialien vorausgesagt werden
konnte. Nach diesen Modellen ist die Kopplung nur vom Abstand der zwei
magnetischen Atome, nicht aber von ihrer Lage relativ zu den
Kristallrichtungen abhängig (Abb. 2 A). Obwohl eine
Orientierungsabhängigkeit aufgrund der Kristallstruktur erwartet wurde,
ist es experimentell bisher nicht gelungen, einen direkten Beweis dafür
zu erbringen. Dies lag vor allem an der Unzulänglichkeit der bisher
benutzten magnetischen Ausleseverfahren, die räumlich über einen großen
Bereich und damit verschiedene Ausrichtungen mitteln.
Wie in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Nature Physics" berichtet
wird, ist es nun in einer Zusammenarbeit von Wissenschaftlern der
Universität Hamburg und des Forschungszentrums Jülich gelungen, die
Richtungsabhängigkeit der RKKY-Kopplung direkt zu vermessen und mit
einem aufwendigen Modell zu vergleichen [1]. Die in Hamburg
experimentell ausgelesene Magnetisierungsausrichtung in Paaren von
atomaren Bits verschiedenen Abstands und verschiedener Orientierung
stimmt dabei erstaunlich gut mit der auf dem Supercomputer in Jülich
gerechneten Kopplung überein (Abb. 2 B). Es zeigt sich eine starke
Abhängigkeit der RKKY-Kopplung von der Ausrichtung der zwei Bits, die
man anhand der einfacheren Modelle nicht beschreiben kann.
Diese Erkenntnisse haben schließlich auch einen großen praktischen
Nutzen für die zukünftige Entwicklung von Nanostrukturen aus einer
größeren Anzahl einzelner magnetischer Atome. Mittels der Spitze des
Rastertunnelmikroskops lassen sich die magnetischen Atome in einer
nahezu beliebigen Struktur zusammenschieben. Mithilfe der gewonnenen
Karte der RKKY-Kopplung lässt sich daher eine Nanostruktur mit
maßgeschneiderter magnetischer Kopplung entwerfen und verwirklichen.
Solche Nanostrukturen könnten interessante Eigenschaften im Hinblick auf
zukünftige spintronische Bauelemente haben. Eine andere
vielversprechende Möglichkeit besteht in ihrer Anwendung als
Modellsystem für neuartige Rechenverfahren, die die Quantennatur der
Bits ausnutzen (z. B. in Quantencomputern).
Quelle: Sonderforschungsbereich 668