Messungen unter Big-Bang-Bedingungen bestätigen Lithium-Problem
Archivmeldung vom 26.08.2014
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.08.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Astrophysik hat ein hartnäckiges Problem und das heißt Lithium: Das Element kommt nicht in den Mengen in Sternen vor, die rechnerisch für die Lithium-Entstehung nach dem Big Bang vorhergesagt werden. Doch die Berechnungen stimmen – das konnte jetzt erstmals auch experimentell im Untertagelabor im italienischen Gran-Sasso-Bergmassiv bestätigt werden. Forscher des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) untersuchten dort in einem internationalen Team, wieviel Lithium unter Urknall-Bedingungen entsteht. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht.
Lithium ist neben Wasserstoff und Helium eines der drei Elemente, die nicht erst innerhalb von Sternen erzeugt werden. Stattdessen – so die Theorie – sind sie schon früh durch die „primordiale Nukleosynthese“ entstanden. Das heißt: Im nur wenige Minuten alten Universum haben sich Neutronen und Protonen zu den Kernen der ersten drei Elemente verbunden. Am Laboratory for Underground Nuclear Astrophysics (LUNA) wurde die Kernentstehung von Lithium nun von einem internationalen Forscherteam nachgestellt. Eine führende Rolle im Team nahm Michael Anders ein, der im vergangenen Jahr an der TU Dresden und am HZDR zu dem Thema promoviert hat. Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts wurde er dabei von Dr. Daniel Bemmerer, Gruppenleiter am HZDR, betreut.
In dem italienischen Untertagelabor feuerten die Wissenschaftler Heliumkerne auf schweren Wasserstoff (sogenanntes Deuterium), um Energien wie kurz nach dem Urknall zu erreichen. So sollte gemessen werden, wieviel Lithium unter Bedingungen entsteht, die denen im Frühstadium des Universums ähneln. Das Ergebnis des Experiments: Die Daten bestätigten die theoretischen Vorhersagen, die mit den beobachteten Lithium-Konzentrationen im Universum nicht vereinbar sind.
„Zum ersten Mal überhaupt konnte mit unserem Experiment die Lithium-6-Produktion in einem Teil des Urknall-Energiebereichs untersucht werden“, erklärt Daniel Bemmerer. Lithium-6 (drei Neutronen, drei Protonen) ist eines der beiden stabilen Isotope des Elements. Die Entstehung von Lithium-7, welches über ein zusätzliches Neutron verfügt, wurde bereits 2006 von Bemmerer am LUNA untersucht.
Mit den neuen Ergebnissen bleibt das Lithium-Problem somit eine harte Nuss: Einerseits sprechen nun alle Labor-Ergebnisse der Astrophysiker dafür, dass die Theorie der primordialen Nukleosynthese korrekt ist. Andererseits zeigen viele Beobachtungen von Astronomen, dass die ältesten Sterne in unserer Milchstraße nur halb so viel Lithium-7 enthalten wie vorhergesagt. Aufsehenerregende Berichte von schwedischen Forschern, die in solchen Sternen außerdem deutlich mehr Lithium-6 entdeckten als vorhergesagt, müssen wohl auch aufgrund der neuen LUNA-Daten noch einmal überprüft werden. Bemmerer: „Sollten in Zukunft wieder ungewöhnliche Lithium-Konzentrationen beobachtet werden, wissen wir dank der neuen Messung, dass die Erklärung nicht in der Urknall-Nukleosynthese liegen kann.“
Weitere Forschung bald im neuen Felsenkeller-Labor in Dresden
Wichtig für die Untersuchungen war auch die besondere Lage von LUNA: Im Bergmassiv Gran Sasso d’Italia halten 1.400 Meter Felsgestein störende kosmische Strahlung fern. Zusätzlich ist das Labor in eine Bleihülle gekleidet. Nur durch eine solch gute Abschirmung können die seltenen Wechselwirkungen zwischen den Kernen präzise erfasst werden. Schon im nächsten Jahr soll aber auch in Dresden ähnliche Forschung möglich sein. Dann wollen die Technische Universität Dresden und das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf das Beschleunigerlabor „Felsenkeller“ in Betrieb nehmen. In dem ehemaligen Brauerei-Keller schirmen zwar nur 45 Meter Fels die natürliche Strahlung ab, dies reiche laut Bemmerer vom HZDR für viele Messungen aber bereits aus. Zudem habe das neue Labor einen mehr als zwölfmal so starken Teilchenbeschleuniger zu bieten: „Dort können wir dann unsere Experimente erweitern und die Entstehung der Elemente in höheren Energiebereichen erforschen.“
Quelle: Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (idw)